Vollbremsung oder Crash?

Die Strom- und Gaspreisbremse ist eine Sturzgeburt. Vieles ist noch völlig unklar. Was bekannt ist, haben wir zusammengefasst.

Illustration: Malcolm Fisher
Illustration: Malcolm Fisher
Eike Schulze Redaktion

Die kürzlich von der Bundesregierung beschlossene Gas- und Strompreisbremse soll die schlimmsten Folgen der steigenden Energiekosten insbesondere durch den Ukraine-Krieg verhindern. Sowohl Verbraucher als auch kleinere gewerbliche Kunden, aber auch die Industrie sollen hiervon profitieren. Was für Gas gilt, soll für Strom in ähnlicher Weise gelten, auch hier kompensiert der Staat mit einer Förderung zu hohe Preise. Endgültig werden die staatlichen Hilfen, wenn der Bundestag und Bundesrat dies vor Weihnachten beschließen, bis dahin sind noch Detailänderungen möglich.

Das Eckpunktepapier der Bundesregierung sieht für gewerbliche und Industriekunden konkrete Maßnahmen vor. Danach sollen die Unternehmen bis zum 30.04.2024 entlastet werden. Gewerbebetriebe mit einem Stromverbrauch von bis zu 30.000 Kilowattstunden erhalten eine Strompreisdeckelung auf 40 Cent je Kilowattstunde inklusive aller Abgaben. Dies gilt auf 80 Prozent des historischen Netzverbrauches, der in der Regel am Vorjahr gemessen wird. Für die restlichen 20 Prozent muss ein marktüblicher Preis bezahlt werden.

Unternehmen, die mehr als 30.000 Kilowattstunden im Jahr benötigen, erhalten eine verbesserte Förderung, hier müssen 13 Cent je Kilowattstunde, allerdings auf 70 Prozent des historischen Verbrauchs, gezahlt werden. Hinzukommen Steuern, Netzentgelte, Abgaben und Umlagen, die den Preisvorteil verringern. 30 Prozent müssen dann zu marktüblichen Konditionen eingekauft werden. Gedeckelt ist dies als Höchstgrenze durch einen EU-Beschluss der EU-Kommission vom 28. Oktober 2022. Die Netzentgelte sollen durch eine Geldspritze der Bundesregierung auf dem Niveau von 2022 möglichst gehalten werden.

Ebenso wie für Strom gibt es bei Gas eine Deckelung des Preises. Dies ist gerade für Unternehmen essenziell, die einen großen Bedarf an Erdgas haben. Die Preisdeckelung gilt für leitungsgebundenes Gas, das zur Wärmeerzeugung oder in der Produktion genutzt wird. Ziel ist es, vertretbare Gaspreise zu erreichen, die das Überleben und Wachstum von Unternehmen sichern. Über diesen Weg erhalten kleine und mittlere Unternehmen von ihren Lieferanten 80 Prozent ihres Erdgasverbrauchs zu 12 Cent je Kilowattstunde beziehungsweise 80 Prozent ihres Wärmeverbrauchs zu 9,5 Cent je Kilowattstunde; Industriekunden erhalten von ihren Lieferanten 70 Prozent ihres Erdgasverbrauchs zu 7 Cent je Kilowattstunde oder 70 Prozent ihres Wärmeverbrauchs zu 7,5 Cent je Kilowattstunde. Diese Hilfe soll zunächst bis 2024 gelten.

Bis zum Jahresende gilt außerdem das Energiekostendämpfungsprogramm (EKDP). Dieses Zuschussprogramm, das über die BAFA (Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle) abgewickelt wird, gilt allerdings nur für energieintensive Betriebe. Für diesen Zweck stellte das Bundeswirtschaftsministerium 5 Milliarden Euro zur Verfügung. Allerdings zahlte die BAFA bis Ende Oktober erst 42 Millionen Euro aus, wie die Akademie Bergstraße berichtete. Ein Tropfen auf den heißen Stein.
 

»Die Gaspreisbremse gilt nur bis 2024, danach ist unklar, wie es weitergehen soll.«


Die Strom- und Gaspreisbremse ist letztendlich eine Sturzgeburt. Vieles ist noch nicht klar, auch organisatorisch. Das Entscheidende für Betriebe ist schließlich, wann das Geld aus dem Finanztopf tatsächlich beim Unternehmen ankommt und in welcher Höhe. Läuft dies so langsam ab, wie derzeit beim Energiekostendämpfungsprogramm, so dürfte dies für einige Unternehmen eng werden, um noch zu überleben.

Doch nicht nur in der Industrie laufen die Drähte heiß, auch bei den Stadtwerken. Einerseits sollen die städtischen Energieversorger nach dem Wunsch der Bundesregierung bei säumigen Kunden ein Auge zudrücken beim Eintreiben der Gelder, andererseits müssen die Stadtwerke teilweise schon höhere Preise für Gas zahlen, je nachdem wie lange Vertragslaufzeiten die Gasverträge haben. In dieser Quadratur des Kreises geraten die regionalen Versorger früher oder später selbst in finanzielle Schwierigkeiten. Ingbert Liebing, Hauptgeschäftsführer des Verbands kommunaler Unternehmen (VKU), bringt es so auf den Punkt: „Ärgerlich ist, dass es in zentralen Punkten keine Verbesserung gibt. So ist nicht gewährleistet, dass die Stadtwerke die staatliche Erstattung rechtzeitig zum 1.12. 2022 erhalten. Damit kommen die Energieversorger in die problematische Situation, dem Staat bis zu neun Milliarden Euro Dispositionskredit zu geben.“ Und: Sollte das Gas durch einen kalten Winter knapp werden, können die Versorger nicht weiterhelfen. Da helfen dann auch keine vergünstigten Preise für gewerbliche Verbraucher.

Es gibt mehrere Baustellen, die für gewerbliche Kunden wichtig sind. Zum einen ist dies der Preis, zum anderen die Versorgungssicherheit. Bei Strom lässt sich dies zum Teil leichter umsetzen als bei Gas. So können Notstromaggregate beschafft werden, die die Gefahr für einen Blackout oder Brownout (regionale Stromausfälle) absorbieren können. Bei Gas ist dies deutlich schwieriger zu kalkulieren. Eine Ersatzbeschaffung durch Ausweichen auf andere Energieträger ist sicher im Einzelfall möglich, aber nicht in der Breite der Wirtschaft.

Zumal hier auch an anderer Stelle noch weiteres Ungemach droht: Die Gaspreisbremse gilt nur bis 2024, danach ist unklar, wie es weitergehen soll. Explodieren dann die Preise, weil der Staat seine finanziellen Mittel aufgebraucht hat, wird es schwierig. Gerade für energieintensive Branchen kann es schnell zappenduster aussehen. Zu hoffen ist sicherlich, dass der Staat es in dieser Zeit über Lieferabkommen schafft, das russische Gas komplett zu ersetzen. Möglich wäre dies, auch wenn die Gasversorgung damit teurer werden dürfte. Beim Strom hingegen haben Unternehmen die Chance, wenigstens teilweise autarker zu werden durch erneuerbare Energien plus Speichertechnik. Wer als Unternehmen über größere Dachflächen verfügt, kann diese für Photovoltaikanlagen nutzen, die ihren Beitrag zur Energieversorgung leisten können. Allerdings muss hierfür Kapital bereitgestellt werden, und ob die staatliche Förderung als Bonus tatsächlich immer zu einer Wirtschaftlichkeit führt, ist unklar.

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