Unter Druck

Kommt es zu Stress, Überarbeitung oder sogar Unfällen im Unternehmen, stellt sich schnell die Frage nach der Verantwortung. Wie gehen Führungskräfte damit um?

 

Illustration: Sophia Hummler
Illustration: Sophia Hummler
Eike Schulze Redaktion

Die Rolle von Führungskräften in einem Unternehmen ist klar. Einerseits müssen die zugeordneten Mitarbeiter ihre Leistungsfähigkeit abrufen können, andererseits gilt es mögliche Risiken im Auge zu behalten und diese zu minimieren. Manchmal kommt beides zusammen. So gibt es Arbeitsunfälle, die eigentlich so nicht passieren dürfen. Schläft beispielsweise ein Mitarbeiter während der Arbeitszeit auf seinem Bürostuhl ein und fällt zu Boden und verletzt sich, stellt sich schnell die Frage, ob dies durch vorausschauendes Handeln zu vermeiden gewesen wäre. Hier gilt die Fürsorgepflicht durch die Vorgesetzten, die gerade eine Überarbeitung verhindern sollen. 

Zwar sind Arbeitskräfte bei ihrer Tätigkeit über die gesetzliche Unfallversicherung (GUV) abgesichert, allerdings ist dies nur eine Seite der Medaille. Mögliche Versäumnisse zumindest bei schweren Arbeitsunfällen werden nicht selten durch die Gewerbeaufsicht aufgedeckt. Ob dies dann persönliche Konsequenzen für die Vorgesetzten hat, zeigt sich erst bei den Untersuchungen. Dennoch sollten nicht nur die schweren Fälle von Führungskräften und der Unternehmensführung zum Anlass genommen werden, die Arbeitsabläufe und Belastung zu überprüfen. Doch selbst für die Führungskräfte ist ein Betriebsunfall oder eine Betriebsstörung eine schwierige Situation. Sie tragen gegenüber den Mitarbeitern die Verantwortung, gleichzeitig müssen sie bei der Aufklärung mithelfen und dafür sorgen, dass eine Betriebsstörung oder ein Betriebsunfall in Zukunft vermieden werden kann. Falls Arbeitskräfte zu Schaden kommen, ist die Belastung besonders groß. Dann brauchen nicht selten Führungskräfte oder Unternehmer selbst Hilfe oder gute Strategien, die Situation zu bewältigen.

FÜHRUNGSKRÄFTE ERKRANKEN HÄUFIGER PSYCHISCH

Fürsorgepflicht und Verantwortung gehen Hand in Hand, nicht nur bei Unglücksfällen. Dabei stehen Vorgesetzte unter einem ständigen Druck, der Spagat zwischen der Unternehmensführung und den eigenen Mitarbeitern wächst ständig. Das wollte die SRH Hochschule Heidelberg im Jahr 2015 genau wissen und befragte 282 Führungskräfte zu ihrer Belastung. „Führen und gesund bleiben – Psychische Gesundheit von Manager/innen (PsyGeMa)“ heißt die Studie. Aus der Befragung wurde deutlich, dass Führungskräfte häufiger psychisch erkranken und beispielsweise an emotionaler Erschöpfung oder Depressionen leiden. Zum einen liegt dies daran, dass Führungskräfte zu wenig soziale Unterstützung im Betrieb erhalten, andererseits konnten viele der Befragten nicht mehr in ihrer Freizeit von der Arbeit abschalten. Quasi werden die Vorgesetzten zwischen einerseits der Fürsorgepflicht und andererseits der Leitungsfunktion aufgerieben, die bestimmte Leistungen von einem Bereich oder einer Abteilung erwartet. So veröffentlichte die Initiative Gesundheit und Arbeit (iga) in ihrem iga.Radar aus dem Jahr 2018 mit dem Schwerpunkt „Führung und psychische Gesundheit“ Handlungshinweise für Führungskräfte und Unternehmer, wie gerade Stress bei der Arbeit besser gehandhabt werden kann. Wie die Untersuchung gezeigt hat, fehlen zum einen die Handlungsspielräume für die Führungskräfte, die Arbeitsbelastung und den Stress bei den Mitarbeitern besser zu regulieren, gleichzeitig fehlen aber auch die Handlungsspielräume, um die eigene Arbeitsbelastung besser zu steuern. Die größten Hindernisse bei der Verbesserung der Situation sind fehlendes Wissen und Desinteresse der obersten Unternehmensführung am Thema. Jedoch gibt es manchmal auch interne Widerstände durch Betriebsräte, Personalabteilungen und anderer Unternehmensbereiche sich mit dem psychischen Stress von Arbeitskräften und Vorgesetzten auseinanderzusetzen. In der Zwickmühle zwischen der eigenen Belastung und derer der Mitarbeiter befinden sich zahlreiche Führungskräfte. Da scheint in vielen Betrieben noch das Prinzip des „Survival of the fittest“ zu herrschen. „Und das, obwohl bereits 2013 die betriebliche Gefährdungsbeurteilung im Arbeitsschutzgesetz um den Punkt psychische Belastung ergänzt wurde, “ beschreibt Uta Rohrschneider, geschäftsführende Gesellschafterin der grow.up Managementberatung GmbH, die Lage.

SURVIVAL OF THE FITTEST?

Lösungsmöglichkeiten, um die betriebliche Situation für Vorgesetzte zu verbessern, gibt es zahlreiche. So zahlt sich ein Belastungsmanagement aus. Nicht jeder empfindet die Arbeit als belastend, es ist ein individueller Prozess. Der eine sieht Aufgaben als persönliche Herausforderung, der andere gerät in psychischen Stress. Hier können Führungskräfte oder Unternehmer Einfluss nehmen. Es gilt, die Arbeitsprozesse richtig zu gestalten. „Dazu gehört beispielsweise die Verteilung von Aufgaben unter Berücksichtigung der einzelnen Fähigkeiten – sprich, eine passgenaue Delegation“, erläutert Uta Rohrschneider. Langsam erst setzt sich eine Forschung durch, die die Stressfaktoren der Führungskräfte zum Inhalt hat. „Es gilt das zwischenmenschliche Miteinander, die organisatorischen Rahmenbedingungen und die Kultur im Unternehmen, die entlastend und positiv wirken können, zu stärken“, ergänzt der Arbeitspsychologe und Führungskräftespezialist Moritz Bald von der Friedrich Schiller Universität Jena aus wissenschaftlicher Sicht. „Das Ziel der Arbeitsgestaltung sollte daher sein, die verschiedenen Bedürfnisse der einzelnen Führungskräfte bestmöglich in Einklang zu bringen.“ 

Die Aufgabe von Vorgesetzten besteht darin, ein Wohlbefinden am Arbeitsplatz zu schaffen und im besten Fall ein „Wir-Gefühl“ in ihrem Bereich zu erzeugen. Die Aufgabe besteht aber nicht darin, die Energie darauf zu richten, Vermutungen über die psychische Gesundheit von Mitarbeitern anzustellen oder gar zum Therapeuten zu werden. Hier gilt es eher darauf zu achten, dass das Arbeitsumfeld stimmt. Eine Lösung könnte dann Job Crafting sein. Das heißt, dass jede Führungskraft, aber auch Mitarbeiter, durch bestimmte Anpassungen in ihrem Job ihre Motivation heben und so die Stärken mehr zum Tragen kommen. Das kann durch eine veränderte Aufgabenverteilung, aber auch durch andere Arbeitsbeziehungen zu Mitarbeitern, Führungskräften oder Kunden geschehen.

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