Analoges und digitales Messegeschäft sinnvoll kombinieren

Die direkte Kommunikation ist auch in Zeiten der Digitalisierung wichtig. Daher haben Messen nach wie vor einen hohen Stellenwert. Die Messe München allerdings treibt den Wandel zur digitalen Messegesellschaft aktiv voran.
Klaus Dittrich, Vorsitzender der Geschäftsführung Messe München
Messe München GmbH Beitrag

Herr Dittrich, brauchen wir 2020 inmitten der digitalen Transformation überhaupt noch klassische Messen?
Was wir 2020 nicht brauchen ist eine Welt, in der es immer nur „entweder oder“ heißt. Es geht darum, beide Welten optimal zu verbinden. Wir leben schon seit einigen Jahren mit der Digitalisierung, transformieren Geschäftsmodelle und erfreuen uns neuer Technologien. Das bringt ohne Frage viele Vorteile mit sich – auch für uns als Messe München. Die direkte Kommunikation und den Austausch von Angesicht zu Angesicht ersetzt das allerdings nicht.

 

Sehen das Aussteller und Besucher genauso wie Sie?
Ja, das Feedback erhalten wir immer wieder. Wir haben 2019 zum Beispiel mit der bauma, der Weltleitmesse für Bau- und Bergbaumaschinen, das beste Ergebnis ihrer 65-jährigen Geschichte erzielt. Die Besucherzahlen stiegen um etwa 40.000 auf mehr als 620.000 Besucher an – davon mehr als 250.000 aus dem Ausland. 3.700 Aussteller aus 63 Ländern waren vertreten. Und auch mit Blick auf die Ausstellungsfläche mit 614.000 Quadratmetern war es die größte bauma aller Zeiten.

 

Aber steckt da nicht ein reines „sehen und gesehen werden“ als Motivation dahinter oder wird tatsächlich auch verkauft?
Das hängt stark von der Branche ab. Die bauma ist eine Messe mit vielen Abschlüssen. Der weltgrößte Baumaschinenhersteller Caterpillar hat in diesem Jahr nicht nur 20 Weltpremieren vorgestellt, sondern auch Maschinen im Wert von 360 Millionen Euro verkauft. Bei der ISPO Munich, der Weltleitmesse des Sport-Business, steht hingegen eher die Markeninszenierung im Fokus. Individualität wird hier immer wichtiger. Es gilt, stärker auf die Bedürfnisse der Branchen, aber auch auf die Wünsche der Besucher einzugehen. Aber trotz der Erfolge heißt das natürlich nicht, dass wir uns nicht bewegen müssen.

 

Was heißt das konkret? Gehen Sie den Weg der Digitalisierung?
Ja, natürlich. Wir machen zwar aktuell den Großteil unseres Umsatzes mit dem klassischen Messegeschäft, erschließen uns parallel jedoch auch die Möglichkeiten neuer Umsatzquellen. Innerhalb der nächsten fünf Jahre sollen digitale Angebote fünf Prozent unseres Umsatzes generieren.

 

Wie sehen diese digitalen Angebote aus?
Ein Angebot ist zum Beispiel Trus-ted Targeting, das den Zugang zu führenden B2B-Entscheidern im Internet ermöglicht – unabhängig von der Website. Unser Angebot geht somit über die konkreten Veranstaltungstage hinaus. Wir entwickeln digitale Lösungen, die zwar im Kontext einer Messe stehen, aber auch unabhängig davon vermarket und gebucht werden können. Somit erschließen wir uns neue Kundenpotenziale.

 

Ist das eine der von Ihnen angesprochenen neuen Umsatzquellen?
Durchaus, und darüber freuen wir uns sehr. Zum einen buchen Kunden oft nicht nur Targetingdaten von einer, sondern gleich von mehreren Messen. Zum anderen haben wir Neukundenwachstum auch in Segmenten, die unsere Messen eher nicht bedienen.

 

Und machen Sie damit die Digitalisierung auch selber zu einem Thema für Messen, Kongresse etc.?
Absolut, denn sie hat schlicht und ergreifend in allen Branchen eine hohe Priorität. Anfang Juli 2019 haben wir beispielsweise mit dem zweiten ISPO Digitize Summit für Sportfachhändler, Hersteller und Märkte über Chancen und Wege des digitalen Wandels in der Sportbranche gesprochen. Mehr als 500 Teilnehmer waren vor Ort. Und anschließend feierte die Electronic Sports Competition, kurz ES_COM, Premiere. Es war das erste eSports- und Gaming-Festival in München und hat das Potenzial für das Sport-Business gezeigt. An drei Tagen versammelten sich mehr als 860 eSports- und Gaming-Fans sowie Influencer. Das nahezu 20-stündige Live-Programm generierte mehr als 145.000 Views im Livestream via Twitch. Insgesamt erzielte das Event eine Reichweite von 6,5 Millionen.

 

Ist die ISPO damit ein digitales Vorbild?
Ja, so kann sie bezeichnet werden. Denn neben der eigentlichen Veranstaltung und dem Digitize Summit bietet sie eine Reihe von Services und Plattformen, online und offline, die 365 Tage im Jahr, 24 Stunden am Tag von überall auf der Welt zugänglich sind. Auf dem Content-Portal ISPO.com präsentieren wir beispielsweise News und Stories aus dem internationalen Sportsbusiness. Darüber hinaus gibt es eine Open-Innovation-Plattform, über die wir Endverbraucher in die Entwicklung von Produkten einbeziehen. In der User-Experts-Community sind mittlerweile schon 50.000 internationale Nutzer registriert.

 

Vermutlich eher eine jüngere, ohnehin digital-affine Zielgruppe. Wie sieht das Interesse traditioneller Branchen an Veranstaltungen mit einem digitalen Fokus aus?
Auch hier ist die Nachfrage nach einer Plattform für digitale Produkte und Lösungen groß. Beispiel Baubranche: Das Ausstellerinteresse an der digitalBau, die wir vom 11. bis 13. Februar 2020 gemeinsam mit dem Bundesverband Bausoftware in Köln veranstalten, übertrifft unsere Erwartungen. In den Zwischenjahren der Weltleitmesse Bau wollen wir damit eine wichtige Dialogplattform für Planer, Architekten, Ingenieure, Handwerker und die gesamte Bauindustrie schaffen.

 

Ihre äußerst vielschichtigen Digitalisierungsinitiativen zeigen, dass sich die Messe München auf den Weg gemacht hat. Aber: Wird es für die Zukunft reichen?
Ich glaube, ein Schlüssel zum Erfolg ist es, das Technologie-Verständnis im Unternehmen in der Breite zu entwickeln. Und das ist keine reine Aufgabe der IT-Abteilung, sondern muss zur Chefsache erklärt werden. Wir müssen erkennen, wie die Muster digitaler Konzepte funktionieren und die richtigen Tools dafür einführen. Daran arbeiten wir kontinuierlich und ich bin überzeugt, dass wir hier auf einem guten Weg sind. Allerdings ist es ein Weg, auf dem man sich permanent bewegen muss.

 

 

www.messe-muenchen.de

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