Hoher Zucker: schlecht fürs Herz

Diabetes kann eine Reihe schwerer Folgeerkrankungen auslösen – unter anderem besteht erhöhtes Risiko für Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems. Umso wichtiger ist eine rechtzeitige Diagnose und die dauerhafte Behandlung. 

Illustration: Stephanie Hofmann
Illustration: Stephanie Hofmann
Dr. Ulrike Schupp Redaktion

Rund 11 Millionen Menschen in Deutschland leiden – nach Zahlen der Deutschen Diabetes-Hilfe – an Diabetes. Etwa 372.000 davon sind vom unheilbaren Typ-1 betroffen und 8,7 Millionen von Typ-2. Hinzu kommt eine hohe Dunkelziffer. Etwa zwei Millionen Menschen wissen nicht, dass sie bereits an Diabetes Typ-2 erkrankt sind. Kein Wunder, denn erste Anzeichen wie ständiger Durst, Dauermüdigkeit, Schwindel oder häufige Infekte lassen bei den wenigsten gleich die Alarmglocken schrillen. Dass Diabetes oft viel zu lange unbemerkt bleibt, ist jedoch gefährlich. Es verringert die Heilungschancen bei Typ-2 und erhöht die Wahrscheinlichkeit für schwere Folgekomplikationen.


Genetik und Lebenswandel
 

Alle Formen von Diabetes gehen mit einer Überzuckerung des Blutes einher. Typ-1 ist eine Autoimmunerkrankung. Betroffenen fehlt das Hormon Insulin, das dafür sorgt, dass Glukose, die aus der Nahrung aufgenommen wird, in die Körperzellen transportiert wird, die sie in Energie umwandeln. Die körpereigene Abwehr zerstört genau die Zellen, die in der Bauchspeicheldrüse Insulin produzieren sollen. Ihre Diagnose erhalten die Betroffenen meist schon als Kinder. Sie müssen lebenslang ihre Blutzuckerwerte kontrollieren, um die Werte im Normbereich zu halten, und regelmäßig Insulin spritzen. Die Erkrankung ist vor allem genetisch bedingt. Das Vorurteil, die Kinder würden zu viel Süßes essen, stimmt einfach nicht. Beim Monitoring der Blutzuckerwerte wird heute nur noch selten Blut aus der Fingerkuppe entnommen. Minisensoren am Oberarm oder am Bauch messen die Glukosewerte im Unterhautfettgewebe und senden sie an Smartphone oder Smartwatch, die Alarm schlagen, sollten die Grenzwerte überschritten werden.

Typ-2 Diabetes entsteht oft später im Leben und ist eine schwere Stoffwechselerkrankung. Die Zellen, die das Insulin produzieren, liefern zu wenig, oder aber die Körperzellen reagieren nicht mehr stark genug auf das angebotene Insulin. Neben genetischen Faktoren spielen bei der Entstehung von Diabetes Typ-2 Lebensstilfaktoren eine Rolle, allen voran Stress, ungesunde Ernährung, Übergewicht und Bewegungsmangel. Diabetes Typ-2 ist eine der häufigsten Ursachen für Nierenversagen sowie Dialysepflichtigkeit und sie kann zur Erblindung führen. Jeder oder jede zweite Betroffene stirbt jedoch verfrüht an einer vaskulären Erkrankung und läuft Gefahr, neben dem Diabetes eine Herz-Kreislauf-Erkrankung zu entwickeln. 


Herz in Gefahr
 

Das kardiovaskuläre Risiko steigt durch zu hohen Blutdruck und verstärkte Plaque-Bildung, „Verkalkungen“, an den Innenwänden der Blutgefäße. Die schädlichen Ablagerungen bestehen aus Fetten, aus Cholesterin und Bindegewebe. Sie führen nach und nach zu einer Verengung der Blutgefäße. Gefördert wird das bei Diabetikern und Diabetikerinnen durch den hohen Blutzucker. Reißen die Plaques ein, können sich Thromben lösen, die die Gefäße komplett verschließen. Ein Gefäßverschluss der koronaren Arterien löst einen Herzinfarkt aus. Die Überlebensrate von Menschen mit Diabetes ist nach einem Infarkt schlechter als bei Stoffwechselgesunden. Auch nach einem Schlaganfall ist ihre Prognose wesentlich ungünstiger. Wie US-amerikanische Forscher und Forscherinnen in Rahmen einer Studie zeigen konnten, litten von 2334 Erwachsenen mit Typ-2-Diabetes 14,2 Prozent an einer Herz-Kreislauf-Erkrankung. Bei den Männern förderten vor allem höheres Alter, Rauchen, Bluthochdruck und hohe Cholesterinwerte das Entstehen von Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Risikofaktoren für Frauen sind Bluthochdruck und eine zu lange Schlafdauer, die den Energiestoffwechsel negativ beeinflusst. Das Risiko, einen Schlaganfall zu erleiden, ist bei Diabetikern und Diabetikerinnen im Vergleich zu Gesunden zwei- bis viermal so hoch. Durch Bluthochdruck verzehnfacht es sich sogar. Es steigt weiter, wenn der Blutzucker schlecht eingestellt ist. Jeder fünfte Patient, der einen Schlaganfall erlitten hat, hat auch Diabetes. Und auch Vorstufen eines Typ-2 sind bereits mit einem erhöhten kardiovaskulären Risiko verbunden. 

Illustration: Stephanie Hofmann
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Illustration: Stephanie Hofmann
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Heute stehen die Chancen auf Heilung oder zumindest auf eine Verbesserung der Prognose bei Typ-2 allerdings ziemlich gut, vorausgesetzt, die Erkrankung wird rechtzeitig erkannt. Lebensstilveränderungen, der Einsatz von Antidiabetika und Insulin sowie die regelmäßige Kontrolle der Blutwerte sind bei der Behandlung Mittel der Wahl. Aufgrund möglicher Folgeerkrankungen geht es aber nicht nur darum, den Blutzucker zu senken. Hohe Cholesterinwerte, Bluthochdruck und Übergewicht müssen vermieden werden, um Herz und Kreislauf zu schützen.


Gewichtsabnahme und Sport
 

Durch Gewichtsverlust gelingt es, den Diabetes zumindest vorübergehend zu stoppen, bewies der britische Diabetesforscher Roy Taylor bereits 2018. Für Schlagzeilen sorgte jüngst erst die sogenannte „Abnehmspritze“. Einmal pro Woche injiziert, kann ein Medikament, das den Wirkstoff Semaglutid enthält, das Körpergewicht in etwa eineinhalb Jahren im Schnitt um 10 bis 15 Prozent reduzieren. Mediziner befürchten allerdings vor allem einen Missbrauch des Medikaments. Professor Michael Roden vom Deutschen Diabetes-Zentrum warnte anlässlich des diesjährigen Weltdiabetestages vor einem Verknappungsproblem. Die Gefahr sei, dass die Präparate außerhalb der Zulassung als „Lifestyleprodukt“ verwendet werden. „Diejenigen, die es dringend benötigen, erhalten das Präparat nicht. Oftmals spiegeln uns Betroffene zurück, dass das Medikament in vielen Apotheken derzeit nicht oder nur eingeschränkt verfügbar ist.“ Einfache Maßnahmen zur Gewichtsreduktion seien ausgewogene, gesunde Ernährung und körperliche Bewegung.

Dass moderater Sport so wichtig ist, liegt auch daran, dass sich die Arbeit der Muskeln und die Wirkung des Hormons Insulin stärker beeinflussen als bisher vermutet. Menschen mit Typ-2-Diabetes können durch gezielte körperliche Aktivität ihren Blutglukosespiegel senken und so das Fortschreiten der Erkrankung bis zu einem gewissen Grad verlangsamen. Ein Team von Forschenden am Deutschen Diabetes-Zentrum (DDZ) in Düsseldorf fand bei der Untersuchung der Muskelzellen nämlich einen alternativen Signalweg, mit dem die Glukoseaufnahme im Muskel auch bei Insulinresistenz und Typ-2-Diabetes aktiviert werden kann. Dieser natürliche „Reserve-Mechanismus“ soll weiter erforscht werden, damit er für die Entwicklung neuartiger Wirkstoffe zur Behandlung von Insulinresistenz und Diabetes genutzt werden kann. 


Regelmäßige Check-Ups
 

Der gesunde Lebensstil spielt sowohl bei der Prävention von Diabetes und von Herz-Kreislauf-Erkrankungen als auch für den Verlauf der Erkrankungen eine wichtige Rolle. Bei der Ernährung gelten viel Gemüse, Vollkornprodukte und gesunde Fette, wie zum Beispiel Olivenöl, als klare Empfehlung. No-Gos sind häufiger Alkoholgenuss und Nikotin, dauerhaft zu wenig oder auch zu viel Schlaf. Oft führt eine vegetarische Ernährung zu einer Verbesserung des Fettstoffwechsels und der Blutzuckerwerte. Sie reduziert gleichzeitig noch eventuelles Übergewicht. Apfelessig und Bockshornklee können ebenfalls dazu beitragen, den Blutzuckerspiegel von Menschen mit Typ-2-Diabetes zu senken. 

Wichtig ist: Wer an Diabetes leidet, muss sich regelmäßig im Hinblick auf Folgeerkrankungen durch­checken lassen. 
 

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