Wie KI die Arbeitswelt verändert

Mittelständische Unternehmen können von der nächsten industriellen Revolution enorm profitieren. Sie müssen aber Arbeitsprozesse umstellen und ihre Mitarbeitenden ertüchtigen.

Illustration: Sophie Mildner
Olaf Strohm Redaktion

Die Digitalisierung hat in den letzten Jahren die Arbeitswelt auf den Kopf gestellt. Buzzwords wie New Work, Remote Office oder Digital Leadership prägen die Arbeitsorganisation. Inzwischen schiebt sich die Künstliche Intelligenz (KI) immer weiter an die Spitze der Entwicklung und wird zum Haupttreiber dieser Transformation. Insbesondere für den Mittelstand eröffnet die KI neue Möglichkeiten, agiler, effizienter und wettbewerbsfähiger zu werden. 

KI-Systeme können Prozesse automatisieren, Entscheidungen optimieren und neue Geschäftsmodelle ermöglichen. Durch die Analyse großer Datenmengen können Muster und Trends erkannt werden, die zu besseren Entscheidungen und effizienteren Abläufen führen. Ein Beispiel hierfür ist die Predictive Maintenance, bei der KI-Algorithmen den Zustand von Maschinen und Anlagen überwachen und frühzeitig Wartungsbedarfe erkennen können. Dies reduziert Ausfallzeiten und Kosten und erhöht die Produktivität. Auch in der Logistik können KI-Systeme Routen optimieren, Lieferzeiten verkürzen und Ressourcen effizienter einsetzen. KI kann Protokolle schreiben, das Marketing erleichtern und als Sparringspartner bei der Unternehmensorganisation eingesetzt werden (siehe auch das Interview ab Seite 6). 

Allerdings erfordert die Einführung von KI-Systemen wieder neue, weitreichende Veränderungen in den Unternehmensstrukturen, Führungsmethoden und der Organisation. Um die Potenziale von KI voll auszuschöpfen, müssen Mitarbeiter und Führungskräfte entsprechend qualifiziert werden. Mitarbeiter sollten grundlegende Kenntnisse in Bereichen wie Datenanalyse, Programmierung und maschinellem Lernen erwerben. Gleichzeitig müssen sie lernen, mit KI-Systemen zu interagieren und deren Ergebnisse zu interpretieren. 

Aber wie großflächig müsste ein solches Weiterbildungsprogramm angelegt sein? Mit dieser Frage hat sich das Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO beschäftigt. Es hat für seine Studie „Arbeiten mit Künstlicher Intelligenz“ einige Pilotprojekte in deutschen Unternehmen analysiert. Es ging darum, beim Einsatz von KI im Unternehmen über das eingesetzte Projektmanagement Mitarbeitende an den KI-Pilotprojekten zu beteiligen, die eine Affinität und zumindest eine Grundkompetenz für die KI-Thematik mitbringen. Diese jeweils eigenen Kompetenzen konnten in den Pilotphasen durch externe Unterstützung von Dienstleistern, beispielsweise aus Beratungen oder Systemhäusern, ergänzt werden.
 

»Der Aufbau einer strukturierten KI- Kompetenzentwicklung im Unternehmen ist unverzichtbar.«


Bei der Überführung in den Regelbetrieb, die in den Fallstudien verschieden weit fortgeschritten ist, wird deutlich, so das Fraunhofer IAO, „dass der Aufbau einer strukturierten KI-Kompetenzentwicklung im Unternehmen unverzichtbar ist“. Dafür schlägt das Institut die Orientierung an einem T-geformten Kompetenzmodell und einem pyramidenförmigen Konzept der Kompetenzentwicklung vor. Dabei stellt im Kompetenzmodell der obere Balken des T die Querschnittskompetenz der Abteilung zu anderen Fachbereichen dar, der hochgestellte Stiel des T die Fachkompetenz. Die KI-Kompetenzentwicklung baut sich in drei Stufen pyramidenförmig auf: Die Basis bildet datenbasiertes Denken, der Umgang mit Daten. Das datenbasierte Denken soll möglichst breitflächig im Unternehmen entwickelt werden. Etwas fachlicher, eine Ebene darüber, wird Datenkompetenz ausgebildet. Kenntnisse über die Strukturierung und Datenanalyse werden vermittelt. Die Spitze der Pyramide wird von „Trainern“, „Explainern und Sustainern“ gebildet. 
 

»Auch Führungskräfte müssen verstehen, wie KI-Systeme funktionieren.«


Diese drei neuen Positionen im Unternehmen, auch „Rollen“ genannt, seien erforderlich, wenn KI in Arbeitssystemen Einzug hält: „Trainer“ sind Menschen, die in der Lage sind, eine Künstliche Intelligenz nachhaltig, aber auch veränderungsfähig zu trainieren. „Sustainer“ sind Menschen, die kontinuierlich beobachten, wie die KI im jeweiligen Bereich arbeitet, wie gut sie die Aufgaben erfüllt, und die bei Abweichungen nachjustieren können. „Explainer“ sind Menschen, die zwischen Leistungen der KI, Fachbereichen bis hin zu Kundengruppen vermitteln und erklären können, auf welchen Grundlagen und in welchen Prozessschritten eine KI ihre Beiträge leistet. Laut Fraunhofer IAO entfaltet sich die Relevanz dieses Kompetenzmodells nicht nur im Umgang mit KI, sondern in den Herausforderungen der digitalen Transformation und Wettbewerbsfähigkeit in neuen Wertschöpfungssystemen generell. Themen der Weiterbildung sind neue Kompetenzen rund um Beschaffung, Aufbereitung, Pflege und Nutzung von Daten. Im Bereich der Querschnittskompetenzen werden bereits bekannte Anforderungen wie die Fähigkeit, die eigene Position und Leistung im Gesamtsystem einzuordnen, angrenzende Bereiche zu verstehen und sich selber erklären zu können, Anschlussfähigkeit auszubilden und kontinuierlich zu lernen, mit neuer Dringlichkeit beleuchtet.

Auch Führungskräfte müssen verstehen, wie KI-Systeme funktionieren und welche Auswirkungen sie auf Geschäftsprozesse und Entscheidungen haben. Zudem müssen sie in der Lage sein, agile Arbeitsweisen zu fördern und eine Kultur der Offenheit und des Lernens zu schaffen. Hierarchische Strukturen müssen aufgebrochen werden, um agiler und flexibler auf Veränderungen reagieren zu können. Führungskräfte müssen ihre Mitarbeiter stärker einbinden, Entscheidungen transparenter machen und eine Kultur des Lernens und der Offenheit fördern.

Mitarbeitende müssen also technische Kompetenzen erwerben, um mit KI-Systemen umgehen zu können, aber auch Soft Skills wie Kreativität, kritisches Denken und Teamfähigkeit weiterentwickeln. Unternehmen, die diese Herausforderungen meistern, können von den Potenzialen der KI profitieren und ihre Wettbewerbsfähigkeit langfristig sichern. So wird KI nicht zum Effizienzmotor, sondern zum Wachstumstreiber für den Mittelstand. 
 

Illustration: Sophie Mildner
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