Bewegungsmelder mit Meeresrauschen

Das heimische Badezimmer wird von der unspektakulären Nasszelle zum privaten Spa. Design-Profis und Sanitärbranche propagieren vor allem Wohnlichkeit, Nachhaltigkeit und Smartness.
Illustration: Nicole Pfeiffer
Illustration: Nicole Pfeiffer
Andrea Hessler Redaktion

Der schwäbische Priester Sebastian Kneipp war überzeugt, dass das Wasser ihn von der Tuberkulose heilte. Er sagte: „Lernt das Wasser richtig kennen und es wird euch stets ein verlässlicher Freund sein.“

Kneipps Einstellung war im 19. Jahrhundert nicht neu, aber auch nicht selbstverständlich. Bereits tausende Jahre vor Beginn unserer Zeitrechnung erfrischten oder wärmten sich Menschen mit kühlem oder erhitztem Wasser. Die ägyptische Königin Kleopatra soll in Eselsmilch gebadet haben. Im Rom und Griechenland der Antike verlustierten sich Menschen aller Schichten in öffentlichen Thermen, eine frühe Form von Spaßbädern. Man schwitzte und plantschte, debattierte, genoss kulinarische Köstlichkeiten und ließ sich massieren.

Private Badezimmer waren allerdings lange Zeit ein Privileg der Wohlhabenden, denn Becken und Wannen aus Marmor, Porzellan und Emaille waren teuer. Erst im Verlauf des vergangenen Jahrhunderts erhielten die meisten Häuser und Wohnungen in den Industriestaaten separate Räume, in die sich die Bewohner zur Körperpflege zurückziehen konn- ten. Doch erst Mitte des 20. Jahrhunderts planten Architekten in Häusern standardmäßig sogenannte Nasszellen ein, meist kleine und enge Räume, in denen auf kleinster Grundfläche Wanne, Toilette und Waschbecken installiert wurden. Wichtig waren Funktionalität, Hygiene und Sauberkeit, das Design spielte noch kaum eine Rolle.

VOLLWERTIGER WOHNRAUM

In den 1960er- und 1970er-Jahren kamen Gestaltung und neue Materialien aus Metall und Kunststoff sowie bunte Farben ins Spiel. Auf den Kacheln über der Spüle in der Küche blühten Pril-Blumen, in den Bädern glänzten dunkelgrüne, pinkfarbene und violette Fliesen und Badmöbel wurden zu ähnlich wichtigen Einrichtungsgegenstän- den wie Essgruppe und Schrankwand. Das Badezimmer entwickelte sich Schritt für Schritt zum vollwertigen Lebens- und Wohnraum.

Wegweisend waren, wie so oft im Bereich Design, italienische Unternehmen. Auch heute noch sind Hersteller wie Boffi und Agape Trendsetter und bestimmen den Design-Geschmack. So hat etwa Boffi Badschränke und Wannen aus transparentem Floatglas im Programm, die das Badezimmer optisch größer wirken lassen. Boffi-Kreativdirektor Piero Lissoni sagt: „Wir wollen das Ritual des Reinigens und das Element Wasser zelebrieren.“

Längst haben auch deutsche Designer und Hersteller von Bad- möbeln, Sanitärkeramik und Armaturen aufgeholt. Christian Sieger ist gemeinsam mit seinem Bruder Michael Inhaber und Chef des Unternehmens Sieger Design im münsterländischen Sassenberg. Ein wichtiger Zweig ihrer Gestaltungsaktivitäten ist seit Langem das Bad. Sieger Design entwirft unter anderem optimierte Bad- grundrisse für jede Badgröße, Armaturen für Dornbracht und Komplettbadserien für Duravit.

„Die Badbranche boomt“, sagt Christian Sieger, „das Wachstum wird nur behindert durch den Fachkräftemangel.“ Von diesen be- richtet auch der Zentralverband Sanitär Heizung Klima (ZVSHK). In der jüngsten Umfrage des ZVSHK aus dem Winter 2021/22 haben die SHK-Betriebe 68.000 offene Stellen gemeldet, davon 41.000 an fehlendem technischen Personal. „Insgesamt entgingen uns dadurch im Jahr 2021 9 Milliarden Euro an zusätzlicher Umsatzleistung“, beklagt ZVSHK-Präsident Michael Hilpert.

DUSCHE WIRD WICHTIGER

Wer sich entschließt, die eigene Immobilie durch eine Badsanierung aufzuwerten, muss unter Umständen mit Wartezeiten rechnen. Es gibt einen Run auf Badausstatter, Fliesen- und Armaturenhändler, denn das Bad entwickelt sich zum Statussymbol. „Früher hat man den Freunden Fotos vom neuen Auto gezeigt, heute präsentiert man stolz das Hightech-WC“, so Christian Sieger. Er beobachtet seit Langem die sich verändernden Bedürfnisse der Verbraucher, sieht Trends zum eigenständigen Pflegen der Gesundheit, wie es schon Pfarrer Kneipp vor 150 Jahren vormachte. „Die Dusche hat enorm an Bedeutung gewonnen. Wir wollen unsere eigenen Wasser-Treatments, echte Duscherlebnisse mit unterschiedlichen Stärken des Wasserstrahls vom sanften Regen bis zur kräftigen Massage. Auch die Seitenbrausen, die in den 1980er-Jahren po- pulär waren, erleben gerade eine Renaissance.“ Regenduschen, Dampfdüsen und beheizte Sitzbänke sorgen für Komfort. An den Wänden finden sich statt Fliesen kunstvolle Mosaiken, Wandbilder und wasserfeste Tapeten mit Motiven aus karibischen Inselwelten oder aus dem Dschungel.

„Das Look-and-Feel im Bad ist heute anders als früher“, betont Christian Sieger. „Dazu gehören etwa Tapeten mit jungen, trendigen Dekors sowie Fußböden mit wärmeren Materialien wie Parkett und Lehmputze. Statt weißer Keramik liegen Erdtöne und Zweifarbig- keit im Trend.“ Entscheidend ist es, so die Branche unisono, einen echten Lebensraum passend zur individuellen Lebenssituation zu schaffen, der Kontemplation und Kommunikation ermöglicht. Nicht immer muss für Zehntausende Euro alles neu gemacht werden. Ein wohnlicheres Ambiente lässt sich häufig schon mit schönem Licht, Pflanzen und Bildern herstellen. Ein Bewegungsmelder mit Meeresrauschen kann für nahezu echtes Urlaubsfeeling sorgen.

Sogar die lange vernachlässigte Toilette erlebt gerade einen In- novationsschub. Wer beim nächtlichen Toilettengang nicht durch die Festbeleuchtung im Badezimmer geblendet werden will, kann sich für dezente Lämpchen am WC, für ein Bedienpanel mit sanfter Hinterbeleuchtung oder für innen beleuchtete WC-Schüsseln entscheiden. Doch das progressivste Thema ist aktuell das WC mit Sprühfunktion. Im arabischen und asiatischen Raum ist es seit ewigen Zeit üblich, sich nach dem Toilettengang abzubrausen. Jetzt lernen auch die Europäer das papierlose Wasserklosett, etwa das Modell „SensoWash“ von Duravit, zu schätzen. Diese Art der Reinigung ist hygienischer und ökologischer als Papier und unter- stützt damit einen weiteren wichtigen Trend bei der Neukonzeption des Badezimmers: die Beachtung ökologischer Gesichtspunkte. Einige Unternehmen der Badbranche achten bereits darauf, möglichst klimaneutral zu agieren. Für Verbraucher werden das Wasser- und Energiesparen sowie schmutzabweisende Oberflächen und die smarte Regelung von Temperatur, Luftfeuchtigkeit und Kohlendioxid-Konzentration immer wichtiger.

TECHNIK IST NICHT ALLES

Viele Neuheiten in Design und Technik werden zunächst im gewerblichen Bereich eingesetzt. Dies gilt auch für Armaturen. „In Skandinavien gibt es – zu Recht – sehr strenge Vorgaben für die Wasserdurchflussmenge, die wir für das Projekt einhalten muss- ten“, erläutert Innenarchitekt Richard McConkey von Universal Studios, die für die Gestaltung des Hotels Villa Copenhagen in der dänischen Hauptstadt verantwortlich waren. Sie beauftragten die deutsche Hansgrohe SE aus dem schwäbischen Schiltach mit ihrer Luxus-Reihe Axor, passende Armaturen zu entwickeln. Doch Technik ist nicht alles. Immer schon bieten Hotels und Restaurants auch optisch einen Blick in die nahe Zukunft. „Wir haben uns für die Montreux-Kollektion entschieden, weil wir nach einem Produkt gesucht haben, das ein traditionelles Gefühl vermittelt, aber dennoch zeitgemäß ist, vor allem mit der schwarz verchromten Oberfläche“, erläutert Richard McConkey. Auch Christian Sieger sieht Hochglanz-Chrom auf dem Rückzug. „Im Kommen sind Messing, Dark Platinum und das Thema Schwarz samt Industrie-Look“, beobachtet der Design-Profi.

Industrie-Look oder orientalische Pracht – wenn ein Bauherr bereit ist, viel Geld zu investieren, sind dem Luxus keine Grenzen gesetzt. In den acht Shamballa-Suiten der Villa Copenhagen, die von der dänischen Luxusmarke Shamballa Jewels entworfen wurden, sind die Armaturen mit einem Rubin und einem Saphir besetzt, welche heißes und kaltes Wasser symbolisieren. Auch Kleopatra hätte diese edle Badausstattung sicherlich gut gefallen.

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