Lohnende Pausen

Betriebliche Gesundheitsförderung (BGM) ist wichtig, aber auch anspruchsvoll. Wie es erfolgreich in den Arbeitsalltag integriert werden kann, zeigt zum Beispiel die Bundesagentur für Arbeit.
Illustration: Agata Sasiuk
Illustration: Agata Sasiuk
Heinke Kegler Redaktion

„Ein erfolgreiches BGM dient der Gesundheit und Leistungsfähigkeit aller Mitarbeiter, und es soll physischen und psychischen Belastungen vorbeugen“, meint Doris Berve-Schucht, Pressesprecherin beim Bundesministerium für Gesundheit. Doch wie sieht das erfolgreiche Gesundheitsmanagement im Betrieb eigentlich aus und wie wird es umgesetzt? So richtig intensiv scheint die Unternehmenswelt sich noch nicht mit dem Thema auseinandergesetzt zu haben: Im Rahmen der Studie „Betriebliches Gesundheitsmanagement 2016“ befragte die Pronova BKK 1.600 Arbeitnehmer – neun von zehn gaben an, sich im Job gestresst zu fühlen. Auf den ersten drei Plätzen stehen ständiger Termindruck, ein schlechtes Arbeitsklima und emotionaler Stress.

Doch es geht auch anders. Als ein Best-Practice-Beispiel kann womöglich die Bundesagentur für Arbeit herhalten. In Berlin kümmert sich unter anderem Elke Zeller um das Wohlbefinden der insgesamt rund 3.000 Mitarbeiter in den verschiedenen Arbeitsagenturen. Selbst in der Freizeit ist sie auf der Suche nach neuen Themen und Angeboten, die sich als BGM-tauglich erweisen und die Mitarbeiter motivieren könnten, noch besser auf ihre Gesundheit zu achten. „Man muss diesen Job lieben“, sagt die Fachkraft für Personalpolitik. Dass dies bei ihr der Fall ist, zeigt das große Engagement, das sie in ihre Arbeit steckt.

Zunächst wäre da der jährlich stattfindende Gesundheitstag. Dieses Jahr lautet das Motto: „Schlaf schön!“ In Zusammenarbeit mit der ärztlichen Leitung der Schlafmedizin an der Berliner Charité finden Vorträge über die Minderung von Schlafstörungen statt, es gibt Tipps zur Selbsthilfe wie beispielsweise eine geführte Traumreise, Entspannungsangebote, Yoga-Kurse oder auch eine Ernährungsberatung für das optimale Abendbrot. „Seit einigen Jahren ist das Thema Darmkrebsprävention fester Bestandteil unseres BGM. Auf einem Gesundheitstag gab es zum Beispiel ein begehbares Darm-Model, in dem sich die Mitarbeiter gesunde und erkrankte Teile anschauen konnten.“ Ohnehin steht das Thema Darmkrebs sehr weit oben auf der Agenda. Aus diesem Grund steht allen Angestellten einmal pro Jahr ein kostenloser immunologischer Test zur Verfügung. „Die Resonanz darauf ist sehr gut. Viele bedanken sich hinterher sogar persönlich“, sagt Elke Zeller.

Laut der Studie der Pronova BKK klagen 67 Prozent der Arbeitnehmer über Verspannungen im Nacken, 63 Prozent über Rückenschmerzen. Elke Zeller weiß um diese Problematik. In einigen Bereichen der Agentur für Arbeit mit Großraumbüros wurde aus diesem Grund die „Lohnende Minipause“ eingeführt. Unter Anleitung machen die Beschäftigten direkt an ihren Arbeitsplätzen 20 Minuten lang Übungen, die ihren Nacken- und Rückenbereich kräftigen, und erlernen Entspannungstechniken. Anfänglich unterrichteten ausschließlich Trainer von einem externen Anbieter. Inzwischen wurden bereits 33 Mitarbeiter intern ausgebildet, um ihren Kollegen die Übungen zu zeigen und mit ihnen durchzuführen. „Wir wollen die Leute zur Selbstbefähigung motivieren und sie direkt in die Prozesse mit einbeziehen“, meint Elke Zeller. „Die Zusammenarbeit untereinander ist sehr wichtig.“ In der Arbeitsagentur Berlin Mitte gibt es zudem einen Sportraum, der von den Angestellten außerhalb der Arbeitszeit genutzt werden kann. Zusätzlich bestehen Kooperationen mit einigen Fitnessstudios. Da viele Jobs in den Arbeitsagenturen sehr sprechintensiv sind und sich somit negativ auf Hals und Stimmbänder auswirken können, werden Stimmtrainings für die Mitarbeiter angeboten, die speziell für Sprechberufe ausgearbeitet wurden.

Auch in puncto Ernährung können sich andere Unternehmen einiges bei der Arbeitsagentur abgucken. Zum einen gibt es Kantinenkommissionen, die in regem Austausch mit den Angestellten stehen und Beschwerden oder Verbesserungswünsche annehmen: „Das kann dann dazu führen, dass das Essen mit weniger Salz zubereitet wird oder es nicht mehr so viel Fleisch gibt“, so Zeller. Darüber hinaus wurden schon einige Male Abnehmkurse angeboten, die zu deutlich sichtbaren – und dauerhaften – Erfolgen geführt haben.

Für einen effektiven Arbeitsablauf sorgt allerdings nicht nur ein Angebot an gesundem Essen, sondern vor allem auch die richtige Einstellung zu Pausen generell: Laut der Pronova BKK-Studie nehmen sich nur 40 Prozent der Angestellten täglich Zeit für eine Mittagspause, und fast jeder Dritte verlässt seinen Arbeitsplatz im Laufe des Tages nur ein einziges Mal. Häufig sind es Vorgesetzte, die dieses Verhalten vorleben – lediglich ein Fünftel von ihnen dient als Vorbild für gesundheitsförderndes Arbeiten – für ein gutes BGM alles andere als hilfreich.

Vertrauen in die Mitarbeiter, eine gute Kommunikation und der Zusammenhalt aller Beteiligten spielen eine immense Rolle. „Es ist wichtig, Führungskräfte mit ins Boot zu holen“, meint Elke Zeller. Für einige Maßnahmen müssen Mitarbeiter freigestellt werden. „Dann merken die Beschäftigten, dass nicht nur ihre Arbeit, sondern auch sie selbst wirklich wertgeschätzt werden.“ Hinzu kommt, dass Events wie der Gesundheitstag oder ein Firmenlauf auch zu einem positiven Miteinander beitragen. „Die Mitarbeiter lernen sich näher kennen und verbringen auch mal außerhalb des Büros Zeit zusammen. Gerade bei Veranstaltungen wie einem Firmenlauf bilden sie ein Team und machen sich stark für eine gemeinsame Sache.“

Elke Zeller ist froh darüber, dass die Vorhaben bei (fast) allen Seiten Anklang finden. Sie hofft, dass sich im Laufe der Zeit immer mehr Arbeitgeber über die Wichtigkeit von Betrieblichem Gesundheitsmanagement klar werden und dass der Bereich überall personell stärker ausgebaut wird. Möglichkeiten für gesundheitsfördernde Maßnahmen gäbe es auf jeden Fall genug.

 

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