Stabil in der Krise

Das deutsche Know-how bei Umwelttechnologien spielt nicht nur für Schwellenländer eine herausragende Rolle – die Lösungen beginnen beim Wasser-Monitoring und reichen bis zu Hochleistungs-Solarkraftwerken.
Illustration: Agata Sasiuk
Illustration: Agata Sasiuk
Lars Klaaßen Redaktion

 

Selbst die global grassierende Corona-Pandemie konnte die Dynamik nicht brechen: Im Jahr 2020 hat das weltweite Marktvolumen der Umwelttechnik und Ressourceneffizienz erstmals die Marke von vier Billionen Euro überschritten. Die vorhergesagten Entwicklungen beim globalen und nationalen Wachstum des GreenTech-Marktes wurden sogar noch übertroffen. Prognostizierte der GreenTech-Atlas des Bundesumweltministeriums (BMU) im Jahr 2016 für 2020 noch ein Marktvolumen von 4.200 Milliarden Euro, liegt es den aktuellen Zahlen zufolge bei 4.628 Milliarden Euro. Mit dem neuerlichen Rekord hat die Querschnittsbranche ihren Wachstumskurs der vergangenen Jahre erfolgreich fortgesetzt.

 

Umweltschutz in Indien

 

„GreenTech made in Germany“ ist auf den globalen Märkten vorne mit dabei und stark gefragt. Deutsche Unternehmen liefern integrierte Lösungen auf der Basis von innovativen Produkten und Dienstleistungen. Im Bereich Wassertechnologien etwa zeigt sich dies an einem aktuellen Beispiel in Indien: In Coimbatore stehen die Stadtplaner vor dem Problem, dass die lokalen Gewässer durch die städtischen Abwässer stark belastet sind. Die Seen im Stadtgebiet stellen jedoch einen wichtigen natürlichen Regenwasserspeicher für die Stadt dar und leisten als Naherholungsgebiet auch einen wichtigen Beitrag zur Lebensqualität der Bevölkerung. Um den Umfang des Problems zu erfassen, setzen Wissenschaftler des Fraunhofer-Instituts für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik (IGB) zusammen mit Technologie-Partnern aus der deutschen Wirtschaft Online-Messtechnik und Software zum Wasser-Monitoring ein.


Die Daten zur Wasserqualität werden mit intelligenten Monitoring-Systemen und Software „made in Germany“ erfasst. Die auf diese Weise erhobenen physikalischen und chemischen Daten sollen den lokalen Akteuren ermöglichen, strategische Maßnahmen zur Verbesserung der Gewässergüte zu ergreifen. Darüber hinaus soll auch die zufließende Wassermenge sensorisch erfasst werden. „Das Ziel ist, die Lebensqualität der Bewohnerinnen und Bewohner der Stadt zu erhöhen und die Region um die Gewässer aufzuwerten“, so IGB-Projektleiter Marc Beckett. „Außerdem erhofft sich die Stadtverwaltung, dadurch neue Investoren zu gewinnen, um auch einen wirtschaftlichen Aufschwung der Stadt zu erreichen.“


Umwelttechnologie und die in diesem Bereich tätigen Unternehmen spielen für die deutsche Wirtschaftsleistung eine herausragende Rolle. Ihr Anteil am Bruttoinlandsprodukt lag im vergangenen Jahr bei 15 Prozent – mit steigender Tendenz auch bei Beschäftigung und Umsatzwachstum. „Die GreenTech-Branche“, betont das BMU, „stabilisiert in Krisenzeiten die wirtschaftliche Entwicklung durch robuste und nachhaltige Geschäftsmodelle.“ Im Querschnitt von Umwelttechnik und Ressourceneffizienz lassen sich sieben Leitmärkte identifizieren, die Bereiche von Energie über Mobilität bis hin zur Forstwirtschaft abdecken (siehe Kasten).

 

Zukunftstechnologie Wasserstoff

 

Im Zuge der anstehenden Energiewende sind all diese Segmente relevant. Eine zentrale Rolle spielt hierbei die von der Bundesregierung im vergangenen Jahr beschlossene nationale Wasserstoff-Strategie. Damit soll Deutschland zu einem globalen Vorreiter bei den damit verbundenen Technologien werden und die Zukunftsfähigkeit des Industriestandortes sichern. Wasserstoff (H2) kann die Energiewende in vier Bereichen voranbringen.


Erstens kann damit die Lücke zwischen der schwankenden Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien und der wachsenden Nachfrage nach grünem Strom überbrückt werden. Erträge aus Solar- oder Windkraftanlagen lassen sich durch Elektrolyse chemisch zwischenspeichern und bei Bedarf durch Brennstoffzellen wieder zu Strom wandeln. Diese Verfahren ermöglichen es zweitens, die Sektoren Strom, Wärme, Industrie und Verkehr zu koppeln. Die Industrie etwa könnte bei einem Überangebot an erneuerbarem Strom zusätzlich H2 herstellen, der dann zum Antrieb von Brennstoffzellenfahrzeugen verwendet wird. Drittens kann H2 in der industriellen Produktion kohlenstoffhaltige Energieträger ersetzen – etwa bei der Herstellung von Stahl oder chemischen Grundstoffen. Wo wiederum die Bildung von CO2 unvermeidlich ist, lassen sich viertens Emissionen durch H2 in nutzbare Stoffe wie synthetische Kraftstoffe und Chemikalien umwandeln.

 

Innovative Solarkraftwerke

 

Um künftig genügend Energie im globalen Süden zu erzeugen, der hierzulande genutzt werden könnte, haben Wissenschaftler des Forschungszentrums Jülich mit zwei Solartürmen technologisches Neuland betreten. Vor den Türmen stehen auf einer Fläche von etwa zehn Hektar mehr als 2.000 bewegliche Spiegel. Diese „Heliostate“ fangen das Sonnenlicht ein, bündeln es und lenken es zu den beiden Solartürmen. Der größere der beiden Türme ist ein funktionierendes Solarturmkraftwerk, er kann also Strom produzieren. Ein volumetrischer Strahlungsempfänger an der Turmspitze nimmt das konzentrierte Sonnenlicht auf und erhitzt die Umgebungsluft auf bis zu 700 Grad Celsius. Ein Dampferzeuger im Inneren des Turms nutzt die hohen Temperaturen, um Wasser in Wasserdampf umzuwandeln. Der treibt wiederum eine Turbine an, die über einen Generator CO2-frei Strom produziert. Die elektrische Nennleistung der Anlage beträgt 1,5 Megawatt. Der erzeugte Strom wird bislang ausschließlich für Forschungsaufgaben genutzt, könnte aber auch in das lokale Mittelspannungsnetz eingespeist werden.


Für die hiesigen Akteure in allen sieben Teilmärkten gilt: Die große Herausforderung der kommenden Jahre wird darin bestehen, ihre gute Position zu halten. Um ihren künftigen Markterfolg im In- und Ausland abzusichern, benötigen deutsche Unternehmen der Umwelttechnik und Ressourceneffizienz neben innovativen Produkten vor allem eine wettbewerbsfähige Kostenstruktur. Im Bereich Produktentwicklung müssen die Entwicklungskosten, das Produktdesign sowie die Herstellungs- und Materialkosten laufend optimiert werden. Gleichzeitig gilt es, die Prozesskosten in Einkauf, Logistik, Vertrieb und Energieversorgung zu reduzieren. Deshalb zählen Digitalisierung, Prozesseffizienz und strikte Wertorientierung zu den drängendsten Herausforderungen der Branche, um langfristig wettbewerbsfähig zu bleiben.

 

Leitmärkte der deutschen GreenTech


1. Umweltfreundliche Erzeugung, Speicherung und Verteilung von Energie
2. Energieeffizienz
3. Rohstoff- und Materialeffizienz
4. Nachhaltige Mobilität
5. Kreislaufwirtschaft
6. Nachhaltige Wasserwirtschaft
7. Nachhaltige Agrar- und Forstwirtschaft

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