Mit dem Studium sind Sie durch? Sie wissen noch nicht, wie es weitergehen soll? Wie wär’s dann mit Nachhaltigkeitsmanagement? Immer mehr Unternehmen ist es wichtig, dass vom Einkauf bis zum Kundenservice alles auf Umweltfreundlichkeit und soziale Gerechtigkeit abgeklopft wird, auch Investoren fordern so etwas immer stärker ein. Während dieser Text entsteht, meldet die Jobbörse Stepstone mehr als 100 offene Stellen in diesem Bereich.
Es suchen Unternehmen von der Drogeriekette Rossmann über den Werkzeugbauer Festool bis hin zum ADAC Niedersachsen / Sachsen-Anhalt. Das Jobprofil ist offen für Quereinsteiger. Die Qualifikation lässt sich per Weiterbildung erlangen. Mit Homeoffice werben viele potenzielle Arbeitgeber, hinzu kommen unter Umständen spannende Reisen zu Lieferanten und Produktionspartnern. Und gute Aufstiegschancen. Denn ältere Kollegen haben das Thema oft nicht auf dem Radar.
Den Trend zum nachhaltigen Unternehmen kann man für „woke“ halten, für ein bisschen überkandidelt oder auch für unternehmerischen Luxus. Aber die Nachfrage existiert. Außerdem erfüllt das Jobprofil schon fast klischeehaft die Wünsche, die der Generation Z in Sachen Arbeit zugeschrieben werden: Gelegenheit zur persönlichen Weiterentwicklung, flexible Gestaltung der Arbeitszeit, als sinnvoll empfundene Tätigkeit.
Und Arbeitgeber senden damit eine Botschaft an die eigene Belegschaft und an potenzielle Mitarbeiter. Sie lautet: „Bei uns gibt es spannende Jobs zu vergeben, mit sinnstiftenden Themen. Und mit viel Gestaltungsfreiheit, weil der Bereich noch nicht festgefahren und von den Alten beherrscht ist.“ In Zeiten des Arbeitskräftemangels ist solch eine emotionale Aufladung des Firmenimages sicher kein Fehler.
KULTURKAMPF UM DIE ARBEIT
Glaubt man den Berichten, dann wird in Sachen „Gestaltung von Arbeit“ in vielen deutschen Firmen ein regelrechter Kulturkampf ausgetragen: hier die Chefs alter Schule, die Präsenz einfordern, kontrollieren wollen, Leistung und Disziplin verlangen und mangelnde Bereitschaft dazu beklagen. Und dort eine junge Generation, die Karriere und Einkommen nicht mehr über alles stellt, Flexibilität wünscht und ihre privaten Interessen der Arbeit nicht mehr zu sehr unterordnen will.
Hardliner-Positionen vertreten dabei Manager wie Christian Sewing und Joachim Wenning, die Chefs von Deutscher Bank und Munich Re. Sie forderten jüngst, die Deutschen müssten mehr arbeiten, Wenning regte an, gesetzliche Feiertage zu streichen. Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder bekundete derweil Sympathien für eine Sechs-Tage-Woche wie in Griechenland.
Angesichts des Arbeitskräftemangels in vielen Branchen sind solche Aussagen nachvollziehbar. Aber aus genau dem gleichen Grund dürften sich die Forderungen dort auch schwer durchsetzen lassen. Denn es existiert in Deutschland kein Zwang zur Vollzeitarbeit: Wer als Bewerber oder Bewerberin gefragt ist, dem steht es frei, zum Beispiel nach Vier-Tage-Woche oder Homeoffice zu fragen. Je mehr der potenzielle Arbeitgeber unter Druck ist, desto mehr wird er geneigt sein, dem möglichen neuen Mitarbeitenden entgegenzukommen.
In Start-ups, Agenturen, IT- oder Medienfirmen – in Branchen also, in denen dem Klischee nach Innovation kultiviert wird und die Mitarbeitenden im Durchschnitt sehr jung sind – kann man schon heute sehen, wie sich die Arbeitswelt ändert: Individuelle Absprachen zu Arbeitszeit oder -ort sind gang und gäbe. Führungspositionen werden gegebenenfalls gesplittet, um sicherzustellen, dass immer jemand erreichbar ist, der entscheiden kann.
Tagesschau.de veröffentlichte dazu vor einigen Monaten einen Artikel mit dem provokanten Titel: „Arbeitsmoral der Generation Z: Wohlstandsgefährdung oder Chance?“ Protagonisten waren: eine 23-jährige Mitarbeiterin einer Filmproduktionsfirma, die von Work-Life-Balance und mehr Motivation dank kürzerer Arbeitszeit berichtete. Außerdem ein selbstständiger Hotelier mit 60-Stunden-Woche, der klagte, es müsse doch jemand von den Mitarbeitern vor Ort sein, wenn ein Gast einen Wunsch habe. Eine Vier-Tage-Woche sei deshalb in seinem Unternehmen nicht möglich. Die jüngere Generation müsse eben genauso viel leisten, wie er es selbst getan habe.
EXAKTER ORGANISIEREN UND KOMMUNIZIEREN
So wie der Hotelier denken viele. Gerade dann, wenn sie einen eigenen Betrieb aufgebaut haben und hart darin arbeiten. Doch nicht jeder setzt die gleichen Prioritäten. Dort, wo Jobs gesplittet und Arbeitszeiten flexibel gestaltet werden, kann man im Idealfall sehen, was getan werden muss, damit der Laden trotzdem läuft: Einerseits muss dann mehr und exakter organisiert und kommuniziert werden. Andererseits existieren aber auch Werkzeuge, die dabei helfen: Projektmanagement-Tools mit Dokumentation und Chatfunktion zum Beispiel, in denen jeder nachvollziehen kann, was in einer bestimmten Angelegenheit schon passiert ist und was gerade akut zu tun ist. Mancherorts auch firmeninterne Blogs oder andere Social-Media-Lösungen.
Noch flexibler handhabt zum Beispiel IBM den Umgang mit den sogenannten „Human Ressources“. Dort existiert eine sogenannte „Talent Cloud“, aus der heraus je nach Projekt Mitarbeitende zu Teams zusammengestellt werden. So können je nach Aufgabe die nötigen Ressourcen und Kompetenzen immer wieder passend kombiniert werden – und auch Wünsche in Sachen Arbeitszeit oder -ort dabei berücksichtigt werden. Und nicht zuletzt bietet Künstliche Intelligenz für die Zukunft noch eine Menge Potenzial, was das Einsparen oder Vereinfachen von Routinearbeiten angeht: Zwar gibt es schon heute Tools, die Routinetexte oder Präsentationen erstellen können, Daten analysieren oder Kundenkontakte per Chatbot optimieren – doch die wenigsten Unternehmen dürften von sich behaupten können, dass sie diese Möglichkeiten bereits voll ausschöpfen. Hier dürfte in Sachen Arbeitseffizienz und -organisation noch einiges herauszuholen sein.
VERSTÄNDNIS VON FAMILIE HAT SICH VERÄNDERT
Und nicht vergessen darf man bei all den Klagen über die junge Generation im Job, dass Gesellschaft und Arbeitswelt nicht mehr die sind, die sie in den Achtziger- oder Neunzigerjahren waren: War damals in Familien meist der Mann der Haupt- oder sogar Alleinverdiener, so sind Mann und Frau heutzutage oft gleich qualifiziert und häufig auch gleich ambitioniert, was Arbeit und Karriere angeht. Da liegt der Gedanke nahe, die Arbeitsbelastung im Job so zu splitten, dass beide sich auch gleichberechtigt um die Familie kümmern können.
Damit das klappt, braucht es eben Bereitschaft, Organisation – und wohl auch die aktuelle Generation, die den Wandel einfordert. Oder wie die Autorin und Arbeitsexpertin Susanne Nickel es in einem Interview mit „Capital“ formulierte: „Ich sage seit Jahren, macht keine Meetings nachmittags um fünf, wenn die Mütter nicht mehr da sind.“ Und: „Die Generation Z hat die Macht, Forderungen durchzusetzen, die Mütter nie erreicht haben.“