Ein toller Erfolg! Das reichweitenstärkste Elektroauto kommt aus München. Für den Guinness-Weltrekord legte sich eine Studierenden-Initiative der TU München schwer ins Zeug. Sie verbesserte nochmals ihren „muc022“, einen Elektrowagen, mit dem die Tüftler bereits erfolgreich an diversen Wettbewerben teilgenommen hatten. Das „TUfast Eco Team“ fuhr in 99 Stunden über 2573 Kilometer mit einer einzigen Akkuladung immer rund herum in einem leeren Flugzeughangar am Flughafen München. Der Verbrauch lag bei nur 0,6 Kilowattstunden (kWh) auf 100 Kilometer. Zum Vergleich: Extrem sparsame Serienfahrzeuge verbrauchen rund 13 kWh auf 100 Kilometer. Mit entscheidend für den Erfolg waren, so die Gewinner, vor allem eine durchdachte Aerodynamik und der Leichtbau des Fahrzeugs. Außerdem bauten die jungen Ingenieur:innen einen stärkeren Akku ein, der 15,5 Kilowattstunden leistet.
CHINESISCHE HERSTELLER FÜHREN
Von derartigen Höchstleistungen sind die Hersteller von Serienfahrzeugen und deren Batterien weit entfernt. Doch auch sie präsentieren immer mehr Innovationen, die sich positiv auf die Leistungsfähigkeit und Reichweite von Elektroautos auswirken. Führend sind dabei chinesische Hersteller wie Aiways, dessen Modelle U5 und U6 mit Hochvolt-Batteriezellen von CATL ausgestattet sind, dem weltweit größten Batterie-Zulieferer aus China. Auf der Internationalen Automobilausstellung IAA Mobility, die im September in München stattfand, präsentierte CATL seine neuartige Lithium-Eisenphosphat-Batterie. Die „Shenxing“-Batterie (ein chinesisches Akronym aus den Begriffen „schnell“ und „erreichbar“) gilt als weltweit erste 4C-Schnellladungsbatterie und kann innerhalb von nur zehn Minuten eine Reichweite von 400 Kilometern nachladen. Bei voller Ladung erreicht sie 700 Kilometer. CATL begründet die Leistungssteigerung mit dem Einsatz innovativer Materialien und einer optimierten Elektrochemie. Damit erreiche die Shenxing Batterie eine hohe Energiedichte und verfüge gleichzeitig über ein höheres Sicherheitsniveau als andere Zellchemien. Die Batterie sei auch bei niedrigen Temperaturen leistungsfähig und löse damit viele Zielkonflikte, die man bisher bei der Auswahl einer Batterie-Technologie hatte, so CATL.
Diese Fortschritte könnten künftig noch mehr Autokäufer von Elektromobilität überzeugen. Von Januar bis August 2023 wurden in Deutschland 355.600 reine E-Autos neu zugelassen. Bis Ende des Jahres könnte der Rekordwert von über 470.000 Pkw aus dem Jahr 2022 getoppt werden. Hinzu kommen Plug-In-Hybridfahrzeuge, die neben dem Elektroantrieb auch noch einen Verbrennungsmotor haben. Insgesamt fahren inzwischen mehr als eine Million Elektroautos auf deutschen Straßen. Immer mehr von ihnen stammen aus chinesischer Produktion, wobei einige chinesische Autobauer wie etwa Great Wall Motors (GWM) mit einem deutschen Partner – in diesem Fall BMW – kooperieren.
Doch immer noch haben die meisten E-Automobile nur eine geringe Reichweite und sind Tausende Kilometer vom studentischen Rekordhalter „muc022“ entfernt. Nur wenige große und entsprechend teure Modelle wie der Mercedes EQS oder der Tesla Model S schaffen laut eigenen Angaben mehr als 700 Kilometer. Autotester, etwa die Fachpublikation Auto Motor und Sport, haben im Praxistest allerdings geringere Werte ermittelt.
Für die anderen Modelle heißt es schon nach 300 oder 400 Kilometern: schnell zur Zapfsäule. Die gute Nachricht ist, dass die Versorgung mit Ladestationen von Jahr zu Jahr besser wird. So meldet die Bundesnetzagentur für den Stichtag 1. Juni 2023 bundesweit 75.643 Normalladepunkte und 17.029 Schnellladepunkte, die meisten befinden sich in Bayern und Nordrhein-Westfalen. Sie stellen insgesamt 3,18 GW Ladeleistung bereit. Angesichts steigender Zulassungszahlen von E-Autos steigt jedoch der Strombedarf stark an. So bemängelt der ADAC, dass die Infrastruktur für das Laden von E-Autos nicht nur in Deutschland, sondern auch in Europa vielerorts nicht ausreiche. Daher hat das EU-Parlament entschieden, dass bis 2026 entlang der Hauptverkehrsstraßen der Europäischen Union mindestens alle 60 Kilometer öffentliche Ladesäulen zur Verfügung stehen müssen.
Doch das wird alles nicht ausreichen. Wer sich abseits der Versorgung von Groß- und Mittelstädten bewegt, kommt um einen eigenen Ladepunkt kaum herum. Fast 700.000 private Ladestationen in Garagen und Carports sind laut der Nationalen Leitstelle Ladeinfrastruktur inzwischen in Betrieb – allerdings werden sie vom Betreiber-Haushalt oder -Betrieb in der Regel ja nur wenige Stunden des Tages genutzt. Da liegt es nahe, sie in der restlichen Zeit anderen Elektroautobesitzern zur Verfügung zu stellen. In Hamburg ist jüngst das Pilotprojekt FAMOUS für Ladesäulen-Sharing gestartet. Ladesäulenbetreiber können mittels einer speziellen Software-Lösung ihre Ladesäulen fremden Nutzern anbieten. Betriebshöfe, Supermärkte, Busdepots und Park-und-Ride-Anlagen erproben gerade das Modell, das vom BMWK mit mehr als drei Millionen Euro gefördert wird.
DER STAAT WILL MITVERDIENEN
Sharing-Modelle werden auch von kommunalen Energiedienstleistern wie Enercity angeboten. Auch Angebote wie die Plattform You.Charge.Me bringen Ladesäulenbesitzer und Elektroautofahrer zusammen. Beteiligen können sich private und geschäftliche Nutzer:innen und Betreiber:innen. Auch die App Sharepnp, ein Produkt eines Start-ups von Siemens Energy, vermittelt Gelegenheiten fürs Stromtanken für E-Autofahrende bei Wallbox-Besitzer:innen. Es funktioniert im Prinzip wie Airbnb. Private Anbieter, genannt Sharing-Hosts, stellen ihre heimische Infrastruktur über eine App fremden Nutzern zur Verfügung. Sie legen auch fest, was sie von ihren Kunden fürs Laden ihrer ansonsten weitgehend ungenutzten Wallbox verlangen. Doch Vorsicht: Sobald der Preis über dem Strom-Einkaufspreis liegt, muss ein Gewerbeschein beantragt werden. Es ist das alte Spiel: Sobald die Kasse klingelt, will der Staat mitverdienen.