Krankenhaus der Zukunft

Die Digitalisierung hat großes Potenzial, Kliniken effizienter und die Behandlung für Patienten sicherer und besser zu machen.
Illustration: Luisa Jung
Dr. Ulrike Schupp Redaktion

„Wir wollen die Zeit einfach zum Pflegen haben, für den Kontakt zu den Menschen“, twitterte eine Krankenpflegerin auf einem Fachkongress. Das knappe Minutenbudget für die einzelnen Patienten wollte sie nicht auch noch dazu verwenden, sich an komplizierten Programmen für die digitale Pflegedokumentation abzuarbeiten und mit Likes wurde sie dafür nur so überschüttet. Dabei soll die elektronische Pflegedokumentation doch eigentlich vor allem eins: Den Dokumentationsprozess, der neben Stammdaten und ärztlichen Verordnungen die nächsten Schritte in der Pflegeplanung festhält, erleichtern und das bürokratische Drumherum abspecken. Sie soll die Pflegenden entlasten und die Behandlung für den Patienten sicherer und besser machen.


In der Praxis findet der Informationsaustausch zwischen den Beschäftigten aber noch immer größtenteils mündlich und auf dem Papier statt. Eine Studie zur „Digitalisierung im Krankenhaus“, die im Auftrag der Hans-Böckler-Stiftung durchgeführt wurde, zeigt: Die Dokumentation erfolgt bei 58 Prozent der Befragten schriftlich und nur 41 Prozent nutzen digitale Technologien. Vorteile bringt die Digitalisierung den Teilnehmern der Studie zufolge zwar für die sektoren- und institutionsübergreifende Zusammenarbeit, nicht aber für ihren Arbeitsalltag. Der ist in Deutschland von einer gelungenen Digitalisierung meist noch ein Stück weit entfernt.


Wie die digitale Zukunft der Kliniken hierzulande einmal aussehen könnte, zeigt das Universitätshospital in Aarhus (AUH), das in Sachen E-Health weit über Landesgrenzen hinaus als führend gilt. Das dänische „Superkrankenhaus“ ist eins der weltgrößten Klinikzentren. Es bietet alle medizinischen Fachrichtungen unter einem Dach und vor allem eine Vielzahl von Spezialisten-Behandlungen. Dänemark setzt auf eine nationale Krankenhausstrategie, bei der es im Land zwar weniger regionale Kliniken gibt, dafür aber einige große hochqualifizierte medizinische Zentren. Jeder Einwohner kann hier die Behandlung, die er benötigt, auf höchstem Niveau erhalten. Über das Onlineportal Sundhed.dk können behandelnde Ärzte auf Fallgeschichte, Untersuchungen und Laborbefunde ihrer Patienten zugreifen. Patienten wiederum können über das Portal Termine vereinbaren, Rezepte anfordern oder auch Abrechnungen einsehen. Seit über 12 Jahren sind elektronische Patientenakten in Dänemark Standard. Ein telemedizinisches Monitoring-System macht den Arztbesuch von zuhause aus möglich. Auch Rehabilitation und Heimpflege sollen künftig noch stärker auf digitale Unterstützung setzen, zum Beispiel, indem Bewegungstherapie über den Bildschirm angeleitet wird.


Voraussetzung für die Digitalisierung ist, dem Bundesverband der Krankenhaus-IT-Leiterinnen und Leiter zufolge, dass die Daten sämtlicher Fälle der Patientinnen und Patienten hochaktuell und eben digital verfügbar sind, zu jeder Zeit und an jedem Ort im Krankenhaus. Gleichzeitig regeln unter anderem „aufgabenangemessene Benutzerschnittstellen“, dass nicht alle Beschäftigten Zugriff auf alles haben. Datenschutz und IT-Security spielen eine wichtige Rolle und Leistungsabläufe sollen durch flexible elektronische Workflows über alle Bearbeitungsebenen hinweg unterstützt werden.


Im Rahmen digitaler Strategien werden in Deutschland auf Länderebene seit über zehn Jahren sogenannte Cluster gefördert, digital organisierte Netzwerke für Unternehmen, Forschungseinrichtungen und andere Akteure zu Schwerpunkten wie zum Beispiel Biotech oder innovative Medizin. Die Stärken der Länder hinsichtlich ihrer Technologien, ihrer Industrie und Forschung sind dabei unterschiedlich und das wird bei der Entwicklung der Cluster berücksichtigt. So soll zum Beispiel in Nordrhein-Westfalen das Cluster „Medizin.NRW“ Forschung, Versorgung und Industrie zusammenbringen und so Innovationen fördern. Die Akteursdatenbank des Clusters vernetzt potenzielle Kooperationspartner. Wichtig ist dem Netzwerk Medizin.NRW dabei, dass von Anfang an nur solche Innovationen gefördert werden, die die Bedürfnisse der Patienten und Anwender im Blick haben.


Als einer der Vorreiter der Digitalisierung im Krankenhaus gilt das nordrhein-westfälische Universitätsklinikum Essen. Seit 2015 gibt es hier die Initiative Smart Hospital. Sie beginnt, Prof. Dr. Jochen Werner, dem Ärztlichen Direktor der Universitätsmedizin Essen, zufolge „weit vor dem Krankenhaus und endet weit nach dem Krankenhaus“. Die Universitätsmedizin selbst ist ein Konzern, dem vier Tochterkliniken, insgesamt 32 Kliniken und 24 Institute angehören. Das Smart Hospital arbeitet eng vernetzt mit niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten zusammen, die ihre Patienten meist genau kennen. Es nutzt eine Onlineplattform und eine spezielle Software namens Recare, um Patienten schneller in die Nachsorge zu vermitteln. Das System verbindet über 1000 ambulante Pflegeheime und Pflegedienste und erleichtert so das Entlassungsmanagement. Arbeitsprozesse werden, wenn möglich, digitalisiert. Mit zum Smart Hospital gehören der Einsatz von OP-Robotern ebenso wie die Einführung der elektronischen Patientenakte.


Erfolgsbeispielen wie dem Smart Hospital zum Trotz hält der Klinikalltag in Deutschland in den meisten Fällen aber noch immer etliche Stolpersteine bereit. Die Beschäftigten finden es zurecht belastend, dass sie bei der Einführung digitaler Tools oder Prozesse nicht wirklich beteiligt werden. Pflegende wünschen sich zum Beispiel, dass die Hersteller von IT zur Pflegedokumentation bei der Entwicklung der Produkte auch die Anwender befragen, da diese schließlich wissen, was ihren Workflow fördert oder stört. Der Böckler-Studie zufolge fühlen sich aber keine 30 Prozent der Befragten tatsächlich mit einbezogen, wenn es um die Entwicklung und den Einsatz neuer Technologien geht.


Bei Ärztinnen und Ärzten herrscht ebenfalls Skepsis. Dem Marburger Bund zufolge kritisieren 40 von 1800 befragten Klinikärzten, dass ihre Arbeit im Alltag durch digitale Prozesse gar nicht wirklich vereinfacht wird. Viel zu oft verdopple sie sich sogar, weil die Daten digital und dann gleichzeitig noch einmal in Papierform erfasst werden müssten. Die technische Ausstattung lässt ebenfalls oft zu wünschen übrig, weil alte Rechner und IT-Infrastrukturen wie ein Flickenteppich unterschiedliche Programme und Systeme verbinden und den IT-Support vor Herausforderungen stellen.

 

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