Die Lernkultur von morgen

Wie lernen wir künftig am besten?
Patrick Brigger
GETABSTRACT Beitrag

Patrick Brigger, Mitgründer, Vorsitzender des Verwaltungsrates und COO von getAbstract, gibt Antworten mithilfe von zwei Büchern, die er empfiehlt: Wir müssen uns im Berufsalltag Wissen aneignen und sofort anwenden, wenn wir es brauchen. Technologie hilft uns zwar dabei, sie allein schafft jedoch nicht die Lernkultur, die zum ungehinderten Lernen führt.

 

Patrick Brigger ist Mitgründer und Vorsitzender des Verwaltungsrates und COO von getAbstract, einem seit 1999 aktiven Online-Wissensanbieter. Der Absolvent der ETH Lausanne (Ph.D.) und ehemalige Leiter des Signal Processing Laboratory der National Institutes of Health in Washington D.C. hatte unmittelbar vor getAbstract eine US-amerikanische Softwareentwicklungs- und IT-Beratungsfirma in New York gegründet. Gleichzeitig arbeitete Patrick Brigger damals am IBM T.J. Watson Research Center in Hawthorne, New York.

 

Die Situation kennt jeder – plötzlich taucht ein Problem auf, das man nicht sofort lösen kann. Das weckt den Ehrgeiz, sich das fehlende Wissen anzueignen. Fundiertes Wissen steckt nach wie vor in Büchern. Allerdings fehlt gerade Berufstätigen oft die Zeit, ein ganzes Buch zu lesen, um ein akutes Problem zu beheben. Bereits seit meinen Studientagen helfen mir daher Zusammenfassungen von Artikeln, Business-Büchern und Bestsellern, Fragen zu bestimmten Themen zu beantworten, da sie die wesentlichen Aussagen und Fakten in nur wenigen Sätzen abbilden und sich somit schnell erfassen lassen. Doch diese oder eine andere Lernmethode funktioniert nur dann, wenn wir sie in den Berufsalltag einbinden. Wie das funktioniert, thematisieren zwei Bücher, die ich gerne empfehlen möchte.

 

Von der Folienprojektion bis zum Netflix-Erlebnis

 

Der Branchenanalyst Josh Bersin vergegenwärtigt uns in „A New Paradigm for Corporate Training: Learning in the Flow of Work“, wie eng in den vergangenen vier Jahrzehnten das Thema Weiterbildung in Unternehmen mit der Entwicklung von Technologien und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen verknüpft war. Seine zentrale Aussage: „Wir nutzen neue Technologien nicht wirklich gut, bis wir unser Denken geändert haben.“


Die Älteren erinnern sich vielleicht noch an Projektoren und Dias, die Lehrer und Trainer in den 1980er Jahren in die Seminarräume schleppten. Mit dem PC setzten sich allmählich Lernprogramme auf CD-ROM und Videokassette durch, später kamen mit Datenbanken Trainings- und Lernmanagement-Systeme auf. Die Webbrowser förderten ein Online-Paradigma in den 1990ern, während nach der Jahrtausendwende bald die offenen Massen-Online-Kurse (MOOC) im Trend lagen. Als ab 2009 neue Video-Sharing-Plattformen starteten, bauten Unternehmen Lösungen zum sogenannten Mikrolernen auf, die auf kurzen, durchsuchbaren, digital gelieferten, aktuellen und problembasierten Lektionen fußten. Damit wollte man auch Erlebnisse à la Netflix oder Spotify schaffen. Das lenkte jedoch von der Arbeit ab.

 

Die Arbeits- auch zur Lernplattform machen

 

Dieses Problem löst für Bersin das Modell „Learning in the Flow of Work“. Das nun aufkommende Paradigma integriert für ihn das Lernen in bestehende Plattformen – und damit in die tägliche Arbeit. Diese Lernlösung bietet spezifische Antworten genau dann, wenn die Mitarbeiter sie benötigen. Wissen – zum Beispiel in Form von Videos oder in Arbeitsplattformen wie Slack, Outlook und Salesforce – steht für sie unverzüglich bereit. Adaptive Lernlösungen bauen Wiederholungen, Übungen und Empfehlungen in den Arbeitsablauf ein.
Wie richtig der Autor in seiner Analyse liegt, zeigt der Blick in die Praxis: Dort fahren Unternehmen am besten, wenn sie in ihre Arbeitsplattform ein sogenanntes Learning-Management-System (LMS) einbinden, welches Lernressourcen wie etwa die getAbstract-Online-Bibliothek beinhaltet. Mitarbeiter haben jederzeit Zugang zu Tausenden von Businessbuch- und Video-Zusammenfassungen. Außerdem fördert die Option zum Teilen von Inhalt den Wissensaustausch und die Zusammenarbeit.


Die Lernkultur im Blick

 

Das Lernen beim Arbeiten ist auch bei David Grebow und Stephen J. Gill in „Minds at Work: Managing for Success in the Knowledge Economy“ das Ziel. Jedoch ist für sie Technik lediglich Mittel zum Zweck und nicht Antreiber der Entwicklung. Für sie müssen Infrastruktur und Normen zum Wissensaustausch und zur Zusammenarbeit vorhanden sein, bevor Werkzeuge eine Lernkultur ermöglichen. Diese beschreiben die Autoren als technologiefähig, selbstgesteuert, online, sozial, ergebnisorientiert und durch Analytik messbar.


Führungskräfte müssen ein Umfeld schaffen, in welchem Fehler akzeptiert sowie Transparenz und Werte vorgelebt werden. Verantwortliche sollten zudem kuratierte Lerninhalte und gegebenenfalls Trainings zur Verfügung stellen. Daneben gilt es, mit jedem Mitarbeiter kontinuierliche Lernziele zu erarbeiten. Als Lohn sagt das Autorenduo voraus, entwickle sich „echtes“ ungehindertes Lernen. Dieses entsteht dann, wenn Mitarbeiter keine Angst vor Wissenslücken haben, sich Wissen kreativ aneignen, improvisieren, experimentieren und aus Fehlern lernen. Im „Trial and Error“-Prinzip liegt für beide Lerntrainer der Schlüssel, um zu einem führenden „Minds“-Unternehmen aufzusteigen.

 

Schnell ausprobieren, statt lange studieren

 

Die beiden empfehlenswerten Fachbücher zeigen, wie selbstverständlich ständiges, sofortiges Lernen ist und bleibt, um im schnelllebigen Geschäft zu bestehen. In Zukunft werden wir alle „just in time“ lernen. Unternehmen müssen dazu die nötigen Werkzeuge zur Verfügung stellen und positive Lernhaltungen entwickeln, damit Mitarbeiter stärker zusammenarbeiten sowie Informationen und Feedback austauschen können. Permanentes Ausprobieren gewinnt so an Bedeutung, benötigt jedoch stetiges Überprüfen, Anpassen und Starten weiterer Experimente, die immer zu Lernfortschritten führen.

 

 


www.getabstract.com

 

ZUM VERTIEFEN EMPFOHLEN:
A NEW PARADIGM FOR CORPORATE TRAINING: LEARNING IN THE FLOW OF WORK
Josh Bersin, Verlag Josh Bersin, 2018 | http://getab.li/10jz
MINDS AT WORK: MANAGING FOR SUCCESS IN THE KNOWLEDGE ECONOMY
David Grebow und Stephen J. Gill, Verlag ATD, 2017 | http://getab.li/10jy

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