Gemahnte Kunden – glückliche Kunden?

Wer Zahlungsausfälle feststellt, muss oft lange mahnen. Mit digitalen Tools lässt sich das beschleunigen. Kunden werden damit sogar zufriedener.
Illustration: Maria Corbi
Illustration: Maria Corbi
Axel Novak Redaktion

Digital ist Trumpf: Immer mehr Menschen bestellen online und bezahlen Rechnungen digital. Der Vorteil: Schnelligkeit und Zahlungssicherheit – wenn alles gut geht. Bezahlt allerdings der Kunde einmal eine Rechnung nicht, dann ist die digitale Customer Journey meist am Ende. Auch heute noch mahnen viele Unternehmen per Post mit eingelegtem Überweisungsschein.

Vor allem kleinere und mittlere Unternehmen verzichten häufig auf die Digitalisierung ihrer Rechnungsprozesse. Die Wirtschaftsforscher von ibi Research an der Universität Regensburg haben herausgefunden, dass die meisten kleinen Händler ihre Kundschaft schon bei der Bestellung nicht auf Risiken prüfen. Mit dem Ergebnis, dass die Mehrzahl der Händler mit Zahlungsschwierigkeiten infolge von Corona rechnet. Im Durchschnitt schicken Handelsunternehmen 2,4 Mahnungen, bevor sie Forderungen an einen Dienstleister weitergegeben, so ibi Research.

Um diesen Prozess zu beschleunigen, könnten digitale Tools auf der Grundlage von Künstlicher Intelligenz helfen. So setzen beispielsweise Versicherer heute ein digitales Forderungsmanagement ein, damit Kunden über ihr Smartphone auf eine personalisierte Bezahlseite gelangen und dort Rechnungen begleichen oder individuelle Ratenzahlungspläne erstellen können. Dabei werden die Kunden auf verschiedensten Kommunikationswegen angesprochen, um sie auf ihrem präferierten Kanal zu erreichen: WhatsApp, SMS, Facebook Messenger, E-Mail oder mit dem klassischen Brief.

Wie unterschiedlich Kunden heute auf Zahlungsforderungen reagieren, hat das Inkasso-Fintech Pair Finance von der Verhaltensforscherin Minou Ghaffari untersuchen lassen. 16 Kundentypologien kamen dabei heraus, die auf den Inhalt einer Nachricht und den Zeitpunkt der Aussendung unterschiedlich reagieren. „Unsere Studie zeigt: Bei einem sich schnell verändernden Verbraucherverhalten müssen Unternehmen auf dynamische Lösungen setzen, die insbesondere in ihrer Kommunikation individuelles Verhalten berücksichtigen“, sagt Stephan Stricker, CEO von Pair Finance.

Ist die richtige Ansprache gefunden, lässt sich die Zahlungsaufforderung mit einem Bezahllink verknüpfen, damit die Endkunden den ausstehenden Betrag begleichen können, ohne zwischen digitalen Endgeräten wechseln zu müssen. Das reduziert den Aufwand – und erspart dem Kunden das gerichtliche Mahnverfahren mit entsprechenden Kosten.

Und es gibt noch einen weiteren Vorteil: Denn Rechnungen und Mahnungen bieten wertvolle Kunden-Interaktionen. „Wer Kunden hilft, egal, wo sie im Prozess gerade feststecken, wird zufriedenere Kunden haben“, schreibt Thomas von Hake, Geschäftsführer von collectAI aus der Otto Group, auf dem Blog Geldinstitute.de. Mahn-Paradoxon nennt sich dieses Phänomen aus der seltsamen Welt der Kunden-Unternehmensbeziehungen. Endkunden von Banken und Versicherungen sind bei einer Mahnung anfangs unzufriedener als andere Kunden. Könnten sie aber die offene Forderung einfach und schnell aus der Welt schaffen, sind sie zufriedener als der Durchschnitt.

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