Adipositas – und jetzt?

Der Übergang vom Übergewicht zur Adipositas verläuft oft schleichend. Dabei gilt die Fettleibigkeit als Risikofaktor für mehr als 60 Folgekrankheiten.
Illustration: Maria Martin
Illustration: Maria Martin
Iunia Mihu Redaktion

Adipositas ist der medizinische Fachbegriff für starkes Übergewicht. Umgangssprachlich sagt man auch Fettleibigkeit dazu. Von Adipositas spricht man, wenn der Fettanteil im Körper übermäßig hoch ist. Dazu kommt es, wenn etwa die aufgenommene Nahrung sehr kalorienreich ist und mehr Energie enthält, als der Körper durch Bewegung und Stoffwechselprozesse verbrennen kann.  


Ermittelt wird der Fettanteil im Körper mithilfe des sogenannten Body-Mass-Index (BMI), eine von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) festgelegten Klassifizierung. Dabei wird das Verhältnis von Körpergewicht zu Körpergröße errechnet. Von Übergewicht, also der Vorstufe von Adipositas, spricht man ab einem BMI von 25 bis 29,9, ab einem BMI von 30 von Adipositas. Die Adipositas wird dann in drei Schweregrade eingeteilt. Das Risiko, an einer Folgeerkrankung zu erkranken, ist für Betroffene mit Adipositas Grad III (BMI von 40 und mehr) besonders hoch. Der BMI kann allerdings auch ungenau sein, da bei dieser Berechnung nicht zwischen Muskelmasse und Fett unterschieden wird. So kann es  zum Beispiel sein, dass sehr athletische Menschen einen hohen BMI haben.


Neben dem BMI, ist auch das Fettverteilungsmuster entscheidend. Ein hohes Erkrankungsrisiko haben etwa Menschen mit ausgeprägtem Bauchfett (der sogenannte Apfeltyp). Um das Gesundheitsrisiko besser einschätzen zu können, zieht man auch den Taillenumfang in Betracht: Bei einem Taillenumfang größer als 88 Zentimeter bei Frauen oder 102 Zentimeter bei Männern liegt eine sogenannte abdominale, also bauchbetonte, Adipositas vor. Experten empfehlen, bei einem BMI über 25 immer auch den Taillenumfang zu messen. Fettpolster an Gesäß und Beinen sind hingegen weniger schädlich (das ist der Birnentyp).


Adipositas wird inzwischen als chronische Erkrankung eingestuft – ähnlich wie Diabetes Typ 2 und Bluthochdruck. Je mehr die Waage anzeigt, desto höher das Risiko, Folgeerkrankungen zu entwickeln. Adipositas gilt als Risikofaktor für mehr als 60 Folgekrankheiten. Je nach Schweregrad ist die Lebenserwartung um bis zu zwölf Jahre verkürzt. Adipositas ist behandelbar, aber nicht heilbar.

 

Adipositas ist eine Volkskrankheit

 

Das Robert Koch Institut (RKI) hat ermittelt, dass rund zwei Drittel der Männer (67 Prozent) und die Hälfte der Frauen (53 Prozent) in Deutschland übergewichtig sind. Ein Viertel der Erwachsenen (23 Prozent der Männer und 24 Prozent der Frauen) sind laut Experten stark übergewichtig, also adipös. Immer öfter sind auch junge Erwachsene betroffen sowie Kinder – noch ist Adipositas im deutschen Gesundheitssystem nicht als eigenständige Krankheit anerkannt. Ein  entsprechender Gesetzentwurf tritt vermutlich im kommenden Jahr in Kraft.


Die WHO hat Adipositas bereits seit 2000 als Krankheit anerkannt, auch viele europäische Länder sind da schon weiter. Für Betroffene in Deutschland ist das schwierig, weil die Therapien der Adipositas dadurch keine Regelleistungen der Krankenkassen sind. „Das hat zur Folge, dass für hilfesuchende Patienten kaum eine strukturierte Grundversorgung vorhanden ist und empfohlene multimodale Therapieprogramme nicht flächendeckend verfügbar sind“, so die Deutsche Adipositas Gesellschaft (DAG). Experten kritisieren, dass Ursachen oft unbehandelt blieben – die Regel seien eher verspätete sowie kostenintensive Behandlungen der Begleit- und Folgeerscheinungen. Die Kostenübernahme durch Krankenkassen für chirurgisch notwendige Eingriffe bei stark adipösen Patienten (z.B. eine Magenverkleinerung), sei meist eine Einzelfallentscheidung. Oft müssen Patienten dafür erst einmal in Vorleistung gehen, kritisiert die DAG.


Die Ursachen der Adipositas sind vielfältig, komplex und individuell. Demografische, genetische, familiäre Faktoren können ebenso eine Rolle spielen, wie die Lebensumstände oder das erlernte Ernährungsverhalten. Zwar geht es in der Behandlung darum, dauerhaft das Gewicht zu reduzieren, aber mit bloßem Abnehmen ist es nicht getan. Weil die Ursachen oft vielfältig sind, setzt auch der Therapieansatz auf mehreren Ebenen an. Gemäß der S3-Leitlinie zur „Prävention und Therapie der Adipositas“ bei Erwachsenen gilt die multimodale Therapie als Basistherapie. Multimodal heißt in dem Fall: Ernährungstherapie, Bewegungstherapie und Verhaltenstherapie.

 

Wann wird aus Adipositas ein Diabetes mellitus?

 

Adipositas und Diabetes – diese beiden Krankheiten sind ein Zwillingspaar, sagt Prof. Monika Kellerer, Präsidentin der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG). Tatsächlich entwickeln sich die Krankheiten seit Jahren parallel: Sowohl Übergewicht und Adipositas als auch die Zahl der Neuerkrankungen mit einem Diabetes mellitus Typ 2 nehmen in Deutschland seit Jahren zu. Dass diese Entwicklungen parallel verlaufen, ist kein Zufall. Adipositas ist nämlich einer der wichtigsten Risikofaktoren für Diabetes Typ 2. Nach Angaben der DDG sind Menschen mit Adipositas sechs- bis zehnmal so häufig von einem Typ-2-Diabetes betroffen wie Menschen mit Normalgewicht.


So wie bei der Adipositas, entsteht auch der Typ-2-Diabetes nicht über Nacht. Und viele Faktoren können eine Rolle spielen. Meist ist der Stoffwechsel zunehmend gestört, und das über viele Jahre unbemerkt. Die Rede ist vom sogenannten „metabolischen Syndrom“, in der Fachwelt auch Insulinresistenz-Syndrom genannt. Dieses gilt in den meisten Fällen als Vorläufer für Diabetes. Der Begriff beschreibt das gemeinsame Auftreten mehrerer Leiden: Bauchbetontes Übergewicht, erhöhter Nüchternblutzucker sowie erhöhte Blutfettwerte sowie Bluthochdruck. Und fast immer geht dem Diabetes eine nicht-alkoholische Fettleber (NAFL) voraus. Das Besondere an diesen beiden Krankheiten: Fettleber und Diabetes können gegenseitig Auslöser und Folge sein.


Um Adipositas und Diabetes zurückzudrängen, braucht es auch einen entsprechenden politischen Rahmen. Das sogenannte Disease Management Program (DMP)  könnte schon ab 2022 greifen. Adipositas wäre dann als chronische Krankheit anerkannt, Betroffene würden von gezielten Maßnahmen zur Prävention und Behandlung von Adipositas profitieren.

 

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