Bewegen & Lüften

Weniger Rückenschmerzen, bessere Raumluft: So arbeiten wir in der (post-)pandemischen Zeit.
Illustrationen: Wyn Tiedmers
Illustrationen: Wyn Tiedmers
Iunia Mihu Redaktion

Dort, wo abends die Familie gemütlich vor dem Fernseher sitzt, wird tagsüber hastig in die PC-Tastatur gehackt – das heimische Wohnzimmer ist plötzlich ein Lockdown-Büro. Der Kopf raucht, das Mittagessen auf dem Herd leider auch, denn auch im Homeoffice müssen Abgabefristen eingehalten werden. Ist das Wohnzimmer zugleich noch Lockdown-Klassenzimmer, ist das Chaos nahezu perfekt. Hand aufs Herz, die meisten von uns haben sich das Arbeiten im Homeoffice entspannter vorgestellt. Das neue Arbeitsmodell geht vielen auf die Nerven und langfristig schlägt es auf die Gesundheit. Insbesondere der Rücken leidet. „Ein spontan eingerichtetes Homeoffice erfüllt selten die entsprechenden Voraussetzungen, um einen ganzen Tag lang entspannt und rückengerecht arbeiten zu können“, sagt Monika A. Pohl, Physiotherapeutin, Selbstfürsorge-Trainerin und Autorin des Buches „Employability: So werden Sie fit für den Arbeitsmarkt der Zukunft“ (GABAL Verlag). Den meisten fehlt eine ergonomische Ausstattung, hinzu kommt ein erhöhter Bewegungsmangel, aber auch Stress und ein falsches Selbstmanagement sind für viele Arbeitnehmer:innen im Homeoffice ein Problem. Die Folgen: Zunehmend Verspannungen im Schulter-Nacken-Bereich, Beschwerden im unteren Rücken, eine verkürzte Muskulatur.

 

Die gute Nachricht: Schon mit wenig Aufwand und Kreativität lässt sich die Situation verbessern. Drei Tipps der Physiotherapeutin:  Den Stuhl dem Arbeitstisch anpassen oder umgekehrt. Dabei sollten die Oberschenkel einen Winkel von 90 bis 100 Grad zum Rumpf bilden und die Füße flächigen Kontakt zum Boden haben. Bei aufrechter Körperhaltung sollte der Winkel im Ellenbogen 90 Grad betragen und die Unterarme entspannt abgelegt werden können. Dann sollten Sie den Bildschirm so positionieren, dass keine störenden Reflexionen entstehen. Außerdem sollte die oberste Zeichenzeile unter der Augenhöhe liegen, damit der Blick leicht nach unten geneigt und der Nacken somit entspannt ist. Und drittens: Schaffen Sie sich genug Bewegungsraum für Beine und Arme sowie Platz für weitere Geräte auf der Arbeitsfläche. Arbeitsmaterialien, die Sie häufig nutzen, sollten körpernah sein.

 

Und zwischendurch? Bewegungspausen machen. Am besten jede Stunde für fünf bis zehn Minuten die Arbeit unterbrechen, aufstehen, Schultern, Nacken, Arme und Hände auslockern, den Rumpf in alle Richtungen bewegen und Beinmuskulatur dehnen. Aber all das greift dennoch zu kurz. Es müssen langfristige Lösungen her, denn in Zukunft werden wir noch flexibler arbeiten, als wir das heute schon tun. „Auch wenn aktuell die Unternehmen mit der Situation im Homeoffice unzufrieden sind, was einige Studien nahelegen, ist die Ursache meist ein falsches Mindset“, sagt Trainerin Monika A. Pohl. Arbeiten im Homeoffice müsse gut vorbereitet werden und sei auch nicht für jeden die richtige Wahl. „Aktuell hat keiner die Wahl selbst getroffen, daher läuft vieles ohne Struktur oder nur auf Sparflamme. Darunter leidet die interne und externe Kommunikation und vermutlich auch die Produktivität.“

 

Die Verantwortung für eine nachhaltige Gesundheit am Arbeitsplatz liege aber auf beiden Seiten. „Die beste ergonomische Ausstattung und Aufklärung hilft nichts, wenn das Nutzerverhalten nicht stimmt. Der Arbeitgeber ist zwar in der Fürsorgepflicht, dennoch muss der Arbeitnehmer selbst die Verantwortung für sein Handeln übernehmen und ausreichend für sich selbst sorgen“, sagt die Expertin.

 

Neben langfristigen Konzepten für eine rückenschonende Heimarbeit, wird auch die Raumluft am Arbeitsplatz wichtiges Thema bleiben. Denn ein Jahr nach Ausbruch der Corona-Pandemie weiß man heute um die Bedeutung der Raumluft beim Infektionsgeschehen. SARS-CoV-2-Viren werden insbesondere über Aerosole und Tröpfchen ausgestoßen. Beim Übertragungsrisiko unterscheidet man zwischen Nah- und Fernfeld. „Mit Nahfeld ist der enge Kontakt zwischen den Personen gemeint, also der Abstand unter 1,50 Meter, wo eine hohe Konzentration an virusbeladenen Tröpfchen zustande kommt. Das ist der Hauptübertragungsweg. Deswegen ist der Mund-Nasen-Schutz so wichtig“, sagt Prof. Martin Exner, Facharzt für Hygiene, emeritierter Professor an der Universität Bonn und Präsident der Deutschen Gesellschaft für Krankenhaushygiene.

 

Mit dem Begriff Fernfeld wiederum ist die Luft in schlecht belüfteten Räumen gemeint, in denen viele Menschen zusammen stehen und es keinerlei Luftaustausch gibt (z.B. Großraumbüros). „Man geht davon aus, dass sich dann dort Aerosole anreichern, die sehr virusbeladen sind, durch die Luft verdriftet werden und eingeatmet werden können“, sagt Prof. Exner. Durch entsprechendes Lüften ließe sich eine solche Virusgefahr in den Griff bekommen. Auch in Zukunft bleibt das Mittel der Wahl die regelmäßige Frischluftzufuhr, so der Experte. Das heißt: alle 20 Minuten für ein paar Minuten die Fenster und gegenüberliegende Tür öffnen. Verbrauchte, CO2-angereichterte Luft raus, Frischluft rein.

 

Schwierig wird das aber in Gebäuden, die nur über raumlufttechnische Anlagen verfügen. „Viele dieser Anlagen funktionieren mit sogenannter Umluft, die aus dem Raum entnommen und wieder zurückgeführt wird, nicht aber mit Frischluft. Umluft-Anlagen sind jedoch seit Ausbruch der Pandemie nicht mehr zu empfehlen, weil dadurch die Viren aus der Luft wieder in den Raum verteilt werden“, sagt Prof. Exner. Besser: Anlagen, die Frischluft verwenden. Grundsätzlich müsse man Anlagen in Bürogebäuden auf Herz und Nieren prüfen, bevor Arbeitnehmer wieder aus dem Homeoffice zurückkehren. Um das Infektionsrisiko noch weiter zu senken, können in bestimmten Fällen zusätzlich spezielle Lüftungsgeräte eingesetzt werden – sie machen die Luft praktisch virenfrei, ersetzen aber nicht die verbrauchte Luft. „Das schaffen zum Beispiel Geräte mit effizienten Filtrationssystemen, sogenannte H13- oder H14-Filter“, sagt Prof. Exner. Wichtig ist dabei, die Geräte so im Raum zu platzieren,
dass sie die Raumluft vollständig erfassen. Doch am Ende wird es auch auf die Eigenverantwortung des Einzelnen ankommen – und damit verbunden die Einhaltung der AHA-Regeln.

 

Nächster Artikel
Medizin
Juni 2023
Illustration: Olga Aleksandrova
Redaktion

Gesund essen, länger leben

Um bis zu zehn Jahre kann sein Leben verlängern, wer sich gesund ernährt. Gesund essen ist eigentlich ganz einfach – und am Ende dann doch wieder sehr schwer.