Schlüssel zur Energiewende

Mit ihrer Energieeffizienzstrategie 2050 will die Bundesregierung die Energiewende voranbringen. Ob sie dazu taugt, ist fraglich.
Illustration: Helena Pallaré
Kristina Simons Redaktion

Die Nachfrage nach Energie steigt weltweit kontinuierlich an. Das führt nicht nur zu steigenden Energiepreisen an den Energiemärkten, sondern heizt auch den Klimawandel weiter an. Denn auch wenn – gerade in Deutschland – die erneuerbaren Energien weiter auf dem Vormarsch sind, werden noch immer in erheblichen Mengen fossile Energieträger wie Kohle, Gas und Mineralöl genutzt. Energieeffizienz ist ein wesentlicher Schlüssel zur Energiewende: Wenn wir im gleichen Maße produzieren und konsumieren wie heute, dafür aber weniger Energie aufwenden müssen, senkt das klimaschädliche Treibhausgasemissionen, Energiepreise und die Abhängigkeit von Energieimporten. Auch die Wirtschaft profitiert davon, wenn sie bei steigender Wertschöpfung weniger Energie benötigt und dadurch nachhaltiger und wettbewerbsfähiger produzieren kann. Nicht zuletzt stößt Energieeffizienz neue Geschäftsmodelle, innovative Technologien und Dienstleistungen an. Die Deutsche Unternehmensinitiative Energieeffizienz (DENEFF) rechnet vor, dass sich allein durch die Umsetzung der Energieeffizienzpotenziale in Haushalten und Unternehmen bis 2030 zwei Drittel der Menge an Treibhausgasen einsparen ließen, die zur Erreichung des Klimaschutzziels erforderlich sind.

 

Strategie oder Rückschritt?

 

Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) hat Mitte November den Entwurf einer Energieeffizienzstrategie 2050 der Bundesregierung (EffSTRA) vorgelegt, die geplante und zum Teil bereits umgesetzte Maßnahmen zur Erreichung der Klimaziele 2030 und 2050 zusammenfasst. In der EffSTRA legt die Bundesregierung erstens ein Energieeffizienzziel für 2030 fest – minus 28 Prozent gegenüber 2008. Zweitens formuliert sie dafür notwendige Maßnahmen im weiterentwickelten Nationalen Aktionsplan Energieeffizienz (NAPE 2.0). Er soll zwischen 2021 und 2030 sektorübergreifend zusätzliche Endenergieeinsparungen von rund 220 Terawattstunden (TWh) bewirken. Dafür sollen zum Beispiel im Gebäudebereich energetische Sanierungen steuerlich gefördert und die bestehenden Förderprogramme in einer „Bundesförderung für effiziente Gebäude“ (BEG) zusammengefasst und vereinfacht werden. Geplant ist zudem eine Austauschprämie für Ölheizungen. Auch der energetische Standard für Neubauten soll weiterentwickelt werden. Drittens soll im Rahmen der EffSTRA unter dem Namen „Roadmap Energieeffizienz 2050“ ein breiter Dialogprozess starten, in dem sektor-übergreifende Wege zur Erreichung des Treibhausgas-Reduktionsziels für 2050 diskutiert werden.


Die Reaktionen auf die Energieeffizienzstrategie 2050 sind verhalten bis negativ. Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) etwa kritisiert das in der EffSTRA genannte Zwischenziel, bis 2030 gegenüber 2008 nur 28 Prozent Energie einzusparen. Das sei nicht mit dem gerade erst beschlossenen Klimaschutzgesetz vereinbar, das die vollständige Treibhausgasneutralität Deutschlands bis 2050 festlegt. Denn dafür müssten bis 2030 mindestens 38 Prozent Energie eingespart werden. Bei 28 Prozent käme man höchstens auf eine Treibhausgasreduktion von 80 bis 95 Prozent, rechnet die DUH vor. „Die Bundesregierung nimmt ihr eigenes Klimaschutzgesetz nicht ernst“, so die stellvertretende Bundesgeschäftsführerin der DUH, Barbara Metz. „Anstatt ihr selbst ausgerufenes Leitprinzip ‚Efficiency First‘ endlich mit Leben zu füllen, korrigiert die Bundesregierung ihre Ambitionen bei der Energieeffizienz sogar nach unten.“ In keinem Bereich der Energiewende lägen die Fortschritte so weit hinter den Zielen der Bundesregierung zurück wie bei der Energieeffizienz. Mit dem vorgeschlagenen Effizienzziel für 2030 leiste die Bundesregierung darüber hinaus keinen angemessenen Beitrag zur Erreichung des EU-Effizienzziels, den Primär- und Endenergieverbrauch bis 2030 im Vergleich zu einem Referenzszenario um mindestens 32,5 Prozent zu senken. Christian Noll, geschäftsführender Vorstand der Deutsche Unternehmensinitiative Energieeffizienz e.V. (DENEFF), bemängelt darüber hinaus: „Statt eine konsequente Strategie für die effiziente Energiewende aufzustellen, werden wieder nur einzelne Maßnahmen genannt, deren Ausgestaltung vage bleibt.“ Einzelne Maßnahmen wie die verstärkte Förderung von Abwärmenutzung sowie ambitioniertere Energieeffizienzstandards für Haushaltsgeräte seien zwar durchaus begrüßenswert, reichten aber nicht aus.


Zu vage, zu unkonkret­ – das kritisieren auch der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv), der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) und der Zentrale Immobilien Ausschuss (ZIA). Der vzbv vermisst Instrumente zur Quantifizierung der im NAPE 2.0 genannten Maßnahmen und zum Monitoring der geplanten Einsparungen. „Bei den Maßnahmen werden weder die Finanzierung noch der Zeitraum bis zum Inkrafttreten benannt“, bemängelt auch der ZIA. „Unserer Meinung nach müssten Maßnahmen nach ihrer Wirkung bewertet werden. Auch sollten Förderungen stärker an die tatsächlich erreichten Einsparungen gekoppelt werden.“ Dem BDEW fehlen bei den aufgelisteten Einzelmaßnahmen ebenfalls sowohl Kosten- als auch Einsparerwartungen. Sinnvoll wäre aus Sicht des Verbands eine Orientierung an den CO2-Vermeidungskosten.


Was die geplante Austauschprämie von Ölheizungen angeht, warnt der Bundesverband Neue Energiewirtschaft (bne) zudem vor falschen Signalen. Der einfache Austausch eines fossilen Energieträgers (Öl) durch einen anderen fossilen Energieträger (Erdgas) senke nur kurzfristig die CO2-Emissionen. Deshalb müssten schon jetzt Marktregeln gesetzt werden, durch die Heizsysteme möglichst gleich auf ein System aus erneuerbaren Energien, Speichern und/oder Wärmepumpen umgestellt werden.


Nicht nur hierzulande, sondern in der gesamten EU kommt die Energieeffizienz nur schleppend voran. Deutschland droht bereits jetzt eine Anklage vor dem EU-Gerichtshof wegen mangelhafter Umsetzung der EU-Energieeffizienzrichtlinie. Laut einer Analyse der Europäischen Umweltagentur (EUA) wird es aufgrund des kontinuierlich steigenden Energieverbrauchs vor allem im Verkehrssektor, aber auch in anderen Wirtschaftszweigen, immer ungewisser, ob die für 2020 und 2030 gesetzten Effizienzziele erreicht werden können.

 

 

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