GEFÜHLTE WAHRHEIT

Wie gesund sind die Deutschen? Fragt man sie selbst, sind viele mit ihrem Gesundheitszustand recht zufrieden. Ein Blick in die Statistik vermittelt ein differenzierteres Bild. Zugleich gilt: Die Medizin macht weiterhin große Fortschritte bei Diagnose und Therapie.

Illustration: Stephanie Hofmann
Illustration: Stephanie Hofmann
Dr. Ulrike Schupp Redaktion

Eigentlich eine gute Nachricht: Aktuellen Daten des Robert Koch-Instituts (RKI) zufolge bewerten 66,1 Prozent der Erwachsenen in Deutschland ihre Gesundheit als "gut" oder sogar "sehr gut". Allerdings haben dabei regionale, soziale und immer öfter auch psychische Faktoren einen Einfluss. Auffällig ist zum Beispiel, dass sich 80,7 Prozent der Menschen mit hoher Bildung als gesund empfinden. Im Vergleich sagen das aber nur etwa 50 Prozent der Menschen mit niedrigerer Bildung von sich. Unterschiede gibt es auch zwischen den Geschlechtern. Männer erleben sich mit 68,5 Prozent häufiger als gesund als Frauen mit 64,1 Prozent. Regional gesehen, sind die Bayern im bundesweiten Vergleich nach eigener Einschätzung am gesündesten. Der Anteil der Personen mit "sehr guter" oder "guter" allgemeiner Gesundheit liegt hier bei über bei 72 Prozent. In Brandenburg fühlten sich dagegen nur 57,8 Prozent gesund, weniger als in allen anderen Bundesländern. Wenig verwunderlich ist, dass Menschen mit chronischen Erkrankungen, geringerem Einkommen oder höherem Alter ihre Gesundheit in der Regel nur selten positiv bewerten.
 

GEMISCHTES BILD


Doch wie sieht das Ganze medizinisch betrachtet aus? Welche Ansätze gibt es, um den Gesundheitszustand aller weiterhin zu verbessern und dabei außerdem für mehr soziale Gerechtigkeit zu sorgen? Insgesamt zeigt die Gesundheit der Deutschen ein gemischtes Bild. Volkskrankheiten wie Übergewicht, Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Krebs, Rückenbeschwerden, aber auch psychische Erkrankungen wie Burnout und Depressionen stehen dabei stark im Vordergrund. 

Etwa 60 Prozent der Männer sowie 45 Prozent der Frauen sind übergewichtig und fast ein Viertel der Erwachsenen leidet bereits an Adipositas, an starkem Übergewicht. Diese Zahlen steigen seit Jahren. Schuld daran sind nicht nur falsche Ernährungsgewohnheiten und Bewegungsmangel. Genetische Faktoren sowie Prägungen bereits in der Schwangerschaft rücken immer stärker in den Blick. Adipositas ist eine eigenständige Erkrankung, die seit 2020 auch in Deutschland nach ICD-10-Klassifizierung anerkannt ist. Gefürchtet sind nicht zuletzt die vielen möglichen Folgeerkrankungen, darunter Typ-2-Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, einige Krebsarten sowie Erkrankungen des Muskel-Skelett-Systems. Besonders besorgniserregend ist der Anstieg des Übergewichts bei Kindern und Jugendlichen. Begünstigt wird die Erkrankung hier unter anderem durch ein hohes Gewicht der Eltern und wiederum durch sozioökonomische Faktoren wie ein niedriges Bildungs- und Einkommensniveau in den Familien.
 

STEIGENDE ZAHLEN


Etwa 8,7 Millionen Menschen sind Zahlen der Deutschen Diabetes-Hilfe zufolge von Diabetes betroffen, die Mehrheit davon vom Typ-2-Diabetes. Hinzu kommt eine hohe Dunkelziffer. Gleichzeitig wächst die Zahl der Betroffenen rapide. Die Stoffwechselerkrankung wird jährlich bei über einer halben Million Erwachsener neu diagnostiziert. Ungefähr die Hälfte der Menschen mit Typ-2- Diabetes kann durch Ernährungsumstellung, Gewichtsabnahme, spezielle Schulungen und Bewegung behandelt werden. Weitere 40 bis 50 Prozent erhalten blutzuckersenkende Tabletten und über 1,5 Millionen benötigen Insulin. 
 

Illustration: Stephanie Hofmann
Illustration: Stephanie Hofmann

Die häufigste Todesursache in Deutschland sind nach wie vor Herz-Kreislauf-Erkrankungen, wie koronare Herzkrankheit, Herzinfarkt oder Schlaganfälle. Begünstigt werden sie durch Risikofaktoren wie Bluthochdruck, einen zu hohen Cholesterinspiegel und wiederum durch Übergewicht. Als wirksame Präventionsmaßnahmen gelten in Bezug auf die Lebensstilfaktoren Rauchentwöhnung, bessere Stressbewältigung, mehr Bewegung und gesunde Ernährung. Leider ist auch die Häufigkeit von Krebserkrankungen in Deutschland in den letzten Jahren gestiegen. Brustkrebs bei Frauen, Prostatakrebs, Darmkrebs und Lungenkrebs sind dabei die meistgestellten Diagnosen. Doch es gibt auch gute Nachrichten: Die Anzahl jener, die an Krebs sterben, geht zurück. Auch hier spielt bei der Prävention ein gesunder Lebensstil eine wichtige Rolle ebenso wie die Früherkennung, etwa durch Screening-Programme.
 
Zunehmend wird personalisierte Medizin eingesetzt, die genetische Informationen nutzt, um präzisere, individuell zugeschnittene Behandlungspläne zu entwickeln. Außerdem können Risikofaktoren für viele Krankheiten, darunter auch für einige Krebsarten, durch die Analyse des genetischen Profils frühzeitig erkannt werden. 

Geht es um die Gesundheit der Deutschen, wird zwangsläufig auch der Rücken zum Thema. Etwa 80 Prozent leiden mindestens einmal in ihrem Leben an starken Rückenschmerzen. Diese sind dann eine der häufigsten Ursachen für Arbeitsunfähigkeit. Bewegungsmangel, falsche Haltung und Stress zählen zu den Ursachen, aber auch Übergewicht und auch hier sozioökonomische Faktoren wie Bildung, Beschäftigung oder Einkommen. Krankgeschrieben werden die Deutschen zuletzt immer öfter auch aufgrund psychischer Erkrankungen. Jedes Jahr sind rund 17,8 Millionen betroffen, von denen nur knapp 19 Prozent Kontakt zu Behandelnden aufnehmen. Die Spitze psychischer Erkrankungen bilden Angststörungen, aber auch Depressionen und die Folgen von Alkohol- oder Medikamentenkonsum.
 

NEUE TECHNOLOGIEN


Im Kontrast zu den Volkskrankheiten stehen sogenannte seltene Erkrankungen, von denen laut RKI hierzulande rund vier Millionen Menschen betroffen sind. In der EU gilt eine Krankheit als selten, wenn weniger als fünf von 10.000 Menschen von ihr betroffen sind. Beispiele sind das Marfan-Syndrom, eine systemische Erkrankung des Bindegewebes, oder Krebsarten wie Weichteilsarkome oder Morbus Hodgkin. Die Diagnose dieser Krankheiten ist schwierig. Patienten und Patientinnen durchlaufen oft jahrelange Ärzte-Odysseen. Hoffnung setzt die Medizin unter anderem auf neue Ansätze in der personalisierten Therapie oder auf die Nutzung Künstlicher Intelligenz in der Diagnostik.

Neue Technologien helfen auch chronisch Kranken. Herzpatient:innen etwa profitieren schon heute von sogenannten Wearables, die Parameter wie Herzfrequenz, die Sauerstoffsättigung des Blutes oder die Schlafqualität überwachen. Apps und digitale Plattformen können bei der Förderung der mentalen Gesundheit unterstützen. Viele dieser Digitalen Gesundheitsanwendungen (DiGAs) sind auf Rezept erhältlich. Und für mehr Gesundheitsgerechtigkeit soll das 2015 verabschiedete Präventionsgesetz zur Stärkung der Gesundheitsförderung und der Prävention sorgen, indem es niedrigschwellige Angebote für sozial benachteiligte Bevölkerungsgruppen fördert und in den Lebenswelten der Menschen bereitstellt. Beispiele sind Programme zu Bewegungsförderung und gesunder Ernährung an Schulen und Kitas, aber auch von Krankenkassen finanzierte Kurse zur Rauchentwöhnung.

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