Aus der Forschung in die Klinik

Krebspatienten sollen möglichst schnell von Ergebnissen aus der Forschung profitieren. Professor Dr. Wolfgang Wick erläutert die Prinzipien der translationalen universitären Krebsforschung.
Krebs
Illustration: Sabina Keric
Professor Dr. Wolfgang Wick Redaktion

Herr Professor Wick, was versteht man unter translationaler Krebsforschung?

 

Sie ist das Bindeglied zwischen der wissenschaftlichen Erforschung und der klinischen Erprobung. Erkenntnisse kommen also direkt aus dem Labor zum Patienten und bestenfalls wieder zurück ins Labor für neue Fragestellungen. Ein einfaches Beispiel, an dem wir in Heidelberg forschen, sind Kombinationen von Bestrahlungen mit Medikamenten. 

 

Wie läuft ein Forschungsprojekt ab? 

 

Wir versuchen zunächst das Wirkprinzip, das wir im Labor modellieren, im Patienten wiederzufinden. Und zwar so, dass wir zunächst ein präklinisches Experiment mit einem möglichst realitätsnahen Modell durchführen, etwa einem vom Patienten stammenden Transplantationsmodell. Das nächste wäre eine so genannte Phase Null-Studie. Wir versuchen herauszufinden, ob und warum ein Präparat in welcher Dosierung überhaupt eine Wirkung hat. 

 

Sie behandeln sofort den Patienten?

 

Genau. Wir versuchen herauszufinden, ob das Medikament im Körper tut, was es soll. Wird der Signalweg wirklich effektiv blockiert? Wie sieht die optimale Dosis aus, der Zeitverlauf einer Therapie? Erst in einem nächsten Schritt werden Sicherheit, Toxizität und erste Effektivitätsdaten untersucht. Das Problem in der Krebsforschung ist häufig, dass unter wirtschaftlichem Druck sehr schnell in sehr große Patientengruppen gegangen wird, statt im Einzelfall oder in sorgfältig gewählten Kleingruppen systematisch vorzugehen. 

 

Welche Erfolge konnten Sie erzielen?

 

Am Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg wurde die Substanz APG 101 entwickelt, die den Signalweg von Krebszellen so blockiert, dass ihre Beweglichkeit und ihre Fähigkeit zum infiltrierenden Wachstum eingeschränkt wird. Diese Wirksamkeit hat sich in einer kontrollierten Studie bei Hirntumorpatienten gezeigt. Diese Therapie zerstört den Tumor nicht, sondern soll dafür sorgen, die jeweils bestehende und oft asymptomatische Erkrankung zu kontrollieren. Ein von uns entwickelter Biomarker zeigt, welche Patienten von dieser Therapie profitieren können. 

 

Sie erforschen auch Impfungen gegen den Krebs... 

 

Es gibt für eine bestimmte Gruppe von Hirntumoren typische Mutation in dem Gen IDH 1. Diese Mutation kann man als Zielstruktur für eine Impfung verwenden. Dies haben wir 2014 präklinisch im Mausmodell und an Patientenproben gezeigt, und seit Juni diesen Jahres behandeln wir Patienten. Noch kann man hier keine Ergebnisse vorweisen. Aber wir haben binnen acht Monaten das Wirkprinzip aus der präklinischen Forschung in die Behandlung überführt – inklusive aller Zulassungen von Behörden. Schneller kann man Ergebnisse aus der Forschung in die medizinische Praxis kaum überführen. 

 

Professor Dr. Wolfgang Wick; ist Ärztlicher Direktor der Neurologischen Universitätsklinik Heidelberg und Abteilungsleiter am Deutschen Krebsforschungszentrum DKFZ. Er ist Preisträger des Deutschen Krebspreises 2015 im Bereich Translationale Forschung und gilt 

als einer der renommiertesten Neuroonkologen in Deutschland.

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