„Es gibt nur einen Chef. Den Kunden!“ titelt Haley Garner vom britischen Logistik-Consultant Eye for Transport im jüngsten Kundennewsletter. Die so genannte Customer Centricity – Kundenorientierung – habe noch nie so stark im Fokus der Logistikbranche gestanden wie heute. „Wesentlicher Treiber für alle Player – und diese Entwicklung ist relativ neu – ist der Endkunde, der sich mit seinen Wünschen nicht nur im Handel, sondern auch in Industrie und Dienstleistung wettbewerbsentscheidend bemerkbar macht“, heißt es dementsprechend in der jüngsten Studie des Bundesverbands Logistik BVL zu Trends und Entwicklungen der Branche. Weil der Kunde hohe Anforderungen an Preis, Individualität und Lieferfristen hat, müssen Industrie und Handel schnell reagieren. Was bedeutet das für die Logistiker?
Der boomende E-Commerce verändert schon längst die Lieferkonzepte in unseren Städten. Zalando lässt die Daten der Modebranche – also der Hersteller, Verkäufer, Online-Shops, Blogs und Social-Media-Kanäle – durch Big-Data-Tools durchforsten, um Algorithmen zu erstellen, die künftiges Kaufverhalten prognostizieren. So sollen Kosten für Lagerhaltung und der Einsatz von Material und Personal sinken. Auch in der Industrie ist das so: Wenn Siemens seine Lieferketten durch Datenanalyse auf künftige Risiken hin untersuchen lässt, verändert das Lagerhaltung und Ersatzteillogistik.
Oder im Automobilbau: Viele Millionen Varianten eines Modells stehen den Kunden heute zur Verfügung. „Nur mit dem einen, immer gleichen Produkt ergab die Fließband-Fertigung vor hundert Jahren Sinn. Heute wollen unsere Kunden genau das Gegenteil: Jeder Audi soll mit dem Wunsch nach Individualisierung so einzigartig sein wie ein Maßanzug“, sagt Prof. Hubert Waltl, Produktions- und Logistikvorstand bei Audi. „Unsere Produktion soll das möglich machen. Durch völlig neue Fertigungsverfahren.“ Deshalb ruft Audi den Abschied vom Fließband aus und schwenkt auf modulare Montageinseln um, an denen künftig flexibel und hoch individualisiert gefertigt wird. Erst Motoren in Györ, später auch Autos in den anderen Werken des Konzerns. 20 Prozent mehr Effizienz soll die digital gesteuerte Produktion bringen.
Diese Umstellung in der Produktion bedeutet bei den Logistikern und Zulieferern einen immensen Wandel – hin zu höchster Transparenz entlang der gesamten Wertschöpfungskette. Die Logistiker sind gefordert, schnell und zuverlässig die hohen Anforderungen der Industrie zu erfüllen. Sie müssen Lieferketten digitalisieren, obwohl oftmals die notwendigen Daten nicht vorhanden, Schnittstellen nicht definiert oder die Datenqualitäten unzureichend sind. Schaffen sie es nicht, rasch digital zu werden und sich den veränderten Bedingungen anzupassen, dann könnte ihr Geschäftsmodell in wenigen Jahren verschwunden sein. Für Prof. Wolfgang Kersten von der Technischen Universität Hamburg, der die Trendstudie des BVL geleitet hat, ist eines klar: „Der späteste Zeitpunkt, um in die Digitalisierung einzusteigen, ist jetzt!“
Neue Lieferketten
Logistikunternehmen stehen vor einem tiefgreifenden Wandel. Vor allem die Digitalisierung ändert die Rahmenbedingungen für die Branche.
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