Frau Dr. Biskup, wie diagnostizieren Sie angeborene Immundefekte?
Dr. Dr. Saskia Biskup: Bei angeborenen Immundefekten ist eine besonders präzise Diagnostik und vor allem klinisches Fachwissen notwendig, um die tatsächliche Ursache in den Genen zu finden. Sind die Symptome eindeutig und der Enzymtest auffällig, dann untersucht man ein einzelnes Gen und findet die Ursache schnell. Diese Methoden gibt es schon seit Jahrzehnten. Allerdings sind die meisten Fragestellungen nicht so einfach lösbar. Die Symptomatik ist meistens komplex und mehrere Gene kommen als Ursache in Frage.
Und dann wird das gesamte Genom untersucht?
Dahin geht zurzeit der Trend. Allerdings schaut man bei der Genomsequenzierung, also der Untersuchung der gesamten DNA, sehr breit und dadurch nicht sehr tief. Deshalb konzentrieren wir uns in der Diagnostik der Immundefekte zunächst auf die Untersuchung des Exoms. Das ist der Teil der DNA, der die Baupläne für Proteine enthält und nur ein bis zwei Prozent der Gesamt-DNA ausmacht. Mit entsprechender bioinformatischer und klinischer Expertise liefert das innerhalb von zwei Wochen die relevante Ursache. Ist das Exom unauffällig, wählen wir unseren „Deep Immunogenetics“ Ansatz. Wir haben hier eine deutlich höhere Präzision als im Exom oder Genom. Technologisch sind wir in den letzten Jahren auch wesentlich kosteneffizienter geworden. Es wird in der Zukunft auch nicht den „One-size-fits-all Test“ geben. Es geht darum, im Sinne des Patienten mit den klinischen Experten den schnellsten und im Sinne unseres Gesundheitssystems den kosteneffizientesten Weg als erstes zu gehen. Das ist für fast alle Fragestellungen das Trio-Exom von Mutter, Vater und betroffenem Kind. Ist dieser Schritt unauffällig, dann folgt je nach Fragestellung (Tumor, Immundefekte) ein „Deep Panel“, ein Genom bei ungelösten seltenen Erkrankungen oder sogar ein Transkriptom des betroffenen Gewebes. Hier wird klar, dass es ein interdisziplinäres Expertenteam braucht – das beginnt schon bei den Informationen zu Symptomatiken oder bereits erfolgten Untersuchungen, die wir von der überweisenden Praxis, den Zentren und Kliniken bekommen.
Welche Zellen brauchen Sie für die Untersuchung?
Gerade Immundefekte kann man sehr gut mit einer Blutuntersuchung aufspüren. Das erspart den Kindern zum Beispiel eine Gewebeentnahme. Außerdem kann man so auch sogenannte Mosaikvarianten besser finden: Es kann vorkommen, dass nicht alle Zellen einen Defekt in ihrer DNA aufweisen. Im Blut sind die Zellen gut durchmischt – das erhöht die Chance drastisch, eine Variante zu finden, die zu einem Immundefekt führt, insbesondere wenn man sehr tief schaut. Ein Genom würde solche Varianten im Erbgut nicht detektieren.
Was sollten Eltern tun, wenn sie den Verdacht haben, dass ihr Kind an einem Immundefekt leidet?
Patientenorganisationen zum Beispiel bieten Checklisten, mit deren Hilfe Eltern ihr Kind auf Warnsignale abklopfen können, wenn es sehr häufige und auch schwere Infektionen hat. Und dann sollten die Eltern – Stichwort Patientenmündigkeit – auch zum Hausarzt oder Kinderarzt gehen und das konkret ansprechen. Deshalb ist es auch so wichtig, Allgemeinmediziner oder Kinderärzte zu sensibilisieren, dass die Ursache eben auch genetisch sein kann. Im zweiten Schritt erfolgt dann die Überweisung an eine Spezialambulanz oder ein Fachzentrum. Und dort wird dann oft eine genetische Untersuchung empfohlen, die zum Beispiel dann Spezialisten wie wir durchführen.
SELTENE KRANKHEITEN – DER PODCAST
Der Podcast „Diagnose-Kompass Seltene Erkrankungen“ (siehe QR-Code) steht unter der Schirmherrschaft der Deutschen Selbsthilfe Angeborene Immundefekte e.V. mit Unterstützung der _fbeta GmbH im Auftrag der Pharming Group N.V.
https://www.pharming.com/
https://www.dsai.de/