Wer auf dem Gelände der Dortmunder Greentech-Firma Compleo mit einem Verbrennungsmotor vorfährt, fühlt sich wahrscheinlich etwas aus der Zeit. Weit und breit ist kein Parkplatz ohne die eigens entwickelte und produzierte Ladesäule zu entdecken. Zukunft wird hier gelebt: Jedes der Firmenfahrzeuge fährt selbstverständlich elektrisch. Ein Anblick, der die Herzen der Umweltschützer höher schlagen lassen dürfte.
Die Dortmunder haben Großes vor: Sie bauen an einer Ladeinfrastruktur für ganz Europa. „Wir gehören zu den innovativsten Anbietern in Deutschland und wollen auch in Europa weiter wachsen“, gibt der technische Vorstand Checrallah Kachouh die Richtung vor. Mit über 11 Jahren Erfahrung gehört Compleo zu den Herstellern der ersten Stunde und hat bereits Ladestationen in zwölf weitere Länder geliefert. „Damit haben wir bereits eine Blaupause für unsere europäische Expansion“, ergänzt der kaufmännische Vorstand Georg Griesemann.
Günstiger könnten die Rahmenbedingungen für Compleos Kerngeschäft kaum sein: Politik, Energieversorger und Autohäuser drängen massiv auf einen Ausbau der für die Elektromobilität nötigen Infrastruktur. „Wenn, wie politisch gewollt, bis zum Jahr 2030 insgesamt zehn Millionen Stromer auf deutsche Straßen kämen, braucht es 970.000 weitere öffentliche Ladesäulen – vorausgesetzt, dass wie geplant auf jedes zehnte Auto ein öffentlicher Ladepunkt kommen soll“, rechnet Firmenchef Kachouh vor.
Andere Länder wie Norwegen und die Niederlande sind sogar noch engagierter, was sich schon jetzt in einem deutlich höheren Anteil an Neuzulassungen widerspiegelt. Das Nadelöhr: Derzeit gibt es in der EU nur 175.000 öffentliche Ladepunkte. Mit jährlich 600 Millionen Euro wird jedoch fleißig weiter in die Infrastruktur investiert. Ab 2025 wollen die europäischen Länder das Budget sogar auf 1,8 Milliarden Euro pro Jahr aufstocken, ab 2030 sollen es dann 2,9 Milliarden Euro sein.
Das hohe Tempo macht sich auch bei Compleo bemerkbar. „Unser Umsatzniveau des Gesamtjahres 2019 von rund 15 Millionen Euro hatten wir 2020 nach bereits sechs Monaten nahezu erreicht“, sagt Griesemann. „Bis zum Jahresende 2020 erwarten wir eine ähnliche Wachstumsdynamik“, so Griesemann. Das Geschäft brummt inzwischen sogar so stark, dass die Belegschaft zum Zweischichtbetrieb überging. Und das, obwohl bis August 2020 noch weitere 80 Beschäftige hinzugekommen sind. Mittlerweile zählt Compleo knapp 200 Mitarbeiter.
Um der Dynamik in diesem Markt zu begegnen, hat sich die Compleo Charging Solutions nun von der bisherigen Rechtsform der GmbH in eine Aktiengesellschaft umgewandelt. Der Vorstand gibt sich betont zuversichtlich: „Die Umwandlung in eine AG ist für uns auf jeden Fall ein wichtiger Meilenstein in der Ausrichtung unseres Unternehmens. Sie gibt uns noch mehr Flexibilität, um unsere Wachstumspläne in der gebotenen Geschwindigkeit zu realisieren – sowohl finanzierungsseitig am Kapitalmarkt als auch organisatorisch.“