Bewegung gegen Hochdruck

Wer seinen Blutdruck im Griff hat, kann das Risiko für viele schwere Erkrankungen minimieren. Weil ein hoher Blutdruck aber keine Schmerzen verursacht, wissen viele gar nicht, dass ihre Werte erhöht sind.
Illustration: Ivonne Schulze
Illustration: Ivonne Schulze
Sabine Philipp Redaktion

Sport ist Mord. Das galt vor allem für Herzpatienten. Die sollen sich schonen, hieß es lange Zeit. De facto hat das zu einem Teufelskreis geführt. „Die Herzschwäche führt bereits zu einer Verringerung der körperlichen Leistungsfähigkeit und zu Entzündungsprozessen, die unter anderem zum Muskelabbau beitragen“, erklärt Prof. Dr. Ulf Landmesser, Direktor der Medizinischen Klinik für Kardiologie an der Charité. Gerade Herzpatienten sollten sich daher – entsprechend ihren Möglichkeiten – körperlich betätigen, um einen weiteren Abbau zu verhindern. Zudem fördert Bewegungsmangel Bluthochdruck. Und der ist neben erhöhten Cholesterinwerten eine der Hauptursachen für Herz-Kreislauf-Erkrankungen.

Es scheint paradox. Bei körperlicher Belastung steigt der Blutdruck noch weiter an. Denn die Muskeln benötigen mehr Sauerstoff, der ja bekanntlich über das Blut transportiert wird. Das Herz fungiert in diesem Kreislauf als Pumpe: Die rechte Herzkammer pumpt das Blut in die Lunge, wo es unter anderem Sauerstoff aufnimmt. Anschließend pumpt es die linke Herzkammer zurück in den Körperkreislauf. Dazu zieht sich der Muskel zusammen und entspannt sich im Anschluss wieder. Da das Herz bei jedem Vorgang nur eine bestimmte Blutmenge pumpen kann, muss es sich bei Belastung häufiger zusammenziehen, um den erhöhten Durchsatz zu erreichen.

„Wer regelmäßig Ausdauertraining macht, hat häufig dauerhaft eine langsamere Herzfrequenz“, so Landmesser. Er ist davon überzeugt, dass Sport den natürlichen Zustand wiederherstellt. Denn der Mensch sei nun einmal auf Bewegung ausgelegt. Gleichzeitig hilft Sport beim Abbau von Stress, der dauerhaft den Blutdruck in die Höhe treiben kann. Dazu später mehr.

Die häufigste Ursache für Bluthochdruck ist, dass die Gefäße, durch die das Blut fließt, mit zunehmendem Alter an Elastizität verlieren. Sie werden steifer und das Herz muss gegen einen höheren Widerstand ankämpfen. „Das Herz kann diesen Widerstand eine Zeit lang kompensieren“, erläutert Landmesser. Aber irgendwann werde der Herzmuskel durch die stärkere Belastung wachsen. „Beim Bizeps mag das ja eine gute Sache sein. Eine Verdickung des Herzmuskels führt jedoch dazu, dass es noch steifer wird und weiter an Leistungsfähigkeit verliert“, kommentiert der Kardiologe und Internist. Gleichzeitig führe der Bluthochdruck zu Umbauvorgängen in den Gefäßen, wodurch sie weiter versteifen. Regelmäßige Bewegung hält sie hingegen geschmeidiger.

Risikofaktor Übergewicht


„Bei Übergewicht bildet der Körper mehr Blut, um das Fettgewebe zu durchbluten“, erklärt Professor Dr. Dr. Ralf K. Reinhardt, promovierter Molekularbiologe und Sportwissenschaftler sowie Dozent an der Internationalen Hochschule GmbH (IU). Da das Herz aber ursprünglich nicht für das bei Übergewicht vorherrschende größere Blutvolumen ausgelegt sei, müsse es nun auf einmal mehr Blut pumpen. Dadurch werde es stärker belastet. Dazu kommt, dass mit dem stärkeren Blutdruck die mechanische Belastung der Blutgefäße steigt.

Und dann ist da noch der Stress, wobei Reinhardt zwischen positivem Stress unterscheidet, wie er bei Fahrgeschäften entsteht. Und dem langfristigen, negativen Stress. „Wenn Sie die Physiologie des Menschen verstehen wollen, müssen Sie manchmal zurück in die Steinzeit gehen.“  Bei unseren Vorfahren sei es an der Tagesordnung gewesen, dass sie kämpfen, flüchten oder jagen mussten. „In einem solchen Szenario macht es Sinn, dass der Blutdruck hochgeht, weil der Körper dann besser mit Sauerstoff versorgt wird.“ Gleichzeitig wurde der Stress durch die genannten Aktionen wieder abgebaut. Was beim Steinzeitmenschen noch lebenserhaltend war, ist in der heutigen Zeit kontraproduktiv. Denn heute kämpfen wir nicht mehr mit Säbelzahntigern, sondern eher mit Timelines. Und anders als in der Steinzeit, können wir den Stress nicht sofort wieder abbauen.

Aus diesem Grund ist körperliche Betätigung gerade in der heutigen Zeit so wichtig. Viele Menschen stehen mit Sport jedoch auf dem Kriegsfuß. Reinhardt betreibt seit 20 Jahren eine Sportschule. „Es kommt immer wieder vor, dass gutmeinende Eltern mit ihren Kindern im Schlepptau zu uns kommen und fragen, was sie tun können, damit das Kind endlich mehr Sport treibt.“ Das Problem sei häufig, dass der Begriff Sport unter anderem durch den Sportunterricht in der Schule negativ belegt ist.

„Sportunterricht ist unerlässlich wichtig, und sicherlich meist von guter Qualität“, so Reinhardt. Er sieht es allerdings kritisch, dass an alle Kinder die gleichen Maßstäbe gelegt und dass unterschiedliche Begabungen nicht ausreichend berücksichtigt werden. Für unsportliche Kinder sei es in einem solchen System oft schwierig, Erfolgserlebnisse zu haben. Reinhardt ist überzeugt, dass man kein Kind zwingen sollte, Sport zu treiben. Man sollte sich mit ihm auf eine positive Suche begeben, bis es eine Betätigung findet, die ihm Spaß macht. Das könnten auch Waldstreifzüge sein. Dann würde die Bewegung am meisten bringen. Nicht nur, weil man stärker motiviert ist. „Wissenschaftliche Studien haben gezeigt, dass auch das Gehirn am meisten von Bewegung profitiert, wenn sie Spaß macht, oder wenn man zumindest einen Sinn dahinter erkennen kann“, so Reinhardt abschließend. 

Literaturtipp

Warum treibt Salz den Blutdruck nach oben? Welche Sportart ist für welchen Blutdruck geeignet? Darf ich Krafttraining machen? Und was ist der Stand der Forschung? Die Broschüre „Bluthochdruck: Herz und Gefäße schützen“ der Deutschen Herzstiftung beantwortet diese und weitere Fragen und enthält viele praktische Tipps.

Sie kann kostenfrei per Telefon unter 069 955128-400 per Mail unter bestellung@herzstiftung.deoder unter www.herzstiftung.de/bestellung angefordert werden.

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