Logisch, die Elektrifizierung soll die Wirtschaft dekarbonisieren und CO2-Emissionen dauerhaft senken. Doch was passiert, wenn die Strompreise dauerhaft so hoch bleiben? Wer legt sich noch eine PV-Anlage, eine Wärmepumpe oder ein E-Auto zu, wenn die nicht nur teuer sind, sondern auch die laufenden Betriebskosten hoch bleiben? Auch für viele Unternehmen ist der hohe Strompreis ein Problem: Nach Berechnungen des iw Köln zahlen Unternehmen in Deutschland ein Drittel mehr als in Spanien und fast das Dreifache als in den USA.
Das Thema ist vertrackt: Laut dem Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft liegt der durchschnittliche Strompreis für Haushalte in Deutschland im Jahr 2025 bei etwa 39,7 Cent pro Kilowattstunde. Erzeugung, Beschaffung und Vertrieb machen dabei rund 40 Prozent des Preises aus. Die Netzentgelte für Transport, Messung und Abrechnung liegen bei etwa 27 Prozent. Ein weiteres Drittel entfällt auf Abgaben wie die Mehrwert- oder Stromsteuer, Konzessionsabgaben und die KWK-Umlage. Im EU-Vergleich ist Strom in Deutschland 2024 am teuersten und auch ohne Steuern und Abgaben noch deutlich über dem EU-Durchschnitt. Ein Grund dafür ist die Finanzierung der Energiewende. Die wird nämlich in Deutschland von den Stromkunden bezahlt, andere Länder zahlen das über die Steuern.
Die hohen Preise beeinflussen die Elektrifizierung in Deutschland. Laut dem Energie-Trendmonitor 2025 von Stiebel Eltron sind sie für drei Viertel der Deutschen ein Hindernis, um eine Wärmepumpe zu kaufen. Ähnlich sieht es im Bereich Mobilität aus. Die hohen Ladepreise machen E-Mobilität im Vergleich zum Verbrenner nicht günstiger. Sicher kostet das Laden zuhause zwischen 20 und 40 Cent je Kilowattstunde (kWh), aber an den öffentlichen Ladesäulen liegen die Preise deutlich darüber, beim Schnellladen zahlen Kunden sogar bis zu 0,69 Euro/kWh. Ein Grund dafür ist, dass bei den Ladestellen oft kein Wettbewerb herrscht, was die Preise in die Höhe treibt. Ausgewählte Tarif- oder Abo-Modelle zeigen jedoch, dass Ladestellennetze auch günstiger gestaltet werden könnten. So kostet die kWh an eigenen Stationen der EnBW 39 Cent, am Supercharger von Tesla ab 46 Cent.
100 EURO ENTLASTUNG FÜR DIE FAMILIE
Die Bundesregierung hat sich deshalb vorgenommen, die Strompreise zu verringern. Doch die Stromsteuer für alle zu senken, wäre zu teuer gewesen, deshalb sollen die Netzkosten ab 2026 durch einen Zuschuss von 6,5 Milliarden Euro sinken. Eine vierköpfige Familie könne so ab Anfang 2026 mit bis zu 100 Euro weniger Energiekosten pro Jahr rechnen, sagt Bundesfinanzminister Lars Klingbeil. Doch rein rechnerisch entlastet der Zuschuss den kWh-Preis um 1,3 Cent. Außerdem steigen im kommenden Jahr die CO2-Preise weiter, was die Stromerzeugung verteuert. Und schließlich führt der Ausbau des Stromnetzes zu noch höheren Entgelten, was die Entlastungen der Bundesregierung schon in Kürze obsolet machen könnte.
»Im EU-Vergleich ist Strom in Deutschland 2024 am teuersten und auch ohne Steuern und Abgaben noch deutlich über dem EU-Durchschnitt.«
Auch die Wirtschaft will die Regierung entlasten. Die Stromsteuer für produzierende Unternehmen sowie Land- und Forstwirte soll auf den europäischen Mindestsatz von 0,05 Cent/kWh sinken. Unternehmen mit besonders hohem Energiebedarf sollen zudem einen günstigeren Industriestromtarif erhalten, damit sie im internationalen Wettbewerb bestehen können.
VERGESSENER MITTELSTAND?
Das aber ruft Kritik hervor. Vor allem energieintensive Handwerksbetriebe hätten auf eine Entlastung bei der Stromsteuer gehofft, sagt Jörg Dittrich, Präsident des Zentralverbands des Deutschen Handwerks. Unternehmen wie Textilreinigungen würden nun ungerecht belastet. Dittrich sagt: „Es ist nicht vermittelbar, dass diese mittelständischen Handwerksunternehmen der haushalterischen Wirklichkeit zum Opfer fallen, während sich die Bundesregierung in Brüssel für die beihilferechtliche Zulassung eines Industriestrompreises einsetzt.“
Auch der DIHK lehnt das Vorhaben ab: „Die Absage des Bundesfinanzministers an die Senkung der Stromsteuer für alle Branchen ist ein Schlag ins Gesicht für viele Unternehmen“, so DIHK-Präsident Peter Adrian. „Industrie- und Handelskammern berichten uns von vielen empörten Anrufen aus Betrieben, die fest mit einer sinkenden Stromsteuer gerechnet hatten.“
INDUSTRIESTROMPREIS: KEINE LANGFRISTIGE PERSPEKTIVE
Ähnlich umstritten ist der Industriestrompreis. Nach der gerade erfolgten EU-Zustimmung könnten die Stromkosten für Unternehmen bis 2027 um rund vier Milliarden Euro sinken. Für viele ist das aber nicht nachhaltig. „Er subventioniert durch die EU-Auflagen nur 50 Prozent des Verbrauchs bei bestimmten Unternehmen – und das unter zusätzlichen Auflagen, die wieder Geld kosten“, sagte Peter Adrian, Präsident der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK), im Interview mit der „Rheinischen Post“.
Dem stimmt IW-Ökonom Andreas Fischer zu: „Eine langfristige Perspektive auf wettbewerbsfähige Strompreise ist diese Maßnahme aber nicht. Drei Jahre sind in der strategischen Planung von Unternehmen unbedeutend. Wichtig ist es, die deutsche Stromversorgung insgesamt effizienter zu gestalten, um die Kosten nachhaltig zu senken.“
Die Hebel für mehr Effizienz sind ein schnellerer Netzausbau, eine stärkere Digitalisierung und eine intelligente Steuerung des Verbrauchs. Da allerdings hinkt Deutschland hinterher. Weil zum Beispiel die Spitzen bei der Stromerzeugung nicht gespeichert werden können, müssen die Stromkunden viel Geld für die Abregelung zahlen. Die bislang fehlende Digitalisierung von Verbrauchern und Erzeugern sorgt dafür, dass Lasten nicht verschoben werden können – was teuere Spitzen vermeidet. Auch ist es nicht effizient, wenn Stromkunden im Ausland den in Deutschland erzeugten Strom abnehmen – und dafür bezahlt werden. Daran zumindest könnten die vielen Batteriespeicher etwas ändern, die in den kommenden Jahren gebaut werden sollen.
Letzten Endes ist es vor allem die Art der Energieerzeugung, die den Strompreis dauerhaft senken kann. Fossile Energie wird künftig immer teurer, wenn ihre CO2-Emissionen stärker eingepreist werden. Der rasche Ausbau erneuerbarer Energiequellen dagegen lässt die Preise sinken. Der Thinktank Agora hat das mit Zahlen untermauert: Werden die erneuerbaren Energien weiterhin so schnell ausgebaut wie bisher und von Großbatteriespeichern im Netz begleitet, könnte der Börsenstrompreis 2030 „um rund 20 Euro pro Megawattstunde niedriger sein als bei einer Verlangsamung des Ausbautempos.“ Die Strompreise wären in fünf Jahren mindestens ein Fünftel geringer als heute.