Gestärkte Abwehr

Die mRNA-Technologie, die seit der Coronapandemie in aller Munde ist, könnte in Zukunft auch beim Kampf gegen Krebs eine wichtige Rolle spielen.

Illustration: Sabine Zentek
Illustration: Sabine Zentek
Dr. Ulrike Schupp Redaktion

Krebszellen haben unterschiedliche Eigenschaften, die sich gezielt nutzen lassen, um Krebserkrankungen zu bekämpfen. Hier will auch die Tumorimpfung mit Messenger Ribonucleic Acid (mRNA)-Impfstoffen ansetzen, eine Therapieform, die in der Praxis zwar noch nicht angekommen ist, auf welche die Forschung aber schon jetzt große Hoffnungen setzt.
mRNA-Impfungen gegen SARS-Cov-19 sind durch die Coronapandemie in aller Munde. Im Prinzip sollen auch die mRNA-Impfstoffe zur Behandlung von Krebserkrankungen, die bereits seit einigen Jahren getestet werden, ähnlich funktionieren. Das Mainzer Unternehmen Biontech arbeitet schon seit über zehn Jahren an einem solchen Impfstoff und prüft dessen Wirksamkeit derzeit in einer Studie zu schwarzem Hautkrebs. Der Körper soll lernen, den Krebs mithilfe der eigenen Immunabwehr zu bekämpfen. Dazu muss das Immunsystem aber erst einmal so trainiert werden, dass es die Krebszellen überhaupt erkennt.

Typisch für Krebszellen sind Proteine, sogenannte Antigene, die an der Oberfläche der Zellen gehäuft auftreten. Durch die Impfung wird das Immunsystem mit diesen Krebsantigenen konfrontiert. Zuerst werden hierfür die zu Krebszellen mutierten Körperzellen untersucht, bis die Erbinformationen gefunden werden, die dem Körper den Bauplan für die Eiweiße an der Oberfläche der Krebszellen liefern können. Diese Gene werden in Boten-RNA verpackt und über den Impfstoff verabreicht. Der Körper baut daraufhin die Krebsantigene nach. Für sich genommen kann das Immunsystem nun die Proteine erkennen und lernt über diesen Umweg, die Eiweiße an der Oberfläche der Tumorzellen ebenfalls wahrzunehmen und zu bekämpfen.

Einem Team aus Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern des Max-Planck-Instituts für Polymerforschung und der Universitätsmedizin Mainz ist es gelungen, anhand der Gewebeprobe eines Patienten einen individuellen Impfstoff herzustellen und eine neue Klasse von Impfstoffen zu entwickeln, die eine Alternative zum mRNA-Impfstoff darstellen könnte. Der Impfstoff besteht hier aus einem Antigen, das eine Besonderheit der Tumorzelle abbildet und zusätzlich aus einem „Scharfmacher“-Molekül, das das Immunsystem aktivieren soll. Letzteres wird zum Beispiel im indischen Corona-Impfstoff Covaxin schon erfolgreich eingesetzt. Das Molekül wird an Nanopartikel mit gelartiger Konsistenz angebunden, die vom Immunsystem problemlos zu identifizieren sind. Gleichzeitig verhindern diese, dass im ganzen Körper Entzündungen ausgelöst werden.

Für die Impfungen gegen Krebs spricht, dass sie das Körpergewebe schonen und auch sonst weniger Nebenwirkungen haben als Strahlen- oder Chemotherapie. Die Immunabwehr erkennt anschließend auch Krebszellen, die sich nach einer Operation oder Folgebehandlungen noch im Körper befinden oder neu bilden. So kann das Risiko der Metastasenbildung verringert werden. Allerdings wird es eventuell noch einige Jahre dauern, bis die Impfstoffe in der Praxis für Patientinnen und Patienten zugänglich sind. Und auch nicht alle Krebsarten werden sich durch eine Impfung bekämpfen lassen.
 

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