Smarte Energie

Die digitale Transformation der Energiewirtschaft macht Bürger zu Akteuren: Als Stromproduzenten und bei der Zwischenspeicherung. Die Instrumente dafür werden bereits getestet.
Energiewende
Illustration: Friederike Olsson
Lars Klaaßen Redaktion

In Deutschland gibt es rund 40 Millionen Haushalte. Vom großen Mehrfamilienhaus bis hin zum Eigenheim hat jede Immobilie das Potenzial, Energie zu erzeugen. Jeder dritte Bürger kann sich vorstellen, bis 2030 einen Teil des Stroms für das eigene Zuhause selbst zu produzieren. 

 

Das geht aus einer Studie hervor, die von der Umweltschutzorganisation WWF mit dem Öko-Stromanbieter Lichtblick in Auftrag gegeben wurde. Zudem gaben 28 Prozent der Befragten an, dass von ihnen erzeugter Strom im Rahmen eines virtuellen Kraftwerks gehandelt werden könnte. Das ist etwa ein Verbund von kleinen Erzeugern an mehreren Standorten, der zusammengeschaltet wird, und Strom entsprechend der Nachfrage bereitstellt. 

 

„Schon in naher Zukunft werden voraussichtlich fünf bis sechs Millionen Immobilien Strom erzeugen können“, prognostiziert Mario Caesar Speck, Partner Deal Advisory Strategy Energy der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG. Die klassischen Solarzellen auf dem Dach sind nur ein kleiner erster Schritt. Neue Technologien werden zu weiteren Energie-Plus-Häusern in Deutschland führen. Diese Gebäude, einige gibt es bereits, erzeugen mehr Energie, als sie im Alltag verbrauchen. Wohn- und Bürohäuser werden so zu kleinen Kraftwerken. Wie wir wohnen, arbeiten und uns fortbewegen ist auch heute schon eine Frage des Energiemanagements. 

 

Die Herausforderung ist nun, diese Bereitschaft, selbst zu produzieren, in die richtigen Bahnen zu leiten. Viviane Raddatz, Energieexpertin beim WWF, drückt es so aus: „Die intelligente Steuerung von Millionen zentraler und dezentraler Anlagen und Speicher ist die entscheidende Zukunftsherausforderung für die Energiewende in den nächsten Jahren.“ 

 

Als ein vielversprechender Schritt dorthin gilt ein Konzept namens „Vehicle to Grid“. Wenn laut Ziel der Bundesregierung in Deutschland bis 2020 eine Million Elektrofahrzeuge auf den Straßen fahren, stünden über eine Million Stromspeicher zur Verfügung. Denn über das gesteuerte Aufladen der Fahrzeuge an der Steckdose könnten Energieversorger Lastschwankungen im Netz ausgleichen und damit Elektroautos systemstabilisierend ins Stromnetz einbinden. Wie dies gelingen und vor allem technisch realisiert werden kann, daran arbeitet das Projektteam um Lutz Hofmann vom Institut für Elektrische Energiesysteme (IfES) der Leibniz Universität Hannover. Im Verbundprojekt „Demand Response – das Auto als aktiver Speicher und virtuelles Kraftwerk“, das im Dezember 2015 beendet wurde, entwickelten die Forscher die Ladestation „CarConnectBox“. Der Prototyp wurde nun in Kleinserie gebaut und 29 Ladestationen an Privatkunden sowie elf Ladestationen an Gewerbebetriebe als „Testfahrer“ weitergegeben.

»Die Herausforderung ist die intelligente Steuerung von Millionen zentraler und dezentraler Anlagen und Speicher.«

Das Team untersucht in vier Phasen das Ladeverhalten, die Auswirkungen auf das Stromnetz sowie die Akzeptanz der Nutzer, sich beim Laden ihrer Fahrzeuge durch den Energieversorger beeinflussen zu lassen. In der Referenzphase konnten die Testfahrer ihren Wagen zu beliebiger Zeit aufladen. In der zweiten Phase erhielten sie kleine Geldprämien, wenn sie erlaubten, dass das Auto in definierten Zeitfenstern geladen wird. In den letzten beiden Phasen erfolgte das Aufladen nach energiewirtschaftlichen Gesichtspunkten und wurde automatisch ferngesteuert. „Bei der Installation vor Ort und beim Betrieb der CarConnectBox zeigte sich schnell, dass jeder Fahrzeugtyp ein anderes Ladeverhalten zeigt“, so Hofmann. „Deshalb mussten wir hier häufig sehr individuelle Lösungen finden und haben die Box in vier Varianten programmiert, damit alle vorhandenen Elektrofahrzeugmodelle die Ladestation auch zeitgesteuert nutzen können.“

 

Doch der Strom muss ja erst einmal irgendwoher kommen. So nimmt am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) etwa das Eigenheim als (Selbst-)Versorger bereits konkrete Gestalt an. „Energy Smart Home Lab“ heißt das intelligente Haus der Zukunft dort. Darin werden die Lebensbereiche Wohnen (Smart Home), Verkehr (Elektromobilität) und Energie (Smart Grid) so kombiniert, dass erneuerbare Energiequellen bestmöglich genutzt werden – und dabei gleichzeitig der Wohnkomfort steigt. Die Bewohner optimieren über eine zentrale Steuerung das gesamte Energiemanagement. Erzeugung, Speicherung und Verbrauch werden aufeinander abgestimmt. Dafür legt man etwa die nächste geplante Abfahrt mit dem Elektroauto fest oder den Zeitpunkt, wann die Wäsche gewaschen sein soll. Das Smart Home erzeugt seinen Strom über eine Photovoltaikanlage auf dem Dach sowie ein Blockheizkraftwerk selbst. Durch die Kraft-Wärme-Kopplung wird dabei nicht nur der anfallende Strom, sondern auch die produzierte Wärme genutzt. Ein an das Haus angeschlossenes Elektrofahrzeug dient zeitweise auch als Pufferspeicher, so wird der mittags produzierte Sonnenstrom auch in den Abendstunden nutzbar.

 

Das Elektroauto allein reicht als Pufferspeicher in solch einem System allerdings nicht aus. Zum einen ist die Kapazität der bisherigen Akkus zu gering. Außerdem wird das Fahrzeug ja auch regelmäßig genutzt, sollte dann also auch voll geladen sein. Der Energiespeicherung in größerem Maßstab widmen KIT-Forscher sich in einem anderen Projekt. Am Campus Nord in Karlsruhe erproben sie den größten Solarstrom-Speicher-Park Deutschlands. „Dort arbeiten Solarzellen, Batterien und Wechselrichter zusammen, um Sonnenstrom zu speichern und jederzeit verfügbar zu machen“, so Olaf Wollersheim, Leiter des KIT-Projekts Competence E. „In der Forschungsanlage sind über 100 verschiedene Systemkonfigurationen aufgebaut.“ Gesteuert durch neuartige Prognose- und Regelungsverfahren speichern die Batterien den Strom aus der Sonne, eliminieren so die Erzeugungsspitze am Mittag und können ihn dann bei Bedarf etwa abends, nachts oder morgens abgeben.

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