Durchbrüche in der Herzmedizin

Telemedizin, Smartphone-Apps, winzige Gefäßbohrer: Die Kardiologie ist um spektakuläre Entwicklungen nicht verlegen. Wir stellen einige vor.
Illustration: Ivonne Schulze
Illustration: Ivonne Schulze
Olaf Strohm Redaktion

Es gilt als Organ der Leidenschaft und des Lebens: das Herz. Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind die häufigste Todesursache in Deutschland: 36 Prozent aller Todesfälle sind darauf zurückzuführen. Dabei hat die Kardiologie, die Herzmedizin, spektakuläre Entwicklungen durchlaufen. In der Chirurgie, der Medizintechnik und Pharmazie wurden innovative Verfahren entwickelt, die Diagnose und Therapie bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen revolutioniert haben.

Moderne Herzschrittmacher


Moderne Herzschrittmacher sind in den letzten Jahren immer kleiner geworden. Zurzeit sind sie kaum größer als eine normalgroße Armbanduhr. Sie bestehen aus einem Generator und Sonden, die im Herzen verankert werden. Der Generator wird in einem kleinen chirurgischen Eingriff unter der Haut implantiert. Neuere Schrittmacher sind von außen programmierbar und können auf diese Weise an spezielle Funktionsstörungen des Herzens angepasst werden. Die Programmierung erfordert keinen chirurgischen Eingriff und ist deshalb schmerzlos. Herzschrittmacher werden dazu verwendet, um das Herz in einen regelmäßigen Schlagrhythmus zu bringen. Kann durch bestimmte Herzrhythmusstörungen eine ausreichende Blutversorgung des Körpers nicht mehr gewährleistet werden, muss ein Herzschrittmacher eingesetzt werden.

Neue Medikamente bei Herzinsuffizienz


Seit 2020 gibt es zwei neue Medikamente in der Therapie der Herzschwäche, der Herzinsuffizienz. Die so genannten SGLT2-Inhibitoren wurden ursprünglich als Diabetes-Medikamente entwickelt. In Studien zeigte sich, dass diese Präparate die Todesrate und Krankenhauseinweisungen wegen einer sich verschlechternden chronischen Herzinsuffizienz um rund 25 Prozent reduzieren. Die beiden Substanzen sind mittlerweile in Deutschland zur Herzinsuffizienz-Therapie zugelassen. Die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie DGK schreibt, die deutliche Reduktion des Risikos für Herzinsuffizienz-Komplikationen stelle einen erheblichen Durchbruch für Patientinnen und Patienten mit chronischer Herzinsuffizienz dar.

Telemedizin


In Deutschland soll es für Herzpatienten ab 2022 Telemedizin auf Rezept geben. Dann wird das Telemonitoring der Gesundheitsdaten durch Ärzte bei Herzinsuffizienz und bei kardialen Implantaten bei den Krankenkassen abgerechnet werden können. Zuletzt hatte die AOK Nordost nachweisen können, dass die Teilnahme an ihrem Telemedizin-Projekt die Sterblichkeitsrate um ein Drittel senkt. Patienten wurden sofort kontaktiert und sollten einen Arzt aufsuchen, sobald die Werte auf eine Verschlechterung des Gesundheitszustands hindeuteten. Wie Künstliche Intelligenz bei der Überwachung von Herzschwäche eingesetzt werden kann, zeigte eine US-Studie. Herzinsuffizienzpatienten erhielten ein Pflaster, das auf den Brustkorb geklebt wird und Herzfrequenz, Herzrhythmus, Atemfrequenz, Bewegung, Schlaf und Körperposition erfasst. Die Daten wurden durch einen selbstlernenden KI-Algorithmus ausgewertet. Drohende Klinikeinweisungen konnten damit schon weit im Vorfeld erkannt werden - im Mittel gut sechs Tage vor Einweisung.

Apps & Messgeräte


Die App Preventicus Heartbeats zeichnet den Herzrhythmus auf, indem man den Finger auf die Smartphone-Kamera legt. Die App erkennt so Herzrhythmusstörungen und Vorhofflimmern. Auch das Medizinprodukt KaridaMobile macht das Smartphone oder Tablet zum mobilen EKG-Gerät. Für die Aufzeichnung des Herzrhythmus legen Benutzer ihre Finger auf einen Sensor und prüfen so, ob ihr Herzrhythmus normal ist. Als medizinisches Gerät anerkannt ist auch die Armbanduhr "ECG Move" von Withing. Sie kann Vorhofflimmern erkennen. Das EKG wird über die Uhr aufgezeichnet und in einer Health-App ausgewertet oder direkt als PDF an einen Arzt geschickt. Das mobile EKG-Messgerät von Cardio-Secur zeichnet auch komplexe Arrhythmien und lebensbedrohliche Durchblutungsstörungen auf. Bei leichten oder starken EKG-Veränderungen sendet die dazugehörige App einen Warnhinweis. So wissen Herzpatienten, wann sie dringend zum Arzt gehen sollten.

Nanobohrer gegen Arteriosklerose


Menschen mit chronischem Bluthochdruck sind auch gefährdet für Arteriosklerose. Hier lagern sich über einen langen Zeitraum Stoffe aus dem Blut, zum Beispiel Kalk, Fette oder Cholesterin, in den Innenwänden der Arterien an. Versagen gängige Therapien, bleibt nur die Amputation. Bayer-Forscher haben eine alternative Therapie-Option entwickelt: einen Minibohrer mit Infusions- und Absaugeinheit, der über einen Führungsdraht durch die peripheren Gefäße gesteuert wird. Die maximal stecknadelkopfgroßen Bohrer entfernen in nur wenigen Minuten auf ihrem Weg durch die Arterien die gefährlichen Plaques. Das medizinische U-Boot nutzt zwei Schneidköpfe mit einem kleinen und großen Durchmesser. Der vordere Bohrkopf bahnt sich seinen Weg durch die Blutgefäße, fräst die Ablagerungen weg und zerkleinert sie dabei. Der nachfolgend angebrachte Häcksler, der in das Absaugsystem integriert ist, zertrümmert die Fragmente weiter, bevor die integrierte Absaugvorrichtung diese dann endgültig entfernt.

Elektrophysiologie
 

Die Diagnose von Herzrhythmusstörungen ist nicht einfach, zumal Beschwerden nicht immer genau dann auftreten, wenn Betroffene einen Termin beim Arzt haben. Zeigt ein Langzeit-EKG kein eindeutiges Ergebnis, wird die elektrophysiologische Untersuchung genutzt, kurz EPU. Durch die Leistenvene werden zwei bis vier Elektrodenkatheter meistens in die rechte Herzhälfte eingeführt. Die elektrischen Signale, welche die Herzrhythmusstörung auslösen, können so direkt am Herzen registriert und somit kann auch die genaue Stelle der Störung ausgemacht werden. Patientinnen und Patienten sind dabei wach und verspüren keine Schmerzen. Im Anschluss an die EPU erfolgt nach der Diagnosestellung häufig die Ablationstherapie. Hier wird über den Leistenzugang ein spezieller Katheter eingeführt und damit das betroffene Gewebe verödet, sodass es keine falschen Signale mehr geben oder weiterleiten kann. Patienten können danach häufig auf entsprechende Medikamente verzichten. 

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