Der Frachter und das E-Auto: »Urteil reflexartig«

Die RWTH-Professoren Achim Kampker und Heiner Heimes erklären, wie sicher E-Fahrzeuge sind – und warum Forschung und Industrie nun in Aachen zusammenkommen.

Führen wieder Forschung und Industrie zu den „Elektromobilproduktionstagen“ (EPT) in Aachen zusammen: Die RWTH-Professoren Achim Kampker (l.) und Heiner Heimes. Bild: PEM RWTH Aachen
Führen wieder Forschung und Industrie zu den „Elektromobilproduktionstagen“ (EPT) in Aachen zusammen: Die RWTH-Professoren Achim Kampker (l.) und Heiner Heimes. Bild: PEM RWTH Aachen
Campus Forum Beitrag

Kurz nachdem Ende Juli auf dem Auto-Frachter „Fremantle Highway“ vor der Nordseeinsel Ameland ein Feuer ausbricht, ist – im Gegensatz zum Brand – die Ursache ausgemacht. Die ohnehin oft hitzige Debatte um Elektroautos wird neu entfacht, als zahlreiche Medien eines jener Fahrzeuge an Bord des Schiffes für das Unglück verantwortlich machen. Was nach abgeebbter Aufmerksamkeit nicht mehr ganz so brennend zu interessieren scheint: Gut acht Wochen später wird die Theorie verworfen, dass ein E-Auto das Feuer ausgelöst hat.

Für zwei Wissenschaftler der RWTH Aachen kommt diese Erkenntnis wenig überraschend – weil Antriebsbatterien von E-Fahrzeugen zu ihrem Fachgebiet gehören. „Das erste Urteil kam reflexartig, als noch gar keine Untersuchungen auf dem Schiff stattfinden konnten“, sagt Professor Achim Kampker, Gründer und Leiter des RWTH-Lehrstuhls „Production Engineering of E-Mobility Components“ (PEM). Für den Miterfinder des von der Deutschen Post genutzten Zustellfahrzeugs „StreetScooter“ ein Beleg dafür, wie weitreichend zu Elek-trofahrzeugen immer noch Mythen transportiert werden. Studien zufolge ist es 25-mal unwahrscheinlicher, dass ein E-Mobil Feuer fängt als dies ein Auto mit Verbrennungsmotor tut. „Auf jeden Fall liegt die Ausfallrate von E-Fahrzeugen bei bis zu 1,2 pro 10.000 – gegenüber 7,3 Brandunfällen bei Verbrennern“, sagt Kampker.

„Beim thermischen Durchgehen von Lithium-Ionen-Akkus wird deutlich weniger Energie freigesetzt als bei einem Benzintank, aber der Batteriebrand ist viel schwieriger zu löschen“, erklärt Kampkers Kollege und Batterieexperte Professor Heiner Heimes, Mitglied der Institutsleitung. Um der Gefahr eines solchen „Thermal Runaways“ entgegenzuwirken, seien bereits aktive und passive Sicherheitsmaßnahmen im Einsatz, damit es im Idealfall gar nicht mehr vorkomme, dass eine Batteriezelle etwa durch elektrische oder mechanische Auslöser sowie Herstellungsfehler mehr Wärme produziere als sie abführen könne. Wird eine bestimmte Schwellentemperatur erreicht, wird die gespeicherte Energie in Form von Hitze und brennbaren Gasen unaufhaltsam freigesetzt. Genau das, was ersten Berichten zufolge das Feuer auf dem „Fremantle Highway“-Frachter verursacht haben soll – sich nun aber aufgrund des Brandorts auf dem Schiff als höchst unwahrscheinlich herausgestellt hat: Die Elektroautos seien auf einem anderen Deck untergebracht und weitgehend unversehrt gewesen.

„Bei neuen Technologien legen Forschung und Entwicklung großen Wert darauf, die Sicherheit im Vergleich zu der Technologie zu verbessern, die ersetzt werden soll“, sagt Heimes. Bei den 11. „Elektromobilproduktionstagen“ (EPT) des RWTH-Instituts treffen am 25. und 26. Oktober daher wieder zahlreiche Akteure aus der internationalen Wissenschaft und Industrie zusammen, um sich über Batteriesicherheit und -recycling, E-Motoren und Brennstoffzellen auszutauschen und die Produktion sämtlicher Komponenten der E-Mobilität zu optimieren. Anmeldungen sind online möglich.

www.ept-aachen.de

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