Herr Dr. Ing. Hünermann, was verstehen Sie unter Hyperpersonalisierung?
Hyperpersonalisierug bedeutet, dass ein Shop für jeden Nutzer so ausgespielt wird, dass individuell relevante Produkte zuerst gesehen werden. Wichtig ist hierfür vor allem die Sortierung der Produktlisten, die an den aktuellen Nutzerkontext angepasst wird: z. B. der Marketingkanal, der Gerätetyp, die Tageszeit, die Region, das Wetter, etc. Aus diesen Informationen ergibt sich eine Sortierung, die sogar ohne Cookies funktioniert.
Warum war das für Ihren Kunden Frankonia besonders relevant?
Frankonia führt ein breites Sortiment von Jagdausrüstung bis Tracht. Zuvor galt ein einheitliches Ranking, das für alle Besucherinnen und Besucher gleich war. Kontextfaktoren wie Region und Wetter, die für die Jagd wichtig sind, blieben ungenutzt.
Wie sind Sie vorgegangen?
Zunächst haben wir bekannte und unbekannte Besuchergruppen getrennt betrachtet. Anschließend haben wir pro Kategorie klare Kennzahlen festgelegt, etwa Umsatz, Warenkorbgröße oder Klickrate. Darauf aufbauend kombiniert das System Ausspielungsvarianten im lernenden Verfahren und bestimmt binnen Millisekunden die Reihenfolge.
Können Sie ein Beispiel geben?
Wenn in einer Region Regen und kühle Temperaturen vorherrschen, priorisiert das System wasserdichte Jacken, Stiefel und robuste Ausrüstung. Dieser Prozess läuft automatisch, sodass kein Team täglich Listen pflegt. Teams können in Berichten nachvollziehen, warum ein Artikel oben steht.
Welche Ergebnisse hat Frankonia erzielt und wie wurden sie erhoben?
Die Wirksamkeit wird immer in A/B-Tests geprüft. Bei bekannten Nutzerinnen und Nutzern stieg der kumulierte Umsatz um 41,53 Prozent, bei unbekannten Besucherinnen und Besuchern um 15,36 Prozent. Der durchschnittliche Warenkorb der unbekannten Gruppe stieg um 9,38 Prozent. Die dynamische Sortierung erwies sich als spürbarer Vorteil, auch mobil.
Was bedeutet der Verzicht auf Cookies in der Praxis?
Im ersten Schritt nutzt das System Kontextsignale wie z. B. Region, Wetter, Uhrzeit, Gerät und Klickverhalten innerhalb der Sitzung. Diese Kombination bleibt datensparsam, erklärt sich klar und funktioniert auch bei Erstbesuchen.
Welche zwei wichtigsten Learnings ziehen Sie aus dem Projekt?
Erstens zeigt sich, dass Sortimentslogik und Nutzerlogik zusammengehören, weil gepflegte Produktdaten ihren Wert erst durch situative Relevanz entfalten. Zweitens überzeugt ein fokussierter Start in einer klar umrissenen Kategorie, weil er schnell belastbare Ergebnisse liefert und den Ausbau erleichtert.
Wie startet ein Handelsteam möglichst konkret und ohne Umwege?
Am ersten Tag sollten die Verantwortlichen die Datenquellen sichten und verbinden, also Shoptracking und, sofern erlaubt, das CRM. In der ersten Woche empfiehlt sich die Auswahl von zwei bis drei Kernkategorien sowie die Definition der Zielgrößen. Im ersten Monat folgt ein Live-Test mit Messung und Nachschärfung, danach der Roll-out. So bleibt der Aufwand beherrschbar und der Effekt klar messbar.
Wie verhindern Sie unpassende Empfehlungen in sensiblen Situationen?
Das System verbindet Regeln mit Lernlogik. Artikel, die in einer Situation dauerhaft kaum Beachtung finden, rücken automatisch nach hinten. Bei Änderungen von Wetter, Saison oder Beständen kann ein Artikel wieder aufsteigen. Die Listen bleiben relevant, ohne ständige manuelle Eingriffe.
Wie viel Zeit und Teamstärke sind für den Einstieg nötig?
Ein kleines Kernteam aus Shopverantwortlichen sowie je einer Person für Tracking und CRM genügt. Die Anbindung gelingt in der Regel innerhalb weniger Tage. Wichtig sind ein realistischer Umfang zu Beginn und ein gemeinsames Verständnis der Erfolgsmessung. Ein diszipliniertes Test-und-Lern-Vorgehen sorgt anschließend für zügige Skalierung.
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