Erstarrt vor der Ladesäule

Beim Umstieg auf E-Mobilität wird das Laden als entscheidendes technisches Hindernis gesehen – nicht ganz zu unrecht.

Illustration: Mal Made
Illustration: Mal Made
Mirko Heinemann Redaktion

„Wir haben ein Überangebot an Lademöglichkeiten“, sagte Kerstin Andreae, Vorsitzende des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft BDEW, im Spätsommer. Als Beleg führte sie die Auslastung der öffentlichen Ladepunkte an. Sie betrage zwischen 3 und 25 Prozent und zeige, dass mehr als genug Ladesäulen bereitstehen. „In der Regel sind rund 80 Prozent der Ladepunkte trotz der erfreulich vielen Neuzulassungen frei verfügbar“, so Andreae. 

Hört man sich bei Skeptikern um, führen sie aber gerade den Mangel an Lademöglichkeiten als Grund an, sich kein E-Fahrzeug anzuschaffen. In einer Diskussion auf dem Portal Reddit etwa fällt auf, dass es fast nie um die Technologie geht, sondern um das Laden. „Ich kann nicht zu Hause laden, daher kommt das für mich nicht in Frage bisher. Sobald ich das zu Hause tun könnte, spräche aber nichts mehr dagegen“, schreibt einer. Ein anderer ergänzt: „In meiner Gegend ist die Ladeinfrastruktur noch nicht wirklich vorhanden, da lohnt sich ein E Auto nur, wenn man es auch zuhause laden kann.“ Kurz und bündig ein weiterer: „Ladesäulen für Leute ohne Garage noch mager.“

Was denn nun? Der Verband der Automobilindustrie VDA sieht auch einen Mangel an Lademöglichkeiten. Demnach kämen im Januar 2021 noch 14 E-Autos und Plug-in-Hybride auf einen öffentlichen Ladepunkt. Inzwischen seien es 22. Derzeit gibt es etwa 90.000 öffentliche Ladepunkte. Das sei weit entfernt von dem von der Bundesregierung ausgerufenen Ziel von einer Million bis 2030. „Um das gesteckte Ziel zu erreichen, müsste die Ausbaugeschwindigkeit der vergangenen zwölf Monate etwa vervierfacht werden“, so VDA-Präsidentin Hildegard Müller.

Vielleicht ist das zentrale Problem eher die Bedienung. Vor dem Laden steht die Frage: Stimmt der Anschluss, habe ich das richtige Kabel, den richtigen Stecker? Kann ich ohne Anmeldung zahlen? Brauche ich eine Ladekarte oder eine App? Bei der einen Säule zahlt man über das Smartphone, bei der anderen kommt die Rechnung per Post. Auch, wie viel die einzelne Kilowattstunde (kWh) am Ende kostet, ist oft unklar und je nach Anbieter verschieden. Es gibt unterschiedliche Tarifmodelle: solche mit und andere ohne Grundgebühr. Einige Betreiber verlangen nach einer gewissen Standzeit an der Ladesäule einen Aufschlag pro Minute. Das Laden an AC-, DC- und Hochleistungsladesäulen kostet unterschiedlich viel, moniert auch der ADAC. 

Er empfiehlt E-Auto-Halterinnen und -Haltern, sich genau zu informieren: Stromversorger, etwa Stadtwerke, konzentrieren sich auf ihre Region und ermöglichen ihren Kundinnen und Kunden Zugang zu von ihnen betriebenen Ladesäulen. Und dann gebe es Unternehmen, die überregional den Zugriff auf Ladesäulen verschiedener Betreiber ermöglichen. Sie bieten in der Regel deutschlandweites Laden und sind teils auch im Ausland vertreten. Der Automobilclub empfieht daher: Wer regelmäßig längere Strecken fahre und das Geschäftsfeld seines regionalen Anbieters verlässt, für den sei ein Vertrag mit einem oder sogar mehreren Elektromobilitätsanbietern mit E-Roaming sinnvoll. Alles klar? Kein Wunder, dass die Verwirrung groß ist.
 

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