Wie viel E verträgt die Flotte?

Elektromobilität spielt für Fuhrparkverantwortliche eine immer wichtigere Rolle. Doch während viele Vorteile aktuell für die Elektrifizierung sprechen, gilt es auch, die Risiken im Blick zu behalten.

Illustrationen: Anna Zaretskaya
Illustrationen: Anna Zaretskaya
Julia Thiem Beitrag

Die Zahlen, die der größte Autohersteller der Welt für das Geschäftsjahr 2023 vorgestellt hat, zeigen das Dilemma, in dem sich nicht nur die Industrie, sondern auch die Verbraucher derzeit befinden. Volkswagen hat 2023 vor allem mit Verbrennermodellen gut verdient – 18 Milliarden Euro Gewinn konnte der Konzern hier verbuchen. Gleichzeitig versucht man sich in Wolfsburg an dem Spagat, auch die Elektromobilität hochzufahren. Allerdings klappt das nach dem Wegfall der Prämie für E-Fahrzeuge nur noch bedingt. Entsprechend musste Volkswagen in den beiden Werken in Zwickau und Emden, wo bereits auf Elektromobilität umgestellt wurde, schon Schichten streichen. Ein Blick auf die Zahlen, die Statista rund um Elektromobilität bereithält, unterstreicht tatsächlich, dass Elektrofahrzeuge bei den Neuzulassungen mit 17,7 (voll-elektrisch), respektive 13,7 Prozent (Plug-in-Hybrid) zwar immer mehr Boden gut machen. Insgesamt liegt der Anteil der Elektroautos am Pkw-Bestand in Deutschland aber bei nur rund vier Prozent. 

Bei Privatkunden ziehen Experten die vergleichsweise hohen Preise für Elektrofahrzeuge als Grund für die stagnierende Nachfrage heran. Auch deshalb trifft der Wegfall der Prämie die Autobauer in diesem Segment so deutlich. Ein ganz anderes Bild zeichnet sich hingegen bei Flottenkunden ab. Eine aktuelle Studie von Dataforce zeigt: Der Anteil der batterieelektrischen Pkw (BEV) vergrößerte sich trotz Förderrückgangs und Sondereffekten von 17,8 auf 18,4 Prozent. Dabei kauften Privatkunden jedoch sowohl absolut (-14.343) als auch anteilsmäßig (2022: 25,0 Prozent, 2023: 23,9 Prozent) weniger Elektroautos. Bei Dienstwagen entschieden sich die Fuhrparkverantwortlichen hingegen deutlich öfter für ein BEV als noch 2022. Der Marktanteil kletterte von 16,6 auf 18,7 Prozent.


VIELE GRÜNDE SPRECHEN FÜR E-FLOTTE
 

Die Analysten von Dataforce glauben zudem vor allem langfristig an steigende BEV-Neuzulassungen bei Flottenkunden. Als Gründe führen sie die CO2-Regulierung der EU, eine immer bessere Infrastruktur und Preissenkungen an. Mit CO2-Regulierung ist beispielsweise der Green Deal der EU mit seinen ehrgeizigen Zielen gemeint: Bis 2030 sollen Treibhausgasemissionen um 55 Prozent verringert werden, 40 Prozent der Energie soll bis dahin aus regenerativen Quellen stammen und die Emission von Pkw und Lkw sollen um 55, respektive 50 Prozent sinken. 

Um diese Ziele zu erreichen, ist vor allem auch die Wirtschaft gefordert, ihren Beitrag zu leisten. Als Anreiz hat die EU beispielsweise die Kriterien bei der Kreditvergabe verschärft. Seit Sommer vergangenen Jahres müssen Banken auch Nachhaltigkeitseinflussfaktoren bei der Bewertung berücksichtigen. Heißt konkret: Unternehmen, die einen Kredit benötigen, müssen bestimmte ESG-Standards erfüllen, also Kriterien aus den Bereichen Umwelt, Soziales und Unternehmensführung. Mit der Umstellung auf eine E-Flotte können Unternehmen demnach mit verhältnismäßig geringem Aufwand die eigene Nachhaltigkeits-Bilanz verbessern, was definitiv ein Anreiz ist.

Und auch die Tatsache, dass sich viele Menschen im Land den Elektroantrieb (noch) nicht leisten können, ist für Unternehmen ein Argument für mehr alternative Antriebe innerhalb des Fuhrparks. Sie können damit zu einem echten Asset in puncto Mitarbeiterzufriedenheit werden – zum einen, weil diese so in den Fahrgenuss eines Elektrofahrzeugs kommen, zum anderen, weil gerade bei jüngeren Generationen die Nachhaltigkeit einen ganz anderen Stellenwert hat. Wer dann noch Lademöglichkeiten auf dem eigenen Betriebsgelände anbietet und auch die private Nutzung ermöglicht, kann sich als fortschrittlicher Arbeitgeber positionieren.


KOSTEN IM BLICK BEHALTEN
 

Allerdings gilt auch für Fuhrparkverantwortliche gerade in der aktuellen Entwicklungsphase der Elektromobilität, die Kosten sehr genau im Blick zu haben. Zum einen lassen die Ankündigungen der großen Autovermietungen Sixt und Hertz aufhorchen, einen Großteil ihrer Autoflotte verkaufen zu wollen. Hertz will sich sogar von rund einem Drittel der Fahrzeuge trennen. Der Grund seien die hohen Reparaturkosten. Das Handelsblatt beruft sich in einer Recherche zum Thema auf Branchenkreise, die betonen, dass vor allem die Logistik für Elektroauto-Komponenten nach wie vor lückenhaft sei. Selbst vergleichsweise einfache Ersatzteile wie eine Windschutzscheibe oder Stoßstange seien nur schwer zu bekommen. Entsprechend hoch seien die Ausgaben für den US-Autovermieter, so dass man sich entschieden habe, die E-Flotte zu reduzieren. Hertz spricht von Abschreibungen von rund 245 Millionen US-Dollar. Nun kann die Flotte eines Autovermieters nur bedingt mit dem Fuhrpark eines Unternehmens verglichen werden. Dennoch ist es wichtig, diese Art der Kosten gegen die bereits genannten Vorteile aufzuwiegen, bevor eine Entscheidung für oder gegen Elektrofahrzeuge getroffen wird. Und auch die Anzahl der E-Autos innerhalb der Flotte spielt natürlich eine Rolle. Es gibt nach wie vor auch Szenarien, wo Verbrenner auch heute noch die bessere Alternative sind. 

Hinzu kommt, dass ein weiterer für das Flottenmanagement wesentlicher Faktor derzeit schwer einzuschätzen ist: die Gebrauchtwagenpreise. Aufgrund der steuerlichen Förderung von E-Antrieben und der Rabatte bei Neuwagen direkt bei den Herstellern, ist das Bild hier noch deutlich verwässert. Dadurch sinken die Restwerte und der Einbruch der Nachfrage auf Privatkundenseite macht es derzeit schwer einzuschätzen, ob und wo sich die Gebrauchtwagenpreise einpendeln könnten. Auch das gilt es sorgfältig in die Flottenentscheidung einfließen zu lassen. 

Dennoch steht Elektromobilität auch in diesem Jahr ganz klar im Fokus von Deutschlands größter Fuhrparkmesse „Flotte! Der Branchentreff“, die am 20. und 21. März in Düsseldorf stattfindet. Elektromobilität sei derzeit ein Top-Thema und die Elektrifizierung der Fuhrparks beschäftige nahezu jedes Unternehmen, unterstreicht Ralph Wuttke, Flottenmanagement-Chefredakteur und Projektleiter des Branchentreffs. 
 

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