Herr Dr. Menne, der Trend für Fahrzeugantriebe geht eigentlich zur Elektrifizierung – auch in der Logistik und bei schweren Fahrzeugen. Ist ein pflanzenbasierter Kraftstoff wie HVO100 da noch sinnvoll?
Jeder Tropfen fossiler Kraftstoff, den wir einsparen, ist gut. Aber man muss das richtig einordnen: HVO100 ist eine gute Möglichkeit, wenn es nachhaltig produziert wird, also aus Altfetten und nicht aus frischem Palm- oder Rapsöl. Palmöl ist nicht erlaubt, obwohl es prozesstechnisch eigentlich das beste wäre. Von den Verbrennungseigenschaften her ist HVO100 dem Diesel sehr ähnlich, in manchen Bereichen sogar besser, da weniger Ruß und weniger Stickoxide (NOX) bei der Verbrennung entstehen.
Gibt es Alternativen zu HVO100?
Ja, es gibt andere Möglichkeiten wie nicht essbare Öle, beispielsweise aus der Jatropha-Pflanze. Daran wird schon seit einigen Jahren geforscht, aber bisher gibt es keine großtechnische Produktion und Verfügbarkeit.
Kann HVO100 die Logistikbranche wirklich grün machen?
Zur Einordnung: In Deutschland haben wir einen Dieselverbrauch von rund 30 Millionen Tonnen pro Jahr, während in Europa nur etwa 2 Millionen Tonnen HVO100 basierend auf nachhaltigen Rohstoffen produziert werden könnten. Das reicht also nicht einmal, um 10 Prozent des deutschen Dieselbedarfs zu decken. Auf europäischer Ebene ist es noch schwieriger, da der Verbrauch dort etwa viermal so hoch ist. Ein weiteres Problem ist der Import von Ölen, beispielsweise aus China. Dabei verliert man die Kontrolle darüber, ob es sich wirklich um gebrauchtes Altöl handelt oder um falsch deklariertes Palmöl. Zudem sind solche Anwendungen sinnvoller, wenn sie regional produziert und dort genutzt werden. Importierte Rohstoffe machen in diesem Zusammenhang wenig Sinn, zumal China vor allem für den eigenen Markt produzieren könnte. Bedarf an Diesel gibt es weltweit und das bei der Verbrennung entstehende CO2 macht nicht an Ländergrenzen Halt.
Warum gilt HVO100 als Biokraftstoff?
Aus Altfetten kann nicht nur Dieselkraftstoff hergestellt werden, sondern mit etwas mehr Aufwand auch synthetisches Kerosin für die Luftfahrt. Die Elektrifizierung der Luftfahrt ist ungleich schwieriger als die des Straßenverkehrs. Deshalb sollten synthetische Kraftstoffe dort eingesetzt werden, wo es keine anderen Alternativen gibt, also in der Luftfahrt, der Schifffahrt oder bei schweren Land- oderBaumaschinen, die nicht so leicht elektrifizierbar sind.
Warum ist HVO100 teurer als herkömmlicher Diesel?
Die Herstellung ist aufwendiger, und die Grundstoffe sind teurer. Sollte sich HVO100 auf dem Markt durchsetzen, wird der Preis weiter steigen, da die Nachfrage das begrenzte Angebot übersteigt. Vollständig grüne Lieferketten können damit nicht erreicht werden, aber es ist eine Möglichkeit, die Logistik zumindest teilweise nachhaltiger zu gestalten. Deshalb sollte man diese Option nutzen.
Gibt es Potenzial für andere Grundstoffe, wie beispielsweise Algenöle?
Das Potenzial ist gigantisch, weil es keine Flächennutzungskonkurrenz gibt. Allerdings fehlen noch die großtechnischen Möglichkeiten. Ich habe 2006 als Student angefangen, mich mit alternativen Kraftstoffen zu beschäftigen, auch mit Algenöl, aber bis heute hat sich das nicht in eine großtechnische Umsetzung übertragen lassen. Das Öl der Algen ist schwer zu extrahieren und verhält sich anders als Raps- oder Palmöl. Zudem variieren die Eigenschaften stark.