Der Wandel ist die Seele der Welt

Politische Zielbilder, die Innovationskraft des Mittelstandes und Nachhaltigkeit: Wie sie verknüpft sind, erklärt Thomas Fischer, Non-Executive Chairman von MANN+HUMMEL.

Thomas Fischer, Non-Executive Chairman von MANN+HUMMEL
Thomas Fischer, Non-Executive Chairman von MANN+HUMMEL
MANN+HUMMEL Beitrag

Herr Fischer, EU und IWF prognostizieren für 2025 ein Nullwachstum der deutschen Wirtschaftsleistung – wie ließe sich die Situation langfristig verbessern?

Ein Punkt sind die EU-Regularien: Einerseits schaffen sie einen vernünftigen Rahmen, auch für Familienunternehmen wie MANN+HUMMEL. Andererseits sind Vorschriften oft so detailliert, dass sie die Eigeninitiative von Firmen hemmen. Den Unternehmen sollte mehr zugetraut werden. Zum anderen brauchen wir niedrigere Energiekosten, unter dem derzeitigen Niveau leiden viele Firmen. Alternative, verantwortungsvolle und bezahlbare Energieimporte sind möglich, etwa die Einfuhr von Methanol aus Regionen, die hohe Erträge mittels Photovoltaik generieren. Und wir müssen Felder beackern, die schon lang vernachlässigt werden: Bildung, Infrastruktur und die Digitalisierung.
 

Welche Hebel könnte die Politik bewegen?

Mir fehlt ein Zielbild der Entscheidungsträger. Wo will Deutschland hin, wohin die EU? Was wollen wir darstellen? Ich mag die Initiative des Unternehmers und früheren SPD- sowie FDP-Politikers Harald Christ, der unter anderem in der WirtschaftsWoche eine glaubwürdige gesamtgesellschaftliche Erzählung gefordert hat. Ich bin in den 1970er-Jahren aufgewachsen. Es gab Aufstiegschancen und Sicherheit. Ein Motto der Politik und der Unternehmen war: Wir gehen mutig hinaus in die Welt! Aber natürlich ist mir klar, dass es in unserer hochkomplexen Welt schwer ist, eine Vision zu schaffen, mit der sich eine große Mehrheit identifizieren kann.
 

Aus Ihren Worten klingt die Leidenschaft für den Wandel – was befähigt speziell Familienunternehmen, Veränderungen voranzutreiben?

Wir denken in Generationen statt Quartalen – das erlaubt kalkulierte Wagnisse. Damit verändert sich unser Innovationsverständnis: weg vom reinen Technologie-Push und von Technik um der Technik willen, hin zu Lösungen mit erkennbarem Nutzen für Kunden und Gesellschaft. Das macht den Mittelstand besonders transformativ.
 

Können Sie das für MANN+HUMMEL konkretisieren?

Wir haben als Textilunternehmen angefangen, waren lang vor allem Erstausrüster der Automobilindustrie – nach wie vor eine unserer wichtigsten Abnehmerbranchen – und setzen seit den 1990er-Jahren immer stärker auf Umweltschutz und Recycling – effektive Filtration ist eine Schlüsseltechnologie für einen sauberen Planeten. Intern streben wir die Verringerung unseres CO2-Fußabdrucks an: Die Produktion bei MANN+HUMMEL soll bis 2035 CO2-neutral sein, bis 2030 wollen wir einen großen Schritt in diese Richtung gegangen sein. Parallel arbeiten wir daran, dieses Ziel bis 2050 in der gesamten Wertschöpfungskette zu realisieren.
 

©MANN+HUMMEL
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Durch welche Maßnahmen?

Bei jedem neuen Standort und der Umgestaltung bestehender Werke setzen wir auf Stromerzeugung mittels erneuerbarer Energiequellen, jedes neu eingeführte Produkt soll weniger Energie in der Herstellung benötigen, alle Prozesse der Lieferkette werden in Richtung Nachhaltigkeit getrimmt. 

Nachhaltigkeit umfasst ökonomische, ökologische und soziale Aspekte, die nicht immer einfach unter einen Hut zu bringen sind – wie lassen sich beispielsweise Wirtschaftlichkeit und Umweltschutz verknüpfen?
Ein paar Beispiele: Wir liefern einem Automobilhersteller Innenraumfilter, die Aktivkohle enthalten – ein teures Material. Das Recycling und die Rückgewinnung von Aktivkohle aus gebrauchten Filtern sind noch nicht möglich. Wir prüfen jedoch, ob und wie sich hierfür in Zukunft Lösungen entwickeln lassen. Beim Recycling von Ölfiltern sind wir bereits weiter: Der Stahl wird abgetrennt, das Altöl kann aufbereitet und erneut verwendet werden. Über das Material hinaus zählt die Systemeffizienz. Ein Beispiel dafür ist das Zusammenspiel unserer Filter mit Ventilatoren von Partnern wie EBM-Papst. In einem abgestimmten System entfaltet sich deren Wirkung noch besser: der Energiebedarf sinkt, die Kosten ebenfalls. Dasselbe gilt für den Bereich Life Sciences & Environment: Sauberer heißt günstiger heißt wirtschaftlicher für beide Seiten.
 

Zur Nachhaltigkeit gehört Effizienz, die mit der Digitalisierung gewaltig steigen kann. Wie setzt MANN+HUMMEL sie ein?

Zum einen in der Predictive Maintenance: Filter werden aufgrund der von Sensoren erfassten Daten exakt zum richtigen Zeitpunkt ausgetauscht. Zweitens entwickeln und verbessern wir immer mehr Lösungen mit Hilfe digitaler Modelle. Drittens digitalisieren wir unsere Prozesse, von Forschung und Entwicklung über den Einkauf und die Verwaltung bis hin zur Fertigung. Viertens nutzen wir Data Analytics als Basis datengestützter Geschäftsmodelle und -entscheidungen.
 

Gehören dazu auch strategische Entscheidungen, etwa wie sich das Unternehmen weltweit aufstellt?

Das kann anstehen. Eine Strategie gilt allerdings schon lang: die Regionalisierung. Mit mehr als 80 Standorten weltweit setzen wir auf „in the region, for the region“ – wir versorgen Märkte aus den jeweiligen Regionen. Diese breite Aufstellung mindert die Wirkung länderspezifischer Zölle und Handelshemmnisse und erhöht unsere Resilienz und Lieferfähigkeit.
 

Mehr als 21.000 Mitarbeitende weltweit bedeuten eine Vielzahl an Kulturen, gesellschaftlichen Normen und politischen Systemen, die MANN+HUMMEL integrieren muss. Geht das überhaupt?

Nicht allumfassend. Aber wir leben Grundsätze vor, die sich weitreichend durchgesetzt haben: Diversität der Belegschaft in allen Aspekten, Standortleitungen aus den jeweiligen Ländern, ein internationales Führungsteam des Gesamtunternehmens, eine Kommunikationskultur der Offenheit, Sensibilität für die Wünsche der Beschäftigten.
 

Hilft Ihnen das auch dabei, Mitarbeitende zu gewinnen?

Das Recruiting am Stammsitz in Ludwigsburg ist nicht einfach, weil wir mit sehr bekannten Firmen konkurrieren. Wir engagieren uns stark, gehen auf Messen, an Universitäten, nutzen intensiv interaktive Medien. So machen wir den Namen MANN+HUMMEL bekannter. Das Schöne: Wenn wir erst einmal klargemacht haben, wer wir sind, wofür wir stehen und wie viel wir weltweit bewegen – dann kommen herausragende Menschen zu uns.

www.mann-hummel.com/de

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