Blick ins Innere

Bilder vom Inneren des Menschen haben in der Medizin eine herausragende Bedeutung. Inzwischen sind sie so komplex, dass Künstliche Intelligenz bei der Auswertung hilft.
Illustrationen: Maria Corbi Illustration
Dr. Ulrike Schupp Redaktion

Wer in so einer Situation noch cool genug dafür bleibt, kann eine Katheter-Untersuchung am eigenen Herzen am Bildschirm und in Echtzeit mitverfolgen. Er sieht, wie die Ärztin einen spaghettidünnen Plastikschlauch über eines der großen Blutgefäße immer weiter bis zum Herzen vorschiebt und dabei verengte oder gänzlich verstopfte Adern erkennt, die die lebensnotwendige Durchblutung verhindern. Der Patient ist auch dann live dabei, wenn sie diese Gefäße wieder aufdehnt und mit stabilisierenden, winzigen Metall- oder Kunstfaserröhrchen, den Stents, ausrüstet, um ihm damit wahrscheinlich gerade das Leben zu retten. Bei alledem spürt er so gut wie nichts, die Gefäßinnenwände haben zum Glück keine Schmerzrezeptoren. 30 Minuten und länger dauert ein solcher Eingriff, bei dem gleichzeitig ein Röntgenkontrastmittel gespritzt wird, durch das Herzkammer und Herzkranzgefäße besser zu erkennen sind.


Inzwischen gehören medizinische Bilder von Befunden im Inneren des Körpers zum Behandlungsalltag und kommen in fast allen Fachgebieten zum Einsatz. Die Röntgenstrahlen entdeckte Wilhelm Conrad Röntgen Ende des 19. Jahrhunderts eher per Zufall und setzte damit eine medizinische Revolution in Gang. Schlagartig war es möglich, in das Innere des Menschen zu blicken – und zwar ohne Messer und Skalpell. Bis heute wurden die bildgebenden Verfahren unentwegt weiterentwickelt und, nicht zuletzt durch ausgefeilte Informationstechnologien, immer präziser im Ergebnis. Bei der Computertomographie (CT), die zum Beispiel in der Krebsmedizin hilft, den Verdacht auf eine Tumorerkrankung abzuklären, kommen auch Röntgenstrahlen zum Einsatz. Klassische Röntgenbilder entstehen dagegen beim Zahnarzt, wenn dieser sich einen genaueren Eindruck von Zähnen und Kiefer verschaffen will. Ultraschalluntersuchungen und Magnetresonanztomographien (MRT) funktionieren sogar strahlenfrei. Und eine molekulare Bildgebung kann Stoffwechselprozesse in den Zellen sichtbar machen.


Trotz medizinischer Erfolge stehen bildgebende Verfahren gelegentlich in der Kritik. Strahlenexposition gilt als Risiko und zwar vor allem für Babys, Kleinkinder und Schwangere. Ältere Menschen oder Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion, Diabetes oder anderen chronischen Krankheiten vertragen die Kontrastmittel oft nicht. Gleichzeitig sind die medizinischen Bilder inzwischen so komplex, dass es für das Auge fast unmöglich ist, alle Details wahrzunehmen. Künstliche Intelligenz wird hier zunehmend zum Hoffnungsträger. Selbstlernende Programme übernehmen die Sondierung des Bildmaterials. Der Arzt schaut sich dann vor allem die markierten Bildpunkte an. Zusätzlich werden Daten aus anderen Untersuchungen von den intelligenten Programmen zusammengetragen und selektiert, um Ärzte diagnostisch zu unterstützen. KI-Lösungen gibt es unter anderem schon für die Notaufnahme, den OP und auch das konventionelle Röntgen. Sie können Wiederholungsaufnahmen reduzieren und so das Strahlenrisiko verringern. ■

 

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