SUV oder lieber ein E-Bike?

Die Fuhrparks der Unternehmen sind wichtige Faktoren, wenn es um die Mobilität der Zukunft geht. Immer häufiger denkt man hier inzwischen Mobilität ganzheitlich – und bestellt nicht mehr nur Autos.
Illustration: Monika Jurczyk
Illustration: Monika Jurczyk
Kai Kolwitz Redaktion

Das Klischee vom Dienstwagen hält sich hartnäckig. Ein funkelnder Bonus mit Ledersitzen, den Personalchefs gern aufs Gehalt obendrauf packen, um begehrte Kandidaten ins Unternehmen zu bekommen. Dank der steuerlichen Regelungen ist das für den Arbeitgeber günstiger als ein paar Hunderter mehr Monatsgehalt. Und der umworbene Mitarbeiter ist fortan mit einem hochmotorisierten, sagen wir, BMW, Mercedes oder Audi unterwegs, den er sich privat als Neuwagen niemals leisten könnte.

 

Die Wirklichkeit ist natürlich komplexer. Wo vor einigen Jahrzehnten noch KfZ-Meister oder aufgestiegene Berufskraftfahrer Schlüssel herausgaben und gelegentlich nach dem Öl guckten, werden heute Kosten optimiert, Fuhrparks digital gemanagt und Investitionsentscheidungen getroffen, die von immer mehr Parametern abhängen. Auswirkungen einer Welt, die sich wandelt.

 

Weniger Fahrzeuge, mehr Intermodalität

 

„Lange schon kein Trend mehr ist der Weg vom Flottenmanagement zum Mobilitätsmanagement“, beschreibt Axel Schäfer, Geschäftsführer des Bundesverbands Fuhrparkmanagement. „Je nachdem, wie die pandemische Entwicklung weitergeht und die sich abzeichnenden Veränderungen festigen, wird es weniger Fahrzeuge geben und mehr Intermodalität.“

 

Sprich: Zunehmend stellen Flotten- oder eben Mobilitätsmanager nicht mehr die Frage, welche Autos sie für das Unternehmen und seine Mitarbeiter anschaffen sollen. Sondern sie überlegen, was Firma und Beschäftigte leisten sollen, an welche Orte sie wann  müssen, was sie dabei transportieren  – und wie man Mensch und Ladung am besten an den Zielort bekommt.

 

Die Antwort kann Firmenfahrzeug lauten. Aber auch Bahn, Carsharing, ÖPNV oder ein Mix aus allem. Gerade in Großstädten tun sich immer mehr Alternativen zum Auto auf. Und angesichts voller Straßen und knapper Parkplätze ist ein Dienstwagen als Incentive auch nicht mehr für jeden attraktiv. „Die Arbeitgeber haben das ebenfalls erkannt“, beschreibt Schäfer, „und bieten immer häufiger flexible Möglichkeiten, beispielsweise im Rahmen eines individuellen Mobilitätsbudgets.“ Bei diesem Konzept wird pro Monat ein Betrag X vereinbart. Dieser kann in ein Auto investiert werden. Aber auch in eine Bahncard, ein hochwertiges Fahrrad oder E-Bike, das die Firma finanziert. „Die Politik sieht das auch positiv“, so Schäfer, „und hat entschieden, ein Dienstfahrrad bis zum Jahr 2021 steuerfrei zu stellen, wenn es dem Arbeitnehmer auch zur privaten Nutzung überlassen wird.“

 

Ob Fahrrad oder Auto - auch der Trend zur Elektromobilität geht an den Firmenfuhrparks naturgemäß nicht vorbei. „Viele Unternehmen prüfen gerade, wo E-Fahrzeuge sinnvoll eingesetzt werden können oder sind bereits dabei, es zu tun“, erklärt Bundesverbands-Geschäftsführer Schäfer. Die Stimmung in der Branche beschreibt er als positiv. Allerdings betont er, dass batterieelektrisches Fahren aus Sicht der Fuhrparkmanager nicht alternativlos sei und auch nicht werden sollte: „Alle Möglichkeiten, Emissionen zu reduzieren, sollten gleich gefördert werden.“

 

Schließlich sind die Zeiten in Sachen Antriebstechnik gerade sehr spannend: Wasserstoff ist eine interessante Vision und wird von asiatischen Autoherstellern sehr forciert. Deutsche Autobauer setzen dagegen auf so genannte E-Fuels, also auf CO2-neutrales Erdgas, Benzin oder Diesel, das mit Hilfe von überschüssigem Öko-Strom synthetisch erzeugt wird. Die Hersteller könnten so weiter ihre Kompetenz im Bereich Verbrennungsmotoren nutzen, es bräuchte keine Akku-Produktion und die vorhandene Infrastruktur könnte einfach weiterverwendet werden – nur, dass kein Erdöl mehr gebraucht wird.

 

Zweifelhafter Boom der Plug-In-Hybride

 

Spätestens, wenn schwere Lasten über weite Distanzen transportiert werden müssen, ist Elektromobilität heute keine Alternative. Auch die Reichweite von E-Autos kann im gewerblichen Einsatz zum Problem werden – und den Boom der Plug-In-Hybridfahrzeuge sieht der Bundesverband Fuhrparkmanagement sehr kritisch. „Eher ein Geschenk an die Autoindustrie zur Erreichung der CO2-Ziele“, sagt Schäfer.

 

Denn dank steuerlicher Förderung sind die teilelektrischen Autos bei vielen Fuhrparkchefs als Alternative zum Diesel zwar sehr beliebt. Doch häufig werden sie in der Praxis kaum oder gar nicht im elektrischen Modus verwendet. So fahren sie sinnlos schwere Antriebstechnik durch die Gegend – und oft ein Ladekabel in ungeöffneter Originalverpackung.

 

Aber wann ist denn nun welche Form der Mobilität aus Firmensicht die sinnvollste? Dazu fällt dem Bundesverband das Stichwort „Digitalisierung“ ein. Denn hier sehen die Profis noch enormes Optimierungspotenzial.

 

Denn mit Hilfe der Daten, die moderne Fahrzeuge sowieso schon erheben und speichern – und teilweise auch mit weiterer Sensorik zum Nachrüsten – lässt sich in Sachen Fuhrparkeffizienz eine ganze Menge berechnen und sichtbar machen: Welches Fahrzeug hat welches Fahrprofil? Wie lassen sich Laufleistungen in der Flotte gleichmäßig steuern? Welche Modelle sind besonders defektanfällig? Und welche erweisen sich beim Wiederverkauf als besonders wertstabil?

 

Hier lassen sich teils gewaltige stille Effizienzreserven aktivieren. Auch Einsätze, Wartungen und Reparaturen lassen sich digital planen und Außendienstmitarbeiter mit den nötigen Informationen versorgen. Schlüssellose Zugangssysteme erleichtern die Arbeit mit Poolfahrzeugen gewaltig.

 

Für all das sind spezielle Softwares auf dem Markt, manche Unternehmen lagern das Fuhrparkmanagement sogar komplett an Dienstleister aus oder bilden mit weiteren Firmen gemeinsame Pools, um mit mehr Fahrzeugen effizienter agieren zu können. An allen Ecken zeigt sich, dass für das Fuhrparkmanagement heute um einiges mehr Wissen erforderlich ist als vor einigen Jahrzehnten. Entsprechende Weiterbildungskurse bieten zum Beispiel TÜV und Dekra an, der Bundesverband Fuhrparkmanagement hat gerade ein Qualifizierungsprogramm und einige Selbstlernkurse zum Thema Elektromobilität aufgelegt.

 

„Firmenfuhrparks sind Vorreiter, wenn es um neueste Standards geht und senden entsprechende Signale an ihr Umfeld“, beschreibt Schäfer. „Zusätzlich unterstützen sie durch Praxistests die Tauglichkeit neuer Technologien.“ Warum viele Firmenchefs in diesem Zusammenhang Fahrräder mögen, auch darauf hat der Verbandsgeschäftsführer eine Antwort: „Studien haben herausgefunden, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die besten Ideen nicht im Büro bekommen, sondern wenn sie zum Beispiel duschen, joggen oder Rad fahren.“

 

Und gute Ideen braucht jedes Unternehmen, ob für den Fuhrpark oder anderswo.

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