Frau Zauke, Deutschland wird allgemeinhin ein großer Nachholbedarf in puncto Digitalisierung nachgesagt. Mit ihren Einblicken aus der täglichen Arbeit bei einem Weltmarktführer von Unternehmenssoftware: Wie ernst ist die Lage wirklich?
In der heutigen Zeit stehen deutsche Unternehmen vor einer Vielzahl von Herausforderungen, die ihre Anpassungsfähigkeit und Innovationskraft auf die Probe stellen. Deutsche Unternehmen müssen sich an die neuen und ständig ändernden Marktbedingungen anpassen und neue Technologien nutzen, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Die Fähigkeit, diesen Herausforderungen zu begegnen, verdient zum einen Respekt, zum anderen beweisen zahlreiche Statistiken immer wieder, dass es zwar Nachholbedarf gibt, Deutschland aber in vielen Bereichen schon gut aufgestellt ist.
Allerdings braucht es für den Einsatz neuer Technologien auch Experten. Spüren Sie den Fachkräftemangel?
Natürlich, und das ist in der Tat ein sehr ernstes Thema. Der Fachkräftemangel kostet die deutsche Wirtschaft etwa 90 Milliarden Euro pro Jahr. Im Jahr 2026 fehlen in Deutschland allein in Digitalisierungsberufen 106.000 qualifizierte Menschen.
Welche Möglichkeiten sehen Sie, diesen Fachkräftemangel zu überwinden?
Um das Innovationspotenzial digitaler Technologien ausschöpfen zu können, benötigen Unternehmen Mitarbeiter mit entsprechenden digitalen Qualifikationen. Durch gezielte Maßnahmen zur digitalen Bildung und Weiterbildung kann Deutschland die benötigten Fachkräfte im Bereich Digitalisierung und KI gewinnen. Zudem wissen wir beispielsweise, dass gerade Frauen zur Überwindung des Fachkräftemangels beitragen können. Eine aktuelle Studie von McKinsey zeigt: Gelingt es Europa, den Anteil der Frauen in der Technologiebranche bis 2027 auf 45 Prozent zu verdoppeln, könnte das bereits die europäische Talentlücke schließen und das BIP zwischen 260 bis 600 Milliarden Euro steigern. Neben den, ich nenne sie mal klassischen Maßnahmen steckt hier großes Potenzial.
Welche Rolle spielen Aus- und Weiterbildung bei Ihnen als Strategie wider dem Fachkräftemangel?
Eine große Rolle, denn etwa ein Viertel aller Entwicklungskapazitäten von SAP sind nach wie vor in Deutschland. Die SAP-Entwicklung am Hauptsitz Walldorf löst einige der weltweit komplexesten Herausforderungen im Bereich der Geschäftsprozesse und Technologien für Unternehmenssoftware. Entsprechend haben wir ein großes Interesse daran, unseren Beitrag zur Aus- und Weiterbildung von Fachkräften zu leisten. Hier gibt es mit unserem CEO Christian Klein und Thomas Saueressig als Vorstand für Customer Services and Delivery zwei prominente Beispiele, die zeigen, dass man es mit einem dualen Studium bei uns bis in den Vorstand und da sogar ganz an die Spitze schaffen kann.
Neben gut ausgebildeten Fachkräften, was brauchen Unternehmen heute in diesem transformativen Umfeld – vielleicht auch aus Sicht von SAP, denn auch Sie haben in den vergangenen Jahren einen Wandel vollzogen?
Das ist richtig, wir haben tatsächlich eine große Transformation von On-Premise-Lösungen hin zu Cloud-basierten Software-as-a-Service-Diensten erfolgreich umgesetzt.
KI ist eine weitere Transformation mit großem Potenzial für Unternehmen. Die SAP spielt mit ihrem breiten Portfolio an Geschäftsanwendungen eine wichtige Rolle dabei, die Vorteile von KI für Unternehmen nutzbar zu machen. KI wird sich auf nahezu alle Bereiche eines Unternehmens auswirken und SAP integriert KI in unsere Lösungen, um die Geschäftsabläufe von Unternehmen und die Arbeitsweise ihrer Mitarbeitenden neu zu definieren. Wenn wir über technologische Innovation sprechen, ist es aus meiner Sicht wichtig, zwei Zeithorizonte im Blick zu haben. Zum einen müssen Unternehmen auf ihren etablierten Märkten wettbewerbsfähig bleiben und gleichzeitig neue, innovative Produkte und Märkte erschließen. Zum anderen ist der vorausschauende Blick auf die Themen und Bedürfnisse von morgen und übermorgen wichtig.
Können Sie aus Ihrem Kundenstamm über positive Transformationsbeispiele sprechen, die eventuell auch Mut machen, dass sich Anstrengungen und Aufwand lohnen?
Der Gesundheitskonzern Fresenius ist ein positives Beispiel. Ein so schnell wachsender Akteur steht vor der Herausforderung, ebenso schnell skalieren zu können. Flexibilität in der Infrastruktur spielt dabei eine wichtige Rolle. Und für Fresenius führte der Weg deshalb zu SAP S/4HANA Private Cloud – und zwar innerhalb von nur 15 Monaten. Wir sprechen hier über mehr als 130 SAP-Anwendungen und über 100.000 Benutzerkonten. Dass sich derart große Transformationsprojekte lohnen, zeigt die dortige Kosteneinsparung von 20 Prozent. Dass sich Transformationsprojekte lohnen, gilt auch für den Mittelstand. Der Automobilzulieferer Mahle hat seine gesamten betriebswirtschaftlichen Prozesse in die Cloud verlagert. In der Konsequenz kann das Unternehmen nicht nur flexibler reagieren, sondern hat in puncto IT-Sicherheit dadurch die höchsten Standards erreicht.
Zum Schluss ein Blick in die Zukunft: Was sind aus Ihrer Sicht die Top-3-Themen, die die kommenden Jahre bestimmen?
Ganz klar KI, deren Einsatz in den kommenden Jahren auch bei uns in Deutschland nicht nur maßgeblich zur Wirtschaftsleistung beitragen, sondern genauso weitere Innovationen fördern wird. Das Ziel von SAP ist klar: Wir wollen unseren Kunden das Potenzial von KI erschließen und im Bereich Business AI weltweit führend sein und den Standard für vertrauenswürdige Business AI setzen. Insbesondere glaube ich, dass die Ethik mit Blick auf die IT, also auch Daten- und Prozesssicherheit, in Zukunft eine wichtige Rolle spielen wird. Das zweite zentrale Thema ist Nachhaltigkeit – eine der größten Herausforderungen unserer Gesellschaft. Nachhaltigkeit ist ein wesentlicher Pfeiler der Unternehmensstrategie der SAP. Mit unserem dualen Ansatz als Wegbereiter und Vorbild wollen wir den Weg in eine nachhaltige Zukunft für unsere Kunden, Partner und die SAP selber ebnen. Schließlich dürfen wir die menschliche Dimension der Transformation nicht vernachlässigen. Ständig kommen neue Technologien auf den Markt, deren Potenzial es zu nutzen gilt. Eine erfolgreiche technologische Transformation geht Hand in Hand mit der Weiterbildung der Mitarbeitenden und einem entsprechenden Change Management.
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