Hamburg ist multimodal: Mehr als zehn Millionen Fahrgäste sind jedes Jahr allein mit den Fähren der Hadag auf der Elbe unterwegs. Bald sogar klimafreundlich: Die Flotte wird modernisiert und auf Antriebe umgestellt, die wenig oder gar kein Kohlendioxid ausstoßen. Von den 26 Schiffen der Reederei fahren schon zwei mit einem diesel-elektrischen Antrieb. Im nächsten Jahr soll eine neue Fähre, die erste von drei Schiffen mit E-Motor, ihren Dienst antreten. Das vermeidet Emissionen, denn ein Fährschiff mit Verbrennungsmotor schluckt mehr als eine Million Liter Diesel im Jahr. Weil Hamburgs Schiffe künftig möglicherweise mit Wasserstoff angetrieben werden, sind die neu bestellten Fähren technisch schon für Brennstoffzellen vorgerüstet.
Diese drei Elbfähren werden die Welt nicht wirklich ändern, aber sie sind ein kleines Puzzleteilchen auf dem Weg zu nachhaltiger Schifffahrt. Es ist notwendig, weil die Seefahrt nicht nur das Rückgrat der Weltwirtschaft ist, sondern auch 2,7 Prozent der jährlich weltweit vom Menschen freigesetzten Mengen an Treibhausgas ausstößt. Das ist ungefähr so viel, wie Deutschland insgesamt pro Jahr emittiert. Wäre die internationale Schifffahrt ein eigener Staat, dann gäbe es nur fünf Länder, die mehr CO2 ausstoßen, hat die Deutsche Bank in einer Studie vorgerechnet.
Nun könnten wie im Falle Hamburgs neue Antriebe die alten Dieselmotoren verdrängen.Weil die Abgase der Motoren sich vor allem an Land unangenehm bemerkbar machen, versuchen viele Städte und Häfen, Lieferverkehre und Fähren auf elektrische Motoren umzustellen. In den Niederlanden werden elektrische Containerschiffe entwickelt, im chinesischen Changzhou fährt ein e-Frachter, in Norwegen bald sogar ein autonomes e-Feederschiff.
LANDSTROM STATT DIESELGESTANK
Daneben spielt das Thema Landstrom eine große Rolle. Damit ist die Stromversorgung für die Schiffe gemeint, die am Kai liegen und bisher ihre Dieselaggregate einschalten, um Strom für Kühlcontainer und das Bordnetz zu erzeugen. Landstromanlagen könnten diesen Strombedarf der Schiffe komplett aus dem öffentlichen Stromnetz decken – sogar grün, wenn er aus nachhaltigen Quellen eingespeist wird.
Ideal also, um die Luft- und Lebensqualität in den Städten zu verbessern. In Juneau in Alaska gibt es seit 2001 einen Landstromanschluss für Kreuzfahrtschiffe, Seattle folgte 2005, San Francisco 2011 und New York 2015. In Hamburg versorgt seit fünf Jahren eine erste Landstromanlage Kreuzfahrtschiffe am Terminal Altona.
Allerdings ist die Nutzung in Europa heute noch freiwillig: Die Häfen dürfen bislang selber entscheiden, ob sie Reedern Landstrom anbieten. Und die Reeder wiederum dürfen selber entscheiden, ob sie Landstrom nutzen oder aber im Hafen die Schiffsmotoren laufen lassen, was bislang deutlich günstiger ist. Mit dieser Freiheit allerdings soll es bald vorbei sein: Die EU hat festgelegt, dass jedes Schiff in der Union ab 2030 an die landseitige Stromversorgung angeschlossen sein muss und daraus seinen Strombedarf am Liegeplatz deckt.
Damit der Strom auch grün ist, treiben die Häfen deshalb Kooperationsprogramme mit erneuerbaren Energieerzeugern voran. Der Hafen Rotterdam beispielsweise läßt sich von Eneco beliefern, das Unternehmen betreibt dafür Windparks vor der Küste. Bis zu 20 MW Strom soll die Schiffe im Hafen nachhaltig versorgen. Auch die großen Kranschiffe Sleipnir und Thialf der Reederei Heerema nutzen diese nachhaltige Energie und reduzieren so die CO2-Emissionen um 15.000 Tonnen im Jahr.
Vorreiter beim Landstrom sind derzeit die Kreuzffahrtschiffe: 23 Häfen in zehn europäischen Nationen bieten bereits heute Landstrom für diese gigantischen Vergnügungspaläste an den Terminals an. Dabei sind die seit 2020 in Dienst gestellten Kreuzfahrtschiffe alle landstromtauglich, aber auch die Schiffsklassen seit 2007 haben die großen Reedereien sogar für Landstrom mit Schalttafeln und Anschlüssen ausgerüstet.
In den übrigen Branchen der Seefahrt bleibt Landstrom allerdings noch ein gewaltiges Zukunftsprojekt. Mehrere tausend Häfen gibt es weltweit, die nun mit grünen Energiequellen ausgestattet werden müssen. Auch ist nur ein sehr kleiner Teil der weltweiten Handelsflotte überhaupt technisch in der Lage, Landstrom zu nutzen.
CO₂-NEUTRAL BIS 2045
Die Containerschiffe fahren überwiegend mit fossilem Schweröl oder Marinediesel – und tragen so erheblich zum weltweiten CO2-Ausstoß bei. Neue Treibstoffe, deren Verbrennung keine oder nur sehr geringe Mengen Treibhausgase freisetzen, könnten die Emissionen reduzieren – aktuell wird viel über grünen Ammoniak und Methanol diskutiert.
Erste Reedereien investieren bereits in umweltfreundliche Schiffe. Hapag-Lloyd beispielsweise hat zwölf neue Schiffe bestellt, die mit LNG (Liquified Natural Gas) angetrieben werden sollen. Sie sollen zwischen den großen Häfen Rotterdam, Hamburg, Singapur und Shanghai pendeln. Allein mit diesen zwölf Schiffen kann Hapag-Lloyd seine CO2-Emissionen kurzfristig um bis zu 23 Prozent senken. Bis 2045 will die Reederei CO2-neutral unterwegs sein – und investiert dafür zwei Milliarden Euro.
Weil die Entwicklung neuer Antriebe und die Umrüstung der Schiffe so teuer ist, wird derzeit eine globale CO2-Steuer diskutiert. Fachleute des Internationalen Währungsfonds haben ausgerechnet, dass eine Steuer von 75 US-Dollar für jede Tonne von freigesetztem CO2 die Schiffsemissionen bis zum Jahr 2040 um ein Viertel senken könnten. Das Kalkül: Je höher die Abgaben auf CO2-Emissionen und je günstiger neue Technologien sind, desto eher werden Reeder ihre Flotten durch Schiffe mit emissionsarmen Antrieben ersetzen.
ABGABEN ALS TREIBER DES WANDELS
Doch das wird teuer, hat die Deutschen Bank berechnet. Bis zu 1,9 Billionen US-Dollar könnte es kosten, die Seefahrt bis 2050 vollständig zu dekarbonisieren. Die EU hat schon damit begonnen: Ab 2024 müssen alle Reeder, die in die EU-Gewässer fahren, eine CO2-Abgabe zahlen, die in drei Stufen bis 2026 deutlich ansteigt. Der Erlös aus diesen Abgaben soll in die Entwicklung nachhaltiger Antriebe fließen.