Wechselhafte Zeiten

Steht die Mittelstandsfinanzierung auf soliden Füßen? Falls nicht, wäre jetzt die Gelegenheit, daran etwas zu ändern.
Illustration: Marcela Bustamante
Illustration: Marcela Bustamante
Eike Schulze Redaktion

Es beginnt langsam, die Zinsen steigen. Das spüren auch viele Unternehmen aus dem Mittelstand, die sich Gedanken um eine Finanzierung machen. Schon seit Jahren setzt die stärkere Regulierung der Banken dem Mittelstand zu. Gerade wenn bei jungen Unternehmen die KfW-Hilfen oder andere staatliche Unterstützungen auslaufen, stellt sich die Frage, wie die weitere Finanzierung und das weitere Wachstum gesichert werden können. Gerade für mittel- und langfristige Finanzierungen bieten sich Alternativen zur Bank an.

Dass die Finanzierung von Unternehmen auch gesellschaftlich von Bedeutung ist, zeigt eine Studie der KfW aus dem März 2022. Demnach wandern zunehmend Start-ups und junge Unternehmen wegen Problemen in der Finanzierungsbeschaffung ins Ausland ab. Es ist für sie vergleichsweise schwierig, an Bankkredite zu kommen. Folge: Talentierte Unternehmen mit Know-how verlassen das Land. Dies zeigt, dass die Kapitalbeschaffung für Unternehmen neu gedacht werden sollte. Besondere Brisanz erhält das Thema, da die EZB im Juli an der Zinsschraube drehen wird. Kredite werden damit teurer, Alternativen sind gesucht. So bieten sich Private Equity, Kreditfonds, Mittelstandsanleihen oder vielleicht auch ein Börsengang zur Kapitalbeschaffung an.


Alternative Kreditfonds

 

Kreditfonds verschaffen mittelständischen Unternehmen Kapital, um weiter wachsen zu können. Diese Nicht-Bankenkredite sind in Deutschland erst seit 2015 zulässig. Dabei werden in einem Alternativen Investmentfonds (AIF) Gelder von Anlegern gebündelt, die dann als Kredit ausgereicht werden können (originäres Kreditgeschäft). Die zweite Möglichkeit besteht darin, Kredite aufzukaufen (derivatives Kreditgeschäft). Finanziert werden hauptsächlich etablierte Mittelständler, die auch für eine Bankfinanzierung geeignet sind. Die Kreditvergabe beginnt zurzeit im Millionen-Euro-Bereich. Die Bearbeitung geht schneller als bei klassischen Banken, die Kreditzinsen liegen allerdings auch meist höher als bei einem Bankkredit. Ein Vorteil besteht aber in der variableren Tilgungsvereinbarung. Interessant sind Kreditfonds für Unternehmen, die schnell Wachstumschancen ausnutzen und investieren wollen.

Private Equity ist ebenfalls eine Alternative zu klassischen Bankkrediten für den Mittelstand. Bei Private Equity handelt es sich um eine spezialisierte Kapitalbeteiligungsgesellschaft, die Gelder zur Verfügung stellt. Diese beteiligen sich für einen Zeitraum – meist fünf bis sieben Jahre – an dem nicht börsennotierten Unternehmen. Es fallen keine Zinszahlungen an, aber Gewinnansprüche und eventuell auch Mitbestimmungsrechte. Von Anfang an ist es durch die Beteiligungsgesellschaft geplant, die Beteiligung (gewinnbringend) wieder zu veräußern. Das Unternehmen muss also bereit sein, dauerhaft einen Teil der Gewinne abzugeben. Eine oftmals kritische Frage ist, ob Unternehmen und Beteiligungsgesellschaft mit der Philosophie des jeweils anderen harmonieren. Wenn beide ein gutes Team bilden, kann die Beteiligung wertvolle Impulse für weiteres Wachstum setzen. Die Suche nach einer passenden Gesellschaft könnte also länger dauern.


Vertrauen bei Mittelstandsanleihe kehrt zurück

 

Die Mittelstandsanleihe gibt es seit 2010 in Deutschland. Sie soll Klein- und  mittelständischen Unternehmen (KMU), die Möglichkeit geben, an der Börse Kapital einzusammeln. Der Finanzierungsbedarf liegt bei den Unternehmen im zweistelligen Millionenbereich und kann auch die 100 Millionen Euro übersteigen. Die Mittelstandsanleihen werden an  Börsen gehandelt. Die durchschnittliche Laufzeit beträgt etwa fünf Jahre, ist also kürzer als bei klassischen Industrieanleihen. Das Problem bei dieser Finanzierungsvariante ist, dass in der Vergangenheit viele klamme Unternehmen über diesen Weg sich Geld beschaffen wollten. Die Folge ist, dass bei Anlegern, egal ob institutionell oder privat, eine gewisse Zurückhaltung besteht. Daher muss ein ordentlicher Zinssatz offeriert werden, damit Anleger zuschlagen. Das Vertrauen kehrt zwar langsam zurück, wie Daten von Statista zeigen, in den letzten vier Jahren lag das erfolgreiche Emissionsvolumen zwischen 1,3 bis 1,4 Milliarden Euro. Lediglich Mittelständler mit einer hohen Eigenkapitalquote, stabilem Cashflow und einer gewissen Markenbekanntheit können noch relativ günstig an Kapital kommen. Wichtig ist auch, dass gute Margen trotz Inflation am Markt durchgesetzt werden können. Es gibt zwei Möglichkeiten der Emission der Papiere: entweder über Investmentbanken als Fremdemission oder in Eigenregie. Wird das Papier in Eigenregie aufgelegt, so kommen zusätzliche Investitionen für das Marketing hinzu.


An die Börse gehen?

 

Der Börsengang ist sicherlich die aufwändigste Form der Kapitalbeschaffung. Das neue Eigenkapital hat dann aber auch einige Vorteile.

„Zunehmend wandern Start-ups und junge Unternehmen wegen Problemen in der Finanzierungsbeschaffung ins Ausland ab.“

Der Bekanntheitsgrad steigt, die Bonität gegenüber Fremdkapitalgebern steigt ebenso, außerdem ist dauerhaft mehr Kapital im Unternehmen. Durch das erhöhte Eigenkapital sind leichter große Investitionen zu schultern. Wachstumschancen können besser und schneller umgesetzt oder eine Unternehmensübernahme durchgeführt werden. Die Mittelständler, die bislang an die Börsen gingen, wiesen ein hohes Wachstum und eine hohe Gesamtrendite auf. Die Kriterien, die eine Aufnahme an der Börse möglich machen, sind dabei moderat. Das Unternehmen muss mindestens drei Jahre bestehen, der Kurswert der Aktien oder das Eigenkapital muss mindestens 1,25 Millionen Euro erreichen, der Streubesitzanteil muss mindestens 25 Prozent betragen. Außerdem wird ein Wertpapierprospekt zur Börsenzulassung erwartet. Hier sind als zentrales Element die letzten drei Jahresabschlüsse aufgeführt. Darüber hinaus kann es je nach Börse weitere Pflichten geben, die zusätzlich zu den börsenrechtlichen Regeln zu erfüllen sind. Insbesondere gilt dies für die Transparenzpflichten. Ohne ein Beratungsunternehmen, das sich auf IPO (Initial Public Offering) spezialisiert hat, geht es nicht. Dieses erstellt den Wertpapierprospekt und wählt die passende Börse für das Unternehmen aus. Beliebt ist der Entry Standard an der Frankfurter Börse.

 

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