Generation Zukunft

Wer den Wandel der Arbeitswelt verstehen will, tut gut daran, sich in die Bedürfnisse derjenigen einzudenken, die den Arbeitsmarkt in Zukunft prägen werden.

Illustration: Christian Sommer
Illustration: Christian Sommer
Klaus Lüber Redaktion

Man möchte ja nicht in der Haut von HR-Expertinnen und -Experten stecken. Da tobt schon seit gefühlten Jahrzehnten der sogenannte War for Talents, der Kampf um die besten Köpfe, um das eigene Unternehmen so innovativ zu gestalten, dass es auch in Zukunft erfolgreich sein kann. Und mindestens genauso lang versuchen die Firmen, sich auf die Bedürfnisse der gerade aktuellen Generation von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern einzustellen. Das Problem ist nur: Inzwischen ist die vor allem durch die Digitale Transformation ausgelöste Veränderungsdynamik so groß, dass sich ständig neue Generationen mit neuen Bedürfnissen herausbilden.

Schon die sogenannte Generation Y der etwa zwischen 1981 und 1995 Geborenen – auch Millennials genannt, weil sie etwa um die Jahrtausendwende ihr Teenageralter erreichten – sind angetreten, die Kultur in Unternehmen gehörig auf den Kopf zu stellen. Der Gen Y haben wir unter anderem die Idee der Work-Life-Balance zu verdanken, die ja auch heute noch die Debatte um eine neue Arbeitskultur prägt. Und nicht nur das: „Wir erschütterten mit unserer Sicht auf die Dinge bereits die Arbeitswelt in ihren Grundfesten“, schreibt etwa Microsoft-Managerin Annahita Esmailzadeh, selbst Angehörige der Gen Y, in „Gen Z für Entscheider:innen“, einem aktuellen Buch zum Thema. „Wir waren Vorkämpfer:innen für die Arbeitswelt der Zukunft und setzten uns etwa erbittert für Homeoffice und flexible Arbeitszeitmodelle ein.“ Im Buch reflektieren Esmailzadeh und eine Reihe anderer Expertinnen und Experten, meist in Führungspositionen, über kommende Herausforderung beim Recruiting und Management zukünftiger Talente.

Nun haben es selbst progressive Führungskräfte wie Esmailzadeh, ganz zu schweigen von älteren Semestern wie Angehörige der Gen X (geboren zwischen 1965 und 1980) oder die noch ältere Generation der Babyboomer bereits mit der neuen Generation Z (geboren zwischen 1995 und 2010) und einer neuen Bedürfnislage zu tun, die erst einmal verstanden werden will. Und das ist gar nicht so einfach. In „Gen Z“ beschreibt Managerin Esmailzadeh ihre eigene Irritation beim ersten Kontakt mit der neuen Generation. Als eine junge Bewerberin sich für ein Praktikum bei ihr vorstellte, wies diese bereits in den ersten fünf Minuten nachdrücklich auf ihr ausgeprägtes Bedürfnis nach frühem Feierabend und flexibler Rücksichtnahme auf ihr Privatleben hin. „Wie ein Flashback kamen mir damals meine eigenen ersten Vorstellungsgespräche während des Studiums in den Sinn. Derartige Forderungen, wie im Falle dieser Bewerberin, wären für mich damals absolut absurd und abwegig gewesen.“
 

»Der frühe Feierabend ist nur ein Aspekt auf einer langen Liste an Ansprüchen.«


Nun könnte man sich vielleicht denken: Was macht es bitte schön für einen Sinn, sich um Bewerber:innen zu bemühen, die mit solch einer Haltung in Bewerbungsgespräche gehen? Dann vergibt man den Job eben anderweitig. Noch dazu ist der frühe Feierabend nur ein Aspekt auf einer langen Liste an Ansprüchen bezüglich potenzieller Arbeitgeber. Immer wieder auch gerne gewünscht wird ein nachvollziehbarer Corporate Purpose. Das heißt, das Unternehmen soll sich bitte nachdrücklich an der Lösung globaler Problemlagen beteiligen, allen voran an der Bekämpfung des Klimawandels – für die eigene Motivation, aber auch für das Ansehen im privaten Netzwerk. Auch die Ansprüche an Führungskräfte sind hoch. „Die Gen Z fühlt sich von Führungskräften angezogen, die sie inspirieren, motivieren und begeistern können. Menschen, die ihnen eine Vision aufzeigen, mit der sie sich identifizieren können“, so Esmailzadeh. „Diese jungen Talente suchen keine ‚Bosse‘ – sie suchen authentische Befähiger:innen.“

Also: Einfach nicht so ernst nehmen? Und als jugendlichen Spleen einer Generation verbuchen, die mit scheinbar gigantischem Selbstbewusstsein nur eine tiefe Verunsicherung zu kaschieren versucht? Eine Verunsicherung, die sich auch darin ausdrückt, dass viele Gen-Z-ler eher auf Sicherheit setzen, als nach Herausforderung zu streben. So steht unter aktuellen Studierenden das Beamtendasein ganz hoch im Kurs, weit vor den eigentlich begehrten Jobs in der Automobilindustrie. Heiner Thorborg, Personalberater und renommierter Headhunter mit Sitz in Frankfurt am Main, schreibt dazu in seinem Beitrag für „Gen Z“: Eine Elterngeneration, die unter Erziehung nur noch Fördern, aber nicht mehr Fordern versteht, habe nicht gerade dazu beigetragen, stabile Persönlichkeiten heranzuziehen, die Lust am Gestalten haben und bereit sind, Verantwortung für wohlkalkulierte Risiken zu übernehmen, wenn der Erfolg lockt.

Aber so einfach ist es natürlich nicht. Thorborg argumentiert aus der Perspektive eines 67-jährigen Boomers. Außerdem erkennt auch er in der Unsicherheit der Gen Z eine Chance. „Unsicherheit ist eben auch Offenheit; viele Probleme tragen die Chance einer Lösung in sich, man muss sie nur entdecken; Krisen sind nicht zuletzt die Aufforderung, nach neuen Wegen zu suchen. Und dafür braucht die Welt die Jugend.“

Am schönsten bringt diesen Aspekt Julia Reuss auf den Punkt. In ihrem Beitrag für „Gen Z“ beschreibt die aktuelle Leiterin des Bereiches Public Policy Central Europe bei Facebooks Mutterkonzern Meta eine Unterhaltung unter Gen-Z-lern, die sie neulich im Zug mithören durfte. Es ging um den idealen Job, und die Gruppe einigte sich schnell auf Gen-Z-typische Ansprüche: Die Arbeit sollte Spaß machen und kreativ sein, dabei drängende globale Probleme wie Intoleranz, Klimawandel, Ungleichheit lösen, dabei fair bezahlt sein und nicht zu viel Zeit in Anspruch nehmen. Zuerst dachte Reuss: ganz schön realitätsfern! Aber je länger die Fahrt dauerte, desto nachdenklicher wurde sie. Und sie realisierte: Die hohen Ansprüche der Gen Z waren im Grunde genau dieselben Ideale, die auch sie in ihrem Job verfolgt. Und die eigentlich ja auch notwendig sind, um die dringend zu bewältigenden Herausforderungen wirksam anzugehen „Wenn niemand hinterfragt und fordert, etwas zu verändern, wie soll es dann jemals Wirklichkeit werden?“
 

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