Diesel oder Benziner?“, lautete bisher eine der Standard-Fragen unter „Fachmännern“ auf dem Garagenhof, wenn der Nachbar stolz das neue Auto präsentierte. Künftig ist es wohl interessant(er) zu erfragen, welcher Chip denn im neuen Gefährt verbaut wurde. Denn bei Fahrzeugen, die elektrisch betrieben werden und dann auch noch selbstfahrend und vernetzt sind, braucht es statt Verbrenner-Wissen Batterie-, Software- und Halbleiter-Know-how.
Deshalb schließen sich die großen Autobauer gerade mit den meist amerikanischen Chip-Riesen zusammen. Mercedes, Audi, Toyota und Volvo setzen auf die in Kalifornien beheimateten Nvidia Corporation. BMW, Ferrari, General Motors und ganz neu Volkswagen haben sich für den Zusammenschluss mit der ebenfalls in Kalifornien gegründeten Qualcomm Incorporated entschieden. Letztere hat sich im letzten Herbst übrigens mit 4,5 Milliarden US-Dollar am schwedischen Zulieferer und Spezialisten für Fahrerassistenz-Systeme Veoneer beteiligt und damit die Offerte des kanadisch-österreichischen Zulieferers Magna überboten – immerhin global die Nummer fünf am Markt.
Was diese Partnerschaften und Beteiligungen in der Automobilindustrie verdeutlichen: Ohne Digitalkompetenz keine Zukunft, ohne technologisches Know-how kein Wachstum. Das unterstreicht auch die repräsentative Telekom-Studie „Digitalisierungsindex Mittelstand 2021/2022“, wonach der Digitalisierungsgrad der befragten Unternehmen mittlerweile im Schnitt 59 von 100 möglichen Punkten aufweist. Spitzenreiter des Digitalisierungsindex ist die Logistik. Obwohl der Indexwert hier um einen Punkt sank, ist er mit 65 von 100 möglichen Punkten den anderen Branchen knapp überlegen. Die Industrie hat laut der Studie 63 Punkte erreicht, Handwerk 59 Punkte, Gastgewerbe 57, Handel 55 und das Baugewerbe 53.
»An vielen Stellen müssen Geschäfts- und Betriebsabläufe neu gedacht werden.«
Der Branchenvergleich zeigt zudem, dass digitale Lösungen mittlerweile in nahezu allen Unternehmensbereichen unterstützen und unter anderem dazu beitragen, die Produktivität zu steigern. „Die Corona-Pandemie und globale Lieferverzögerungen haben den deutschen Mittelstand 2021 mitunter stark getroffen“, sagt Hagen Rickmann, Geschäftsführer Geschäftskunden der Telekom Deutschland. „Umso erfreulicher: Der deutsche Mittelstand treibt seine Digitalisierung mit besonderem Fokus auf moderne Arbeitswelten und Nachhaltigkeit weiter voran.“
Die zunehmende Digitalisierung stellt die Industrie jedoch auch immer wieder vor Herausforderungen. Beispielsweise reicht es nicht aus, bestehende Prozesse zu „technologisieren“, an vielen Stellen müssen Geschäfts- und Betriebsabläufe neu gedacht und von einem Transformationsprozess begleitet werden, damit digitale Lösungen auch tatsächlich einen Mehrwert bieten und die Effizienz steigern. Eine weitere Hürde ist die starke Abhängigkeit von US-Anbietern. Das zeigt sich bereits bei den Partnerschaften der Automobilindustrie mit den Chip-Herstellern und setzt sich beim Digitalisierungstrend Cloud-Computing fort. Es ist aber nicht nur die Tech-Dominanz jenseits des Atlantiks, die es den Unternehmen hierzulande schwer macht. Sich für die richtige, weil passende Cloud-Strategie zu entscheiden, erfordert mitunter eine tiefe Analyse der eigenen Anforderungen. Denn der erste Impuls „Alles muss hoch“, kann durchaus auch schiefgehen. Vergleichbar ist das mit dem Ansatz, ein analoges Geschäftsmodell 1:1 zu digitalisieren und dann von einer digitalen Transformation zu sprechen. Genauso wie es grundlegende Unterschiede zwischen rein digitalen und analogen Geschäftsmodellen gibt, bestehen diese auch zwischen On-Premises-Lösungen und der Cloud. Und genau hier gilt es, sorgfältig abzuwägen, was wann mehrwertstiftend für ein Unternehmen ist.
„Was Unternehmen beim Schlagwort ‚Modernisierung‘ manchmal vergessen: Hier gibt es nicht nur den Weg nach vorn, also immer auf die neuste State-of-the-Art-Lösung zu setzen. Modernisierung heißt eben auch, Altes loszuwerden und endgültig zu begraben“, schreibt Silvio Kessel, Technology & Innovation Lead bei Skaylink, dem führenden Anbieter für Cloud-Transformation im deutschsprachigen Raum, in einem Gastbeitrag für Cloud Computing Insider. Was der Experte damit meint, ist beispielsweise ein Cloud-basiertes Archiv als eine Art „Friedhof“ für all die Anwendungen, die nicht mehr zukunftsfähig sind, auf die aber zurückgegriffen werden muss, falls jemand nachfragt.
Und dann ist da natürlich noch das große Thema, dass branchenübergreifend für die wohl größten Herausforderungen sorgt: die Daten- und IT-Sicherheit. Durch Diebstahl, Spionage und Sabotage entsteht der deutschen Wirtschaft jährlich ein Gesamtschaden von 223 Milliarden Euro, heißt es in einer Bitkom-Studie aus dem vergangenen Jahr. Damit haben kriminelle Attacken erneut für Rekordschäden gesorgt: Die Schadenssumme ist mehr als doppelt so hoch wie in den Jahren 2018/2019, als sie noch bei103 Milliarden Euro jährlich lag. Neun von zehn Unternehmen (88 Prozent) waren 2020/2021 von Angriffen betroffen. Deshalb investieren laut Telekom-Studie auch noch mehr Betriebe in die Cybersicherheit: Mitarbeitende der befragten Unternehmen werden nach der Pandemie im Schnitt elf Prozent mehr Arbeitszeit im Homeoffice verbringen. Für ausreichend gesichert halten jedoch nur 43 Prozent ihre mobilen Arbeitsplätze. Vor allem die Sicherheit bei E-Mails und Technologien zur Verschlüsselung will der Mittelstand künftig ausbauen. Ebenso Lösungen zum Identitätsmanagement und zur Authentifizierung.
Insgesamt ist die Digitalisierung innerhalb der deutschen Wirtschaft jedoch zu einem festen Bestandteil geworden, was auch die Bereitschaft der Betriebe, in digitale Projekte zu investieren, unterstreicht: 93 Prozent planen ein solches Investment, davon 45 Prozent sogar in größerem Ausmaß als bisher, zeigt die Telekom-Studie. Und auch die staatliche Förderung steht mittlerweile auf einem breiten Fundament. Es gibt spezielle Digital-Förderungen für KMU, mit go-digital eine praxisorientierte Beratung oder mit ZIM, IGF und INNO-KOM drei technologieoffene Förderungen für Forschung und Entwicklung des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie. Und auch die EU ist bemüht, den digitalen Anschluss mit zusätzlichen Mitteln zu finanzieren.