Aus alt mach neu

Von der Wegwerfgesellschaft zur Kreislaufwirtschaft – wir müssen neue Wege finden, schonender mit den knappen Ressourcen umzugehen, mehr und besser zu recyceln und Produkte mit einem langen Lebenszyklus zu entwickeln.
Illustration: Andres Muñoz Claros
Illustration: Andres Muñoz Claros
Julia Thiem Redaktion

 

Die Ressourcen auf diesem Planeten sind begrenzt. Theoretisch wissen wir das. Praktisch leben wir jedoch weit über „unseren Verhältnissen“, wie es so schön heißt. Das unterstreicht der Earth Overshoot Day, der den Tag im Jahr kennzeichnet, an dem wir so viel von der Natur verbraucht haben, wie der Planet in einem Jahr regenerieren kann. 2021 haben wir diesen Tag bereits am 29. Juli erreicht – Vorkrisenniveau – und seitdem leben wir gewissermaßen „auf Pump“. Deutschland ist daran nicht unschuldig. Im globalen Maßstab haben wir einen überdurchschnittlichen Pro-Kopf-Verbrauch an Ressourcen, betont etwa das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU). Und die Initiative Earth Overshoot Day rechnet vor, dass wir 2,9 Erden bräuchten, wenn alle Menschen so leben würden, wie wir es tun. Wir bräuchten theoretisch sogar drei Deutschlands, um den Konsum hierzulande befriedigen zu können.

Was passiert, wenn Ressourcen knapp werden, sieht man derzeit in der Industrie: Ein Mangel an Holz, Computerchips, Stahl und jetzt auch noch Magnesium wird zu einer echten Zerreißprobe für die Produktion und damit für die deutsche Wirtschaft. Wir müssen also erstens lernen, weniger Ressourcen zu verbrauchen, und zweitens wesentlich effizienter mit den vorhandenen Vorkommen umzugehen. Dazu gehört insbesondere auch das Recycling, respektive die Kreislaufwirtschaft. Letztere meint die Wiederverwendung und Reparatur bestehender Produkte. Ist das nicht (mehr) möglich, werden sie in ihre ursprünglichen Rohstoffe zerlegt und so wiederverwertet.

Man könnte meinen, Deutschland sei hier bereits vorbildlich. Schließlich gehört Mülltrennung und Recycling zum guten Ton. Und tatsächlich finden sich bei Statista einige Superlative in Sachen Wiederverwertung: So liegt die Recyclingquote der Hauptabfallströme in Deutschland bei 70 Prozent. Die Verwertungsquoten von Kunststoffverpackungen bei 99,6 Prozent, die von Pappe und Papier bei 99,8 Prozent und die Verwertungsquote von Aluminiumverpackungen bei 93,7 Prozent.

In anderen Bereichen gibt es hingegen noch großen Nachholbedarf. Beispielsweise beim Elektroschott. Im Global E-Waste-Monitor 2020 rechnen die Vereinten Nationen vor, dass dieser bis 2030 74 Millionen Tonnen erreichen wird, was fast einer Verdopplung in nur 16 Jahren entspricht. Elektromüll wird damit zum weltweit am schnellsten wachsenden Haushaltsabfall. Dabei ist gerade Elektroschrott extrem wertvoll. Alleine in einem handelsüblichen Smartphone wird das halbe Periodensystem verbaut. Und auch Edelmetalle – Gold, Silber, Platin – finden sich genauso im E-Schrott wie seltene Erden. Die Recyclingquoten in Deutschland sind mit etwas über 50 Prozent jedoch ausbaufähig. Und genau daran will man in Berlin arbeiten. Zum 1. Januar 2022 soll das neue Elektrogesetz in Kraft treten, das etwa die Rücknahme von Altgeräten im Lebensmitteleinzelhandel sichert – immerhin werden dort im Non-Food-Bereich jede Menge Elektrogeräte verkauft – und auch eine generelle kostenfreie Rücknahme regelt. Die Regierung verspricht sich davon vor allem deutlich höhere Recyclingquoten.

Und solche Quoten kann die Kreislaufwirtschaft dringend brauchen, wie eine aktuelle Studie des NABU vorrechnet: Während jeder Mensch in Deutschland etwa 16.000 Kilogramm Rohstoffe pro Jahr verbraucht, stammen davon nur etwa zwölf Prozent aus dem Recycling. Allerdings heißt es weiter, dass auch das Potenzial des Recyclings begrenzt sei. Würden alle Abfälle, die in Deutschland jährlich anfallen, vollständig recycelt, kämen wir lediglich auf eine Quote von 22 Prozent. Das läge daran, dass viele Materialien nur bedingt recycelbar sind und Rohstoffe zum Teil langfristig in den Produkten gebunden seien. Und solange jährlich mehr Materialien verbraucht werden als Abfälle anfallen, können Rezyklate nur einen Teil der Primärrohstoffe ersetzen.

Wir brauchen also nicht nur höhere Recyclingquoten, sondern müssen auch deutlich besser bei der Wiederverwertung werden. Prinzipiell wäre der Erhalt unseres Planeten dafür natürlich Anreiz genug. Dennoch steckt in der Recycling-Branche auch jede Menge Geschäftspotenzial. So lag ihr Umsatz 2019 laut Statista bei rund 14,5 Millionen Euro. Ihr Anteil am Umsatz der Entsorgungswirtschaft lag im selben Jahr bei 38 Prozent und rund 35.000 Menschen sind im und mit Recycling beschäftigt. Solche monetären Anreize bringen dann auch echte Innovationen hervor. Es gibt einige vielversprechende Start-ups in Deutschland, die Lösungen für das Ressourcenproblem finden wollen. So hat sich das Bielefelder Unternehmen Saperatec darauf spezialisiert, laminierte Verpackungsmaterialien leichter zu trennen. OutNature, eine Tochter von PreZero, hat sich auf die Herstellung von nachhaltigen Faser- und Papierprodukten spezialisiert. Ihr Rohstoff: Die Energiepflanze Donau-Silphie, deren positive Klimabilanz offiziell vom Fraunhofer UMSICHT bestätigt wurde. Und bei Made of Air werden geringwertige Holzabfälle in hochwertige, kohlenstoffnegative Thermoplaste verwandelt, mit der dann wiederum fossile Stoffe wie Plastik oder Aluminium ersetzt werden sollen.

Aber auch am Lebenszyklus der Produkte soll sich etwas ändern. Ein Beispiel ist das Projekt „Circular by Design“, das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung mit knapp 800.000 Euro gefördert wird. An einem konkreten Haushaltsprodukt – nämlich an Kühl/Gefriergeräten – soll mithilfe von datenbasierten Prozesssimulationen gezeigt werden, dass die Kreislauf- und Recyclingfähigkeit bereits beim Produktdesign beginnt. Was daran bemerkenswert ist: Allein der Anteil von Stahl, Kupfer und Aluminium macht zusammen 35 Prozent des Gewichts dieser Geräte aus. Der Gewichtsanteil von Kunststoffen liegt dann noch einmal bei 30 Prozent. Das entspräche einem durchschnittlichen Materialwert an Sekundärrohstoffen von rund 25 Millionen Euro pro Jahr – allein für die produzierte Gerätetonnage nur eines Kühlgeräteherstellers, heißt es in einem Projektbericht.

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