Polytetrafluorethen, kurz PTFE, besteht aus Fluor und Kohlenstoff. Normalbürger kennen den Kunststoff meist unter seinem Handelsnamen der Firma DuPont: Teflon. Weltmarktführer für Hightech-Membrane aus Teflon ist die recht außergewöhnliche Firma W. L. Gore, Hauptsitz Newark, im US-Bundesstaat Delaware. Außergewöhnlich deshalb, weil W. L. Gore konventionelle Führung völlig ablehnt. Obwohl das Unternehmen mit weltweit 8.400 Mitarbeitern längst Konzerngröße erreicht hat, gibt es keine formalen Hierarchieebenen. Die Mitarbeiter nennen sich Associates, also Partner, die auf Projektebene kooperieren. Für den jeweiligen Projektzeitraum werden die Führungskräfte von ihren Teams gewählt.
W.L. Gore ist, das muss man einräumen, eine Ausnahmeerscheinung. Nicht einmal im deutschen Mittelstand wird man viele ähnliche Modelle finden, obwohl er doch mit seinen traditionell flachen Hierarchien wirbt. Sicher, der familiengeführte, oftmals durch eine starke Führungsfigur geprägte Mittelstand ist ein Auslaufmodell. Doch obwohl viele Unternehmensführer wissen, dass die Herausforderungen der neuen Zeit nach neuen Führungsstrukturen verlangen, geht der Umbau im Mittelstand zögerlicher voran, als es nötig wäre.
Das berichtet etwa der Mittelstandsberater Hubert Hölzl. „Viele Manager zögern mit der Erneuerung ihrer Strukturen, weil dies gefühlt einher geht mit Kontrollverlust“, so Hölzl. „Wenn sie bei Entscheidungen nicht mehr die letzte Instanz sind, erleben das viele Führungskräfte zunächst als Nachteil.“ In seinen Seminaren wirbt er für eine moderne Führungskultur, für flache Hierarchien und für mehr Eigenverantwortung. „Noch viel zu selten binden Führungskräfte ihre Mitarbeiter ein, involvieren, setzen auf Netzwerke, Eigeninitiative und Selbststeuerung.“
Als Vorbild sieht Hölzl die IT-Branche. Dort gehe die Firmenorganisation weg vom autoritäten Führungsstil, „hin zu teamorientierten und kooperativen Modellen“, bestätigt Oliver Grün, Präsident des Bundesverbands IT-Mittelstand (BITMi) und Vorstand der Grün Software AG. Einen entscheidenden Treiber für diese Entwicklung sieht er in der Dynamik der IT-Branche, die sich schnellen globalen Veränderungsprozessen ausgesetzt sieht. „Ein Produkt, das man anbietet, ist in ein, zwei Jahren bereits nicht mehr marktfähig“, so Grün. Stetige Innovation erreiche man am besten, indem man Verantwortung an die Mitarbeiter auslagere. Zweiter Treiber sei die wachsende Komplexität des Geschäftsfeldes, über das kein einzelner mehr den Überblick behalten könne. „Der Chef muss längst nicht mehr derjenige sein, der am besten einschätzen kann, welches Marktpotenzial ein Produkt hat.“
Stattdessen setzt die IT-Branche auf schlagkräftige Teams. Auch Oliver Grün hat begonnen, sein Unternehmen umzustrukturieren. In der Grün Software AG, ein Anbieter von Softwarelösungen für Spenden- und Bildungsorganisationen, wurden die alten Abteilungen aufgelöst und interdisziplinäre Teams, so genannte „Smart Enterprises“, geschaffen. Hier arbeiten Entwickler, Projektmanager, Vertriebler und Marketingleute in einem Raum zusammen - unabhängig und eigenverantwortlich. „Es sind Unternehmen in Unternehmen.“ Die Entscheidungswege in den Teams sind kurz, die Prozesse schnell: Ideen müssen nicht erst verschiedene Hierarchiestufen oder Genehmigungsverfahren passieren, sondern werden sofort diskutiert. Auch die Entscheidung, ob eine Software entwickelt wird, kann das Team sofort treffen.
Der Geschäftsführer konzentriert sich auf seine Kernaufgaben. Dazu gehören laut Oliver Grün neben der strategischen Ausrichtung und der Unternehmenskultur auch „Visionen und Werte“. Ebenso bleibe die Einstellung von Personal Chefsache, und immer noch Teile des operativen Geschäfts. „Aber im Prinzip arbeiten wir daran, dass ich als Unternehmer im operativen Geschäft möglichst überflüssig werde“, sagt Grün. Und er meint das ernst.