E-Transporter in der Warteschleife

2016 nahm die Post die Serienfertigung des StreetScooters auf. Seitdem ist nicht viel mehr viel passiert in Sachen „elektrische letzte Meile“. Neue Modelle machen Hoffnung.

Illustration: Mal Made
Illustration: Mal Made
Kai Kolwitz Redaktion

Die Prognosen klangen vielversprechend: 60 bis 80 Prozent der Kosten für Wartung und Verschleiß wollte die Deutsche Post gegenüber ihren Diesel-Transportern einsparen – und 60 bis 70 Prozent der Kosten für Treibstoff. Im Jahr 2014 hatte sie das Unternehmen StreetScooter gekauft, das einen elektrisch angetriebenen Kleintransporter entwickelt hatte. In Zukunft sollte dieser Wagen das Rückgrat der Zustellflotte der Post bilden – und angesichts der vom Hersteller genannten Daten hätte jeder andere Zusteller wahnsinnig sein müssen, der nicht ebenfalls Fahrzeuge mit Elektroantrieb für seine Zwecke genutzt hätte.

Heute wird die Fracht immer noch überwiegend per Diesel transportiert: Im Jahr 2022 waren in Europa 86 Prozent aller neuen Transporter entsprechend ausgerüstet, 5,3 Prozent der Neuzulassungen fuhren vollelektrisch oder mit Plug-in-Hybrid. Und das, obwohl E-Transporter sogar gefördert werden: In Deutschland werden zum Beispiel 80 Prozent der Mehrinvestitionen erstattet, bis zu einer Obergrenze von 20.000 Euro pro Fahrzeug. 

Nicht, dass die Sache mit dem StreetScooter eine Totgeburt gewesen wäre. Aber ein Blick auf seine technischen Daten erklärt, warum er nur in der Nische unterwegs war: Höchstgeschwindigkeit: 85 Stundenkilometer. Reichweite: bis zu 205 Kilometer nach NEFZ. Zuladung im besten Fall 905 Kilogramm. Eine zulässige Anhängelast findet sich nicht im Datenblatt. 

Die Konkurrenten der ersten – und oft noch aktuellen – elektrischen Transporter-Generation konnten und können in der Regel alles ein bisschen besser. Doch die Reichweiten liegen beim Gros des Angebots unter 300 Kilometer, oft sogar nur bei ungefähr 200 Kilometer. 

Problem dabei ist, dass in dieser Normreichweite nicht eingerechnet ist, dass Transporter oft voll beladen unterwegs sind, was die Reichweite verringert. Kalkuliert man das ein, kann es schwer werden, beim Liefern auf dem Land über den Tag zu kommen. Dazu bieten Elektro-Transporter meist deutlich weniger Anhängelast als solche mit Verbrenner, es gibt sie in weniger Varianten – und dank ihrer schweren Akkus auch für weniger Zuladung. Und je mehr man die Reichweite durch zusätzliche Akkus steigert, desto weiter sinkt die erlaubte Zuladung. 

Zumindest Letzteres könnte sich nächstes Jahr allerdings durch eine neue Regelung ändern: Mit dem Pkw-Führerschein soll man dann elektrische Fahrzeuge bis zu einem Gewicht von 4,25 Tonnen bewegen dürfen, statt bisher nur bis 3,5 Tonnen. Der Nachteil durch die schweren Akkus wäre so ausgeglichen. 

Und: Absehbar ist, dass die nächste Generation Elektro-Transporter von den Leistungsdaten her näher an die Verbrenner heranrücken wird. Für den neuen elektrischen Ford Transit Custom gibt der Hersteller eine Reichweite nach Norm von immerhin maximal 327 Kilometer und eine Anhängelast von bis zu 2,3 Tonnen an, was das Modell für mehr Anwendungen interessant macht. Der elektrische Fiat Ducato des Modelljahrs 2024 soll in der Reichweite sogar auf maximal 420 Kilometer kommen, Mercedes will 2025 eine neue Elektro-Fahrzeugarchitektur vorstellen, von der ebenfalls deutliche Verbesserungen erwartet werden. 

Und schon heute können viele E-Transporter etwas, das Verbrenner in der Regel nicht können: Ihre Akkus lassen sich als Stromquellen für Werkzeuge und Arbeitsmaschinen verwenden. Auf der Baustelle kann das hilfreich sein.
 

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