Herr Schwaiger, die Klimaziele des Bundes sollen auch unter der neuen Regierung nicht angetastet werden. Macht Ihnen das Sorgen?
Nein, denn unsere Branche trägt maßgeblich zur Dekarbonisierung der Industrie bei. Die Metallrecyclingwirtschaft hat seit dem Beginn der Klimadebatte enorme politische Aufmerksamkeit erfahren. Plötzlich war der sogenannte „Schrottplatz“ ein wichtiger Akteur, wenn es um Umwelt- und Klimapolitik ging. Denn mit jeder Tonne aufbereitetem, recyceltem Metall spart die Metallindustrie Erze ein, die sie sonst aus dem Boden holen müsste. Zudem spart die Verwendung von einer Tonne recyceltem Metall im Vergleich zur Primärproduktion immens viel Energie. Das gilt für alle Metalle, insbesondere für die Industriemetalle Aluminium, Kupfer und Stahl. Insofern sind wir ein wichtiger Bestandteil jeder Dekarbonisierungsstrategie.
Welche Branchen profitieren besonders vom Metallrecycling?
Das zieht sich durch die gesamte Lieferkette. Wir sind wichtig für die Metall- und Elektroindustrie, die Baubranche und natürlich auch für die Automobilindustrie. Alle diese Industrien werden in Zukunft „grüne“ beziehungsweise nachhaltig produzierte Metalle benötigen. Es gibt kein „grünes“ Metall ohne das von uns recycelte Material. Deshalb verstehen wir uns als tragende Säule der Dekarbonisierung und somit als Partner der Industrie.
Wie kann Metallrecycling zu CO2-Einsparungen beitragen?
Wie bereits erwähnt, sparen Sie bei der Herstellung von Metallen wie Aluminium, Kupfer oder Stahl aus recyceltem Material Erz und Energie im Vergleich zur Primärproduktion. Unternehmen können bei Aluminium 95 Prozent, bei Kupfer 85 Prozent und bei Stahl über 70 Prozent der Energie sparen, die sie im Vergleich zur Primärproduktion benötigen würden.
Wie hoch kann die Recyclingquote von Metall sein?
Metalle sind das Kreislaufmaterial schlechthin. Dementsprechend sind wir bei den Recyclingquoten auf einem enorm hohen Niveau. Dies liegt einerseits an den natürlichen Eigenschaften von Metallen und andererseits daran, dass Metalle immer einen positiven Marktwert haben. Folgerichtig sind alle Akteure der Metallwirtschaft – jeder Metallrecycler, die Werke und die vielfältigen OEMs – daran interessiert, Metall zurück in den Kreislauf zu führen, denn es ist ein bewährtes Geschäftsmodell, Metalle zu recyceln und wieder einzusetzen.
Welche Metalle werden vorwiegend recycelt?
Das sind die erwähnten Industriemetalle, aber auch Blei, Nickel, Zink und Zinn, die in vielen Anwendungen Verwendung finden. Derzeit beschäftigen sich einige Industrien mit der Frage, wie Legierungen so angefertigt werden können, dass sie sich am Ende besser recyceln lassen. Das ist eine komplexe Angelegenheit. Weiterhin ist es wichtig, dass die Endprodukte recyclingfähig sind. Wenn wir uns die Automobilindustrie anschauen, bezweifeln wir, ob sie das Thema Recyclingfähigkeit schon ernst genug nimmt, wenn es darum geht, Rohstoffe zu sichern. Wir haben hier teilweise Batterien, die mit Schaum aufgefüllt werden, anstatt die einzelnen Komponenten mechanisch zu verschrauben. Dies führt zu Problemen bei der Demontage und zu erheblichen Qualitätsverlusten bei den zurückgewonnenen Materialien.
Kann durch Recycling die Abhängigkeit von internationalen Lieferketten sinken?
Bedingt. Die Metallwirtschaft ist ein internationales Geschäft. Die Preise für Metalle orientieren sich unter anderem an der Londoner Metallbörse. Sowohl der originäre Metallhandel als auch die Metallrecyclingwirtschaft und die Metallindustrie haben internationale Partner. Ein Abnabeln in der Rohstoffpolitik wäre blauäugig. Hier muss man im Dialog bleiben. Über das Metallrecycling können wir eine gewisse Rohstoffresilienz erreichen. Die Metallindustrie benötigt jedoch sowohl Primär- als auch Sekundär- bzw. Recyclingmaterial. Beides stellen unsere Mitglieder zur Verfügung, entweder über das Recycling oder als Importeur über den Welthandel.
Das klingt, als sei der Weg zur Kreislaufwirtschaft noch weit...
Im Gegenteil, was die Aufbereitungstechnik angeht, spielen wir in der Champions League. Vor allem in puncto Aufbereitungstiefe, also dem Anspruch, wirklich jedes Gramm Aluminium, Kupfer und Stahl aus Produkten wieder herauszuholen, sind wir in Deutschland und Europa weltweit spitze. Dass wir weiterhin importieren und exportieren, bedeutet nicht, dass die Kreislaufwirtschaft nicht funktioniert. Man darf Kreisläufe nicht ausschließlich regional denken. Metallqualitäten, die zum Beispiel in Deutschland recycelt wurden, werden nicht nur in Deutschland benötigt, sondern eben auch in Italien, Indien oder der Türkei. Fest steht, im Metallbereich wird der Kreislauf immer geschlossen. Damit das so bleibt und wir auch weiterhin in Recyclingtechnologie investieren können, sind offene Märkte unerlässlich.
Würde Kreislaufwirtschaft bedeuten, dass man irgendwann keine Erze mehr fördern müsste?
Solange Industriegesellschaften konsumieren, werden wir auch in Zukunft mehr Metall benötigen, als durch Recycling bereitgestellt werden kann. Solange es Wachstum gibt, wird die dritte Säule, also der Bergbau, nach wie vor eine Rolle spielen.
Wie essenziell ist die Metallindustrie in Deutschland noch?
Die Metallindustrie und die Metallrecyclingwirtschaft sind nach wie vor von zentraler Bedeutung für den Industriestandort Deutschland. Wir fertigen hochwertige Produkte, die oft unsichtbar bleiben – aber in Anwendungen wie Fahrzeugbau, Maschinenbau oder Medizintechnik unverzichtbar sind. Vom Rohstoff bis zur hochspezialisierten Komponente steckt in jeder Stufe viel technisches Know-how. In der Vergangenheit wurde vereinzelt infrage gestellt, ob Deutschland überhaupt noch eine eigene Metallindustrie braucht. Solche Gedankenspiele verkennen jedoch, dass unser Wohlstand wesentlich auf industrieller Wertschöpfung beruht – und Metalle sind deren Rückgrat.