Neue Führungskultur

Globalisierung und Digitalisierung zwingen deutsche Unternehmen zum Umdenken. Effizienz, die traditionelle Stärke der deutschen Wirtschaft, hat immer weniger Bedeutung.
Illustration: Sören Kunz
Illustration: Sören Kunz
Klaus Lüber Redaktion

Jens Knut Fabrowsky ist Bereichsvorstand der Robert Bosch GmbH für die Sparte „Automotive Electronics“. Im Oktober 2016 war er Gastredner auf der Kölner Personalmesse. Vor kurzem, so berichtete er, habe Tesla bei ihnen Bauteile für ihre Elektroautos bestellt. Die Entwicklung, so antwortete man den Amerikanern, werde drei Jahre in Anspruch nehmen. Tesla entgegnete, man benötige die Technik in neun Monaten. Bosch-Kunde Apple sei da noch extremer. Dieser verlange Lösungen binnen einer Woche.

Bosch ist ein Beispiel dafür, wie sehr der rasante Wandel der globaldigitalen Ära besonders deutschen Unternehmen zu schaffen macht. Digitalisierung und Globalisierung, so der BWL-Professor Benedikt Hackl von der Hochschule Baden-Württemberg gegenüber der Süddeutschen Zeitung, bedrohen die klassischen Wettbewerbsvorteile der deutschen Unternehmen. Diese bauten ihre Firmen streng hierarchisch wie Maschinen auf, in denen Mitarbeiter wie Rädchen ineinander greifen. Das führe zwar zu einer enormen Effizienz, die aber in Zukunft immer weniger wichtig werde. Was in Zukunft zähle,sei die innovative Kraft neuer Ideen. Doch hierfür biete eine hierarchisch aufgebaute Organisation eher schlechte Voraussetzungen.

Unter deutschen Führungskräften ist das bekannt. In einer 2014 veröffentlichten Studie des Bremer Beratungsunternehmens Nextpractice unter 400 deutschen Führungskräften wünschten sich mehr als drei Viertel der befragten Manager einen Paradigmenwechsel in der Führungskultur. Sie sehen die Kriterien, die ihnen im Kontext guter Führung wichtig sind, nicht einmal zur Hälfte verwirklicht. Zu diesen gehört das Arbeiten in flexiblen Führungsstrukturen, die Gestaltung ergebnisoffener Prozesse, der Abbau von Hierarchie und Effizienzorientierung und die Förderung von Autonomie unter den Mitarbeitern.

Inzwischen versuchen die Unternehmen nun auch, diese Erkenntnisse in die Praxis umzusetzen. Im Falle von Bosch führte das zu einem weniger starren Umgang mit Hierarchieebenen. Fabrowsky redet inzwischen mit Teamführern, berichtete er auf der Personalmesse. Mit diesen hatte er früher nie Kontakt, da sie sieben Ebenen unter ihm arbeiten. Diese neue Offenheit habe auch dazu beigetragen, dass Produktionsgeschwindigkeiten, wie die von Tesla geforderten, möglich wurden.

Abgesehen davon gibt es noch einen anderen wichtigen Grund, warum es sich Firmen kaum mehr leisten können, auf die Etablierung einer modernen Führungskultur zu verzichten: Der War for Talents, der Kampf um Fachkräfte, ist nicht anders zu gewinnen. Diese werden aufgrund des demografischen Wandels und der wachsenden Anforderungen im Job einerseits immer seltener. Andererseits wachsen die Ansprüche derjenigen Arbeitskräfte, die zum Kreis der gesuchten High-Potentials zählen.

Um diese zu rekrutieren und im Unternehmen zu halten, wird ein immer größerer Aufwand betrieben. Dies beginnt beim sogenannten Onboarding, der sorgfältigen Einarbeitung neuer Mitarbeiter, durch das Firmen sich erhoffen, anspruchsvolle Talente nicht schon nach kurzer Zeit wieder zu verlieren. Sind die High-Potentials erst einmal gut im Unternehmen integriert, gilt es, ihren immer höheren Ansprüchen an den Arbeitsalltag gerecht zu werden. Gefragt sind Selbstständigkeit und Eigenverantwortlichkeit.

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