Mit Turbo oder ohne?

In Niedrigzinszeiten bieten Derivate die Chance auf schnelle und hohe Renditen. Doch sind die Papiere mit Vorsicht zu genießen, da sie auch mit hohen Risiken verbunden sind.
Turbo
Illustration: Nanna Prieler
Anette Stein Redaktion

Wer kurzfristig hohe Renditen erzielen oder von sinkenden Aktienkursen profitieren möchte, kommt an den Derivaten nicht vorbei. Derivate sind Wertpapiere, die sich von anderen gängigen Anlageformen ableiten, daher der Name. Bei den Basiswerten, auch „Underlying“ genannt, kann es sich um Aktien, Anleihen, Edelmetall, Waren, Währungen, Zinssätze oder Indizes handeln. Mit Derivaten gehen Anleger quasi eine Wette über die Entwicklung des Basiswertes ein. Sie lassen sich in Anlage- und Hebelprodukte unterteilen und werden an der Börse oder direkt über den Anbieter gehandelt. Üblicherweise haben Derivate eine feste Laufzeit, die Emittenten – meist Banken – stellen aber in der Regel permanent die so genannten Geld- und Briefkurse, dadurch lassen sich die Anteile jederzeit zum aktuellen Marktpreis kaufen und verkaufen.


Zu den bekanntesten Zertifikatearten für Privatanleger zählen Discount,- Basket-, Garantie-, Index- und Bonus-Zertifikate. Es gibt Hunderttausende Produkte am Markt, die eine gewisse Grundkonstruktion aufweisen, aber je nach Anbieter und Basiswert ganz unterschiedlich ausgestaltet sein können. Discountzertifikate erwirbt der Anleger beispielsweise mit einem Abschlag auf den eigentlichen Preis des Basiswertes, dafür profitiert er im Gegenzug von einer positiven Entwicklung dieses Wertes aber auch nur bis zu einer bestimmten Grenze (Cap). Aufgrund des vergünstigten Kaufpreises kann er jedoch auch einen Gewinn bei sich seitwärts bewegenden oder sogar leicht fallenden Märkten erzielen.


Über Derivate können Anleger auf eine Vielzahl von Werten und Anlagestrategien setzen. Gleichzeitig sind die Papiere jedoch sehr risikoreich. Bei starken Wertverlusten des abgebildeten Basiswertes kann es auch bei ihnen zu deutlichen Kapitaleinbußen kommen. Ein im Vergleich zum Underlying sogar deutlich erhöhtes Risiko weisen Hebelprodukte wie Knock-Out-Zertifikate (auch Turbos genannt) oder Optionsscheine auf. Mit solchen Papieren lassen sich schon mit einem relativ geringen Kapitaleinsatz hohe Gewinne einfahren; Knock-Outs auf fallende Kurse können auch zur Absicherung von Aktienspekulationen dienen.


Vereinfachtes Beispiel eines Turbos: Eine Bank legt ein Zertifikat auf eine Firmenaktie, die bei 80 Euro notiert, auf. Liegt die Knock-out-Schwelle beispielsweise bei 70 Euro und das Bezugsverhältnis – dieses gibt an, wie viel Stück eines Basiswertes durch einen Optionsschein gekauft (Call) oder verkauft (Put) werden können – bei 1:1 kostet das Papier 12 Euro (80 Euro + 2 Euro Aufgeld - 70 Euro). Steigt nun die Aktie um 4 Euro, so gilt dies auch für den Wert des Zertifikats. Während der Aktienkurs um 5 Prozent gestiegen ist, hat sich der Wert des Zertifikats dank der eingebauten Hebel um 33,33 Prozent erhöht. Der Anleger profitiert 1:1 von der Kurssteigerung der Aktie, obwohl er nur einen Bruchteil dessen gezahlt hat. Fällt jedoch die Aktie um vier Euro, sinkt auch der Kurs des Zertifikats in gleicher Höhe, fällt sie unter die festgelegten 70 Euro, wird das Zertifikat wertlos – für den Anleger bedeutet dies den Totalverlust.


Hinzu kommt: Die Preisbildung ist für Privatanleger häufig intransparent, da auch Faktoren wie die Restlaufzeit eine Rolle spielen können. Derivate gehen außerdem mit einem Emittentenrisiko einher: Wird das herausgebende Institut zahlungsunfähig, verliert der Kunde im Extremfall sein eingesetztes Kapital. So erging es im Falle der Pleite der US-Investmentbank Lehman Brothers im Jahr 2008 auch zahlreichen deutschen Anlegern.


Aufgrund ihrer Risiken und Konstruktion eignen sich Derivate zur Geldanlage in erster Linie als Beimischung für Anleger, die das jeweilige Produkt verstehen und den Markt kennen – sowie obendrein zwischenzeitliche Verluste gut verkraften können.

 

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