Der dritte Arm

Chatbots sind schon ein alter Hut. Jetzt sind Roboter auf dem Markt, die in der Lage sind, einfache Handwerkertätigkeiten auszuüben. Welches Potenzial haben digitale Technologien und Künstliche Intelligenz, den Fachkräftemangel abzumildern?

Illustration: Josephine Warfelmann
Illustration: Josephine Warfelmann
Dr. Klaus Heimann Redaktion

Ex-Fußball-Profi Lukas Podolski will seine Döner-Kette Mangal rasant ausbauen. Weil dafür das Personal schwer zu beschaffen ist, setzt er auf automatisierte Küchenroboter. Die Roboter sollen Bowls mit Dönerfleisch, Köfte oder Bulgur mischen und verkaufen. Für die Reinigung der Automaten, das verspricht der Hamburger Küchenroboter-Bauer und Start-up Circus in Berlin, braucht das Personal höchstens eine Stunde – was natürlich am Ende des Tages immer noch notwendig ist. In der übrigen Zeit sollen die Küchenroboter Gerichte innerhalb von zwei bis vier Minuten zubereiten – bis zu acht parallel. Dazu kocht die Maschine in kleinen Töpfen, die sich per Induktion erhitzen. Bestellt wird an einem Touchscreen – ähnlich den bekannten Selbstbedienungsterminals von McDonald’s. 

Die Studie „Potenzialindex Deutschland“ des Vodafone-Instituts zeigt, wie die verstärkte Nutzung digitaler Technologien den akuten Fachkräftemangel in Deutschland signifikant mildern kann. Sie prognostiziert, dass der Mangel an Arbeitskräften bis 2035 sich um rund 1,5 Millionen reduziert, wenn digitale Lösungen in der Wirtschaft umfassend ihre Chance bekommen. Professorin Jutta Rump, Wirtschaftsforscherin aus Ludwigshafen, nennt eine weitere Voraussetzung: Notwendig sei Offenheit gegenüber den neuen Technologien sowie digitale Kompetenzen. Diese seien genauso wichtig wie die fachlichen Kenntnisse im jeweiligen Beruf.
 

IDEAL FÜR PERSONALENGPÄSSE


Offen für Neues und neugierig, das ist Malermeister Robert Sachs aus Berlin. Er setzt deshalb seit einigen Monaten auf den „MalerRoboter“ der Firma ConBotics. Seine Anforderungen an das Gerät beschreibt er im Video auf YouTube: „Er muss einfach zu bedienen sein, leicht auseinandernehmbar und die Räume alleine abwickeln.“ Genau das schafft der MalerRoboter, auch als „dritter Arm des Malers“ bezeichnet, wobei der Hersteller auf seiner Internetseite sein Gerät als „ideal für Personalengpässe“ beschreibt. Ein Einsatz lohnt sich vor allem auf Großbaustellen. Die Konstrukteure wollen die Fachkräfte in Malerbetrieben unterstützen und „die Baubranche mit smarten Lösungen vorantreiben“.

Das Zusammenspiel von Digitalisierung mit den Fachkräften hilft, den Mangel an Personal zu lindern. Gerade im Handwerk fehlt es an Mitarbeitenden. Deshalb setzt auch Bäckermeister Axel Schmitt aus Frankenwinheim aus Unterfranken auf digitale Technik. KI als virtuelle Bäckereifachverkäuferin, das funktioniert erstaunlich gut, berichtet der offizielle Bäcker des Wacken Open-Air Festivals und echter Rocker. Seine Backwaren bietet er zusätzlich in über einem halben Dutzend Selbstbedienungsregalen in der Region Mainschleife-Steigerwald zum Verkauf. Alles ist digital überwacht. Im Sockel verstecken sich Rechner, die den Abverkauf ständig prüfen. „Unter jedem Boden, unter jedem Tablett ist eine Waage verbaut. Die wiegt permanent das Gebäck und weiß genau, wenn eins rauskommt“, berichtete der Bäckermeister der „Frankenschau aktuell“. 

Alles, was sich im SB-Regal tut, kann Schmitt am Computer von seinem acht Kilometer entfernten Büro aus verfolgen und wenn nötig Nachschub liefern. „Die Vorteile liegen auf der Hand: Wir sparen Lebensmittel ein – also keine Lebensmittelverschwendung.“ Außerdem entlaste die Technik das Personal, er kann seine Arbeitskräfte für andere Aufgaben einsetzen.
 

DIGITALE LÖSUNGEN NOCH WENIG NACHGEFRAGT


An vielen Orten wird nach neuen Lösungen gesucht, wie digitale Technik helfen kann, fehlendes Personal zu kompensieren. Bei Versicherungen übernehmen inzwischen Chatbots die einfachen Dialoge mit dem Kunden. In der Justiz kam KI bei der Gruppierung und Sichtung von Akten beim Dieselskandal im Oberlandesgericht in Stuttgart zum Einsatz.

Trotzdem gibt es beim Einsatz von KI immer noch Vorbehalte. Eine Untersuchung des Leibniz-Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in Mannheim für das Bundeswirtschaftsministerium zeigt, dass in Summe es immer noch wenige Betriebe sind, die KI nutzen. Im Jahr 2023 waren es lediglich 12 Prozent der Unternehmen. Deshalb bleibt für das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) der gesamtwirtschaftliche Fachkräftemangel bestehen. „Der Einsatz von KI erfordert schließlich eine menschliche Supervision und neues Personal in KI-orientierter Forschung, Produktion und Wartung.“
 

JOB-FUTUROMAT ZEIGT AUTOMATISIERUNGSGRAD


Die Frage, ob ein bestimmter Beruf durch KI sich verändert oder gar ersetzbar ist, beantwortet Katharina Grienberger vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) in Nürnberg mit dem Job-Futuromat (job-futuromat.iab.de). „Besonders Hochqualifizierte bekommen Künstliche Intelligenz zu spüren“, erklärt die Arbeitsmarktforscherin. Aber es gibt keine eindimensionalen Einsatzmuster für KI: „Teilweise ist menschliche Arbeit günstiger, oder einfach gesellschaftlich gewünscht, so zum Beispiel bei einem Bäcker.“ Obwohl diese Arbeit zu 100-Prozent ersetzbar ist, gibt es immer noch diesen Beruf. Viele Menschen kaufen lieber hausgebackenes Brot bei einem Menschen anstatt Fabrikware aus dem Automaten. Und wer sich etwa als Brotsommelier präsentiert, so wie Axel Schmitt, und wer dazu KI für seine Zwecke nutzt, der bringt Mensch und Digitalisierung optimal zusammen. Der Job-Futuromat hat konkret zehn Berufe ausgemacht, in denen Menschen – ginge es nur nach den technischen Möglichkeiten – schon im Jahr 2022 zu 100 Prozent ersetzbar waren. In ihren Kerntätigkeiten sind das inzwischen folgende Berufe, die komplett automatisierbar sind: Synchronsprecher, Fachkraft für Metallverarbeitung durch Laserstrahl, Buchhalter, Zerspanungsmechaniker, Steuerfachangestellte, Dreher, Kassierer, Aufbereitungsmechaniker, Korrektor und Bäcker. 

Der Job-Futuromat will den Menschen aber keine Angst machen, sondern sie zu „lebenslangem Lernen“ ermuntern. „Unsere Erstausbildung reicht selten aus, wir müssen uns zunehmend weiterbilden und mit neuen technologischen Innovationen vertraut machen“, so die Botschaft von Katharina Grienberger. Wer diese dann sinnvoll nutzt, in das eigene Jobprofil integriert und damit den Sprung auf ein neues Level schafft, hat Digitalisierung richtig verstanden.

Nächster Artikel
Wirtschaft
Juni 2024
CARSTEN KÖRNIG, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Solarwirtschaft e. V.
Beitrag

Firmendächer unter Solarstrom

Im Interview spricht Carsten Körnig, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Solarwirtschaft e. V. (BSW), über den Trend zur solaren Selbstversorgung in Gewerbe und Industrie.