Innovationsland Deutschland

Woran wird in Deutschland gerade geforscht? Neue Lösungen aus den Bereichen Klimaschutz, Medizin und Mobilität.
Illustration: Magda Wilk
Klaus Lüber Redaktion

Wirkstoffe aus dem Meer
Beeindruckende 72 Prozent der Erdoberfläche sind von Meeren und Ozean bedeckt. Und in ihnen tummelt sich eine ungeheure Vielfalt von Lebewesen mit potenziell enormem Nutzen für den Menschen. Diese noch in weiten Teilen unerforschte Rohstoffquelle ist Gegenstand der sogenannten marinen Bioökonomie, auch Blaue Technologie genannt. Am GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung in Kiel forscht man etwa zur nachhaltigen Nutzung mariner Ressourcen für die Medizin, Nahrungsmittel oder Kosmetik, an der TU München arbeitet man an Verfahren zur Produktion von Biokerosin und chemischen Wertstoffen aus Algen. Das vom Bundesforschungsministerium koordinierte aktuelle Wissenschaftsjahr 2020/21 „Bioökonomie“ will auf solche hochinnovativen Forschungsfelder hinweisen. Übergreifendes Ziel ist es, eine Wirtschaftsform, die auf fossilen Brennstoffen beruht, Schritt für Schritt in eine nachhaltige, biobasierte Wirtschaftsweise – die Bioökonomie – zu überführen. www.wissenschaftsjahr.de


Smarte Nanomaschinen
Dass sich Deutschland sehr wohl auch im Bereich Maschinelles Lernen keinesfalls hinter Nationen wie den USA oder China verstecken muss, beweist der Forschungsverbund Cyber Valley im südlichen Baden-Württemberg. Dort haben sich Ende 2016 das Max-Planck-Institut für Intelligente Systeme Tübingen, die beiden Universitäten Stuttgart und Tübingen sowie mehrere Partner aus der Wirtschaft zu einer Kooperation zusammengeschlossen. Im Rahmen der Forschungsgruppe „Biomedical Microsystems” an der Uni Stuttgart wird zum Beispiel an Sensorik und Steuerung von Mikrorobotern im medizinischen Einsatz geforscht. Um die Roboter mit den notwendigen, aber aus rechtlichen Gründen nicht verfügbaren, medizinischen Daten füttern zu können, arbeitet das Team mit einer Augmented-Reality-Umgebung, die auch für das Training von Chirurgen eingesetzt wird. www.cyber-valley.de

 

Lärmende Drohnen
Steigende Einwohnerzahlen, überfüllte Straßen und ein hohes Versandaufkommen stellen Großstädte weltweit vor logistische und verkehrspolitische Herausforderungen. Abhilfe könnte die Entwicklung des Luftraums zu einer „dritten Verkehrsebene“ schaffen, auf der dann beispielsweise Lieferdrohnen einen Teil des Warenverkehrs übernehmen oder Flugtaxis die Straßen entlasten. Doch wie ist eigentlich die Bevölkerung zu solchen Lösungen eingestellt? Nicht ganz so positiv, wie eine von Forsa im Auftrag von Sky Limits, einem gemeinsamen Forschungsprojektes von Wissenschaft im Dialog und TU Berlin durchgeführte Umfrage, ergab. Demnach lehnt eine Mehrheit der Deutschen den Einsatz von Lieferdrohnen (55 Prozent) und Flugtaxis (62 Prozent) ab. Große Bedenken rufen insbesondere durch Lieferdrohnen und Flugtaxis verursachter Lärm und Stress sowie potenzielle Jobverluste hervor. www.skylimits.info

 

Intelligentes Laden
Als Hauptschwachpunkte bei der Etablierung von E-Mobilität im Straßenverkehr gilt die noch immer unzureichende Ladeinfrastruktur –
gekoppelt mit langen Wartezeiten, wenn man dann doch eine Lademöglichkeit für das eigene E-Auto ergattert hat. ChargeBIG, ein Corporate-Start-up des Automobilzulieferers Mahle, hat sich die zweite Teilherausforderung einmal genauer angeschaut und scharfsinnig erkannt: Berufspendler mit kurzen Distanzen zum Arbeitsplatz sind auf schnelle Ladezeiten überhaupt nicht angewiesen. Da das Auto ohnehin tagsüber auf dem Parkplatz steht, kann es hier auch über die langsamere und damit günstigere Art geladen werden. ChargeBIG hat ein solches Ladekonzept entwickelt, das auf sogenanntem einphasigen Laden mit Leistungen bis zu 7,2 kW basiert. Über ein dynamisches und phasenindividuelles Lastmanagement lässt sich die verfügbare Ladeleistung zudem durch eine Steuereinheit auf die parkenden Fahrzeuge verteilen. Für diese Lösung wurde ChargeBIG mit dem German Innovation Award 2020 in Gold ausgezeichnet.
www.chargebig.com

 

Stress in der Stimme
Im Fachbereich „Digital Health – Personalized Medicine“ des Hasso Plattner Instituts (HPI) in Potsdam wird zu neuen Möglichkeiten der Digitalisierung für die Medizin der Zukunft geforscht. Aktuell will man herausfinden, ob es möglich ist, aus Mikroveränderungen der menschlichen Stimme in Lautstärke und Frequenz auf körperlich messbare Stressreaktionen wie etwa dem Anstieg von Cortisol zu schließen. Das wäre eine echte Innovation insofern, als sich ähnliche Verfahren bislang auf die Selbstauskunft von ProbandInnen verlassen hatten. Eine durch Video- und/oder Stimmaufzeichnung ermittelte Stressreaktion musste noch einmal durch die Testperson selbst bestätigt werden. Nun könnte man aber tatsächlich pychsiologische Effekte vorhersagen. Damit stünde etwa eine neue Methode zur Verfügung, auf wissenschaftlich valide und wenig invasive Art den Stresslevel einer Person zu messen: Cortisol lässt sich über den Speichel bestimmen. Eine erste Pilotstudie am HPI ist abgeschlossen – mit vielversprechendem Ergebnis.
www.hpi.de/digital-health-center

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