Im allgegenwärtigen Narrativ der sogenannten Digitalen Transformation spielt die deutsche Wirtschaft meist die Rolle eines amtierenden Champions, der sich auf seinen Lorbeeren ausruht und nicht merkt, dass seine Herausforderer längst dabei sind, ihn zu überflügeln. Noch läuft es gut, noch beweist er Stärke. Aber die Zukunft gehört den anderen.
Die deutsche Wirtschaft, das ist vor allem der Mittelstand, mit seinen zahlreichen Familienunternehmen, ein Hort von Schaffern, Tüftlern und Visionären, die mit Unternehmergeist, Erfinderlust, Zuverlässigkeit, Geduld, Disziplin und Augenmaß den Weg nach vorne weisen. Die Herausforderer, das sind vor allem die großen Tech Firmen in den Vereinigten Staaten und China, die mit ihren digitalen Geschäftsmodellen die ökonomische Realität der Zukunft prägen.
Dass diese Geschichte einen wahren Kern hat, werden alle bestätigen, die sich darüber wundern, wie es möglich sein kann, so gut wie überall in Europa einen besseren Handyempfang zu haben als im Land der Schaffer, Tüftler und Visionäre. Und dennoch ist es wichtig, das Narrativ des digitalisierungsfaulen deutschen Mittelstandes von Zeit zu Zeit auf seine Aktualität zu überprüfen. Zumal die Politik längst erkannt hat, dass es keine Alternative zu einer konsequenten Digitalisierungsstrategie gibt. „Die Digitalisierung bietet vielfältige Möglichkeiten, gerade auch für den Mittelstand: Neue Produkte können schneller hergestellt, Kundenwünsche besser berücksichtigt, neue Geschäftsfelder und Services angeboten werden. Vor allem für kleinere Unternehmen bietet das Internet ganz neue Möglichkeiten der Teilhabe an Wertschöpfungsketten und verändert die Beziehungen zu Beschäftigten, Kunden und Lieferanten grundlegend“, heißt es vonseiten der Bundesregierung.
Wer verlässliche Daten über den Status Quo der Digitalisierung im Mittelstand sucht, wird beim Institut für Mittelstandsforschung (IfM) in Bonn fündig. So wird die Digitalisierung in KMU aktuell vor allem eingesetzt, um betriebliche Abläufe zu verbessern und Kosten einzusparen. Mit Zulieferern und Abnehmern sind 28 Prozent aller KMU in Deutschland digital vernetzt. Fast jedes zweite Unternehmen (46 Prozent) sammelt und katalogisiert inzwischen seine Kundendaten.
Auffällig ist, dass die KMU in Deutschland im Gegensatz zu den Unternehmen des US-amerikanischen Silicon Valleys und zu den Unternehmen in den anderen EU-Staaten noch deutlich seltener wirtschaftlichen Profit aus den digitalen Möglichkeiten schlägt: So werten nur fünf Prozent von ihnen die gesammelten Kundendaten systematisch aus – im EU-Durchschnitt nutzen 10 Prozent diese Datenmengen.
Christian Schröder, der für das IfM seit Jahren die Entwicklung der Digitalisierungsprozesse in den KMU beobachtet, kommt zu folgendem Schluss: „Im Hinblick auf die Digitalisierung zeigen sich die kleinen und mittleren Unternehmen in Deutschland weiterhin vorsichtig.“ Den KMU empfiehlt er, „weder den Absatzmarkt Internet noch die digitale Ver- und Auswertung von Kundendaten außer Acht zu lassen. Anderenfalls besteht die Gefahr, dass Mitbewerber und virtuelle Plattformen ihnen diesen Wertschöpfungsteil abnehmen.“
Digitaler Mittelstand
KMU waren und sind eine der tragenden Säulen der deutschen Wirtschaft. Damit das so bleibt, müssen sie sich den Herausforderungen der Digitalisierung stellen.
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