Wie kommt ein Energieunternehmen wie die ENCW zu einer Tochtergesellschaft, die sich auf moderne Mobilitätskonzepte fokussiert?
Das ist einfach erklärt: Einerseits wissen wir als Energieversorger natürlich um die Herausforderungen, vor denen wir mit Blick auf die knapper werdenden Ressourcen stehen. Andererseits sind wir als Energie Calw sehr stark in der Region verwurzelt, kennen die Bedürfnisse der Menschen hier vor Ort, die sich nicht auf ein gut ausgebautes und entsprechend frequentiertes ÖPNV-Netz verlassen können – und das sind alleine in Baden-Württemberg 65 Prozent der Menschen, die in den kleineren Kommunen und Gemeinden leben. Die Konsequenz: ein hoher Individualverkehr. Der Landkreis Calw hat etwa 155.000 Einwohner und genauso viele zugelassene PKW. Auf jedes Neugeborene kommt also auch immer gleich ein Auto und das ist eine Entwicklung, für die es eine Alternative, eine bessere Lösung geben muss. Und genau mit dieser Vision haben wir die deer GmbH gegründet.
Wollen die Menschen im ländlichen Raum überhaupt eine Alternative zum Individualverkehr?
Im Großen und Ganzen ja. Das zeigen alleine die Zahlen, die wir nur drei Jahre nach der Gründung von deer vorweisen können: Über 10.000 Kund:innen, rund 250 Ladestationen, über 1.000 E-Autos und 55 Mitarbeitende, darunter viele Akademiker, die sich auch für die Disposition von Fahrzeugen nicht zu schade sind und die wir vor allem mit der sinnstiftenden Arbeit überzeugen konnten. Trotzdem ist das Teilen etwas, dass wir als Gesellschaft noch lernen müssen. Auch ich bin mit dem typischen „mein Haus, mein Auto“ und so weiter groß geworden. Wir haben also auch sehr viel Überzeugungsarbeit geleistet, waren in den Kommunen und haben vor allem mit den Menschen direkt gesprochen.
Offensichtlich mit Erfolg…
Weil der Mehrwert unseres Mobilitätskonzepts für die Menschen greifbar ist und vielleicht auch, weil wir einiges anders machen. Bei uns gibt es beispielsweise nur drei Tarife, pro Stunde, pro Tag und der Wochenendtarif. Wir verstehen auch: Wenn wir junge Menschen in der Region halten wollen, benötigen diese Breitband und ein durchdachtes Mobilitätskonzept. Uns ist klar: Mobilität ist ein Grundbedürfnis. Daher setzen wir uns für mehr Mobilität mit weniger Fahrzeugen und alternativen Antriebsformen ein. Und weil wir direkt mit den Menschen sprechen, wissen wir auch, wo es Hürden für ältere Generationen gibt und können sie abbauen. Ich kann Ihnen sagen: Noch beeindruckender, als die Erfolge, die wir in nur drei Jahren feiern konnten, ist die Lernkurve, die wir hingelegt haben. Und darauf sind wir stolz.
Was unterscheidet einen Mobilitätsdienstleister wie deer von anderen Car-Sharing-Angeboten?
Ich sagte ja bereits, dass wir einiges anders machen. Das im Detail zu diskutieren, führt hier vermutlich zu weit. Was uns aber sicher unterscheidet, sind die Motivation und der Pioniergeist, mit denen wir unser Mobilitätskonzept weiter ausbauen. Wir schauen uns nicht nur die Bedürfnisse der Menschen und ihr Mobilitätsverhalten an, sondern bieten auch Komplettlösungen für Kommunen, Unternehmen oder die Wohnungswirtschaft. Beispielsweise können Sie mit einem unserer Fahrzeuge von zu Hause bis zur Arbeit privat fahren, setzen dann einen Haken in unserer App und deklarieren damit die nächste Strecke als Dienstfahrt, die mit Ihrem Arbeitgeber abgerechnet wird. Denn letztendlich ist Mobilität genau das: Einfach, kostengünstig und effizient von A nach B fahren.
Das klingt, als hätten Sie noch viele Ideen und Visionen für die Zukunft…
In der Tat. Zunächst konzentrieren wir uns aber auf den Ausbau unserer Standorte. Wir haben beispielsweise auch schon sehr viele Anfragen aus benachbarten Regionen und können uns unser Konzept sehr gut deutschlandweit vorstellen.