Darüber sprechen wir (in Zukunft)!

Vier Begriffe prägen aktuell den feministischen Diskurs. Cordelia Röders-Arnold, Chief Marketing Officer der „Female Leadership Academy“, die seit 2018 Frauen mit Wissen und Unterstützung in Führungspositionen und auf dem Weg dahin begleitet, teilt ihre Gedanken dazu.

Illustration: Mahnoor Khan
Illustration: Mahnoor Khan
Cordelia Röders-Arnold Redaktion

Female Empowerment

… dieser Begriff verdeckt, dass es ganz viele strukturelle Gründe gibt, warum sich Frauen zum Beispiel nicht auf Führungspositionen bewerben. Oder in die Politik gehen. Oft wird dabei übersehen, dass die Care-Arbeit nach wie vor hauptsächlich von Frauen geleistet wird. Mit dem Fokus auf Female Empowerment läuft man Gefahr, Politik und Gesellschaft die Verantwortung zu entziehen, eine Welt zu schaffen, in der Frauen (wieder) in ihre volle Kraft treten und machtvolle Positionen einnehmen können. Begriffe wie „Frauen fördern“ und „Female Empowerment“ vermitteln oft den Eindruck, Frauen fehle es an Stärke oder dass Frauen selbst an mangelnder Gleichberechtigung Schuld seien. Dabei sind es vor allem die Strukturen, die sich verändern müssen, um Räume für Frauen betretbar und besser navigierbar zu machen.
 

Matriarchat

… an der Stelle wird der Feminismus oft falsch verstanden. Ich habe den Eindruck, manche Männer haben Sorge davor, dass Frauen an die Macht kommen und plötzlich den Spieß umdrehen - und Männer unterdrücken. Was natürlich Bände spricht, da man davon ausgeht, dass Frauen das Gleiche machen würden wie Männer: Macht ausnutzen. Dadurch wird klar, dass den meisten bewusst ist, wie das Patriarchat funktioniert. Das heißt: Feminismus bedeutet eben nicht, Männer zu unterdrücken, ihnen Möglichkeiten zu verwehren und weniger zu bezahlen. Es geht darum, Chancengleichheit zu ermöglichen. Dass Menschen so sein dürfen, wie sie sein wollen. Dass Rollen- und Normbilder aufgeweicht werden. Eine Welt zu erschaffen, in der auch der Mann nicht der starke Ernährer sein muss und Gefühle haben darf. Es gibt bereits viele Stimmen dazu, die davon ausgehen, dass Männer von Feminismus als Gesellschaftsnorm profitieren würden.
 

Equal Pay

… der unbereinigte Gender Pay Gap liegt aktuell bei 18 %, was bedeutet, dass Frauen im Durchschnitt deutlich weniger verdienen als Männer. Dieser Lohnunterschied entsteht durch verschiedene Faktoren – unter anderem, weil Frauen in unterbezahlten Berufen, wie der Pflege, überrepräsentiert sind. Die Corona-Pandemie hat diese Problematik verschärft, da viele Frauen aufgrund der Care-Arbeit, die hauptsächlich auf ihren Schultern lastet, wieder in Teilzeitjobs zurückgekehrt sind. Das hat uns in der Emanzipation stark zurückgeworfen. Es ist nicht nur das viel zitierte „Frauen müssen mehr Gehalt fordern“. Das eigentliche Problem liegt in den strukturellen Ungerechtigkeiten: Sogenannte „Frauenberufe“ werden schlechter bezahlt, und Care-Arbeit – die Betreuung von Kindern, älteren Menschen und Pflegebedürftigen – wird gar nicht oder nicht ausreichend entlohnt. Deshalb verdienen Frauen in Teilzeit deutlich weniger, sammeln weniger Rentenpunkte und laufen Gefahr, im Alter in Armut zu geraten.
 

Bildung

… ist die Grundlage für eine empathische Gesellschaft, die weniger störungsanfällig ist. Die sich nicht, vor allem in Bezug auf künstliche Intelligenz und Fake News, hinreißen lässt zu glauben, dass unsere Welt ganz simpel in Schwarz und Weiß, eins und null zu unterteilen ist. Aufgrund dieser beiden Dynamiken ist Bildung wichtiger denn je. Und gleichzeitig machen wir diese aktuell nicht für alle Menschen gleichermaßen zugänglich – auch nicht in Deutschland. Für zwei Menschen mit unterschiedlichen sozialen und ökonomischen Hintergründen ist es ganz unterschiedlich leicht oder schwer, überhaupt einen bestimmten Bildungsabschluss zu erreichen. Unsere Bildungssysteme sind bedroht, wenn akuter Lehrermangel und überfüllte Klassen auf privilegierte Eltern treffen, die ihre Kinder zunehmend an Privatschulen schicken statt an Stadtteilschulen. Chancengleichheit und Inklusion driften weiter auseinander. Vielleicht ist es an der Zeit, über einen völlig neuen Bildungsansatz nachzudenken?
 

ÜBER DIE AUTORIN

CORDELIA RÖDERS-ARNOLD (sie/ihr) ist CMO der Female Leadership Academy, Keynote Speakerin und Gründerin der NGO #stattblumen, die von Gewalt betroffene Frauen unterstützt. Die ehemalige Head of Menstruation setzt sich leidenschaftlich für Gleichberechtigung ein, und mit ihrer breiten Erfahrung in Großkonzernen und Start-ups teilt sie ihre Expertise in den Bereichen New Work, Marketing und Female Networking auf Bühnen, in Podcasts und den sozialen Medien.

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